Nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung muss der Unterlassungsschuldner sicherstellen, dass er alle kerngleichen Verstöße gegen die zu unterlassene Handlung beseitigt und erneute Rechtsverletzungen vermeidet. Bei einer Zuwiderhandlung drohen ihm Vertragsstrafen oder weitere kostspielige Abmahnungen.

Das OLG Hamburg entschied mit Urteil vom 28.11.2019 (Az.: 15 U 29/19), dass die Verfolgung von Bagatellverstößen in Kombination mit hohen Abmahnkosten und Verstragstrafen Rechtsmissbrauch begründen kann. Im vorliegenden Fall fiel den Richtern besonders das “rigide Vorgehen der Beklagten” auf.

Impressumsfehler im elektronischen Branchenbuch

Die Beklagten hatten im Impressum der von ihr betriebenen Internetseite www.***.tel nicht das Registergericht angegeben und damit gegen § 5 TMG verstoßen.

Bereits 2015 wurden sie für diesen Fehler auf ihrer Seite www.***.de von der Klägerin abgemahnt und haben sich strafbewehrt zur Unterlassung verpflichtet. Schon zu diesem Zeitpunkt war das Impressum beider Webseiten identisch und mit demselben Fehler behaftet. Nach Abgabe der Unterlassungserklärung bezogen auf die Seite www.***.de korrigierte die Beklagte aber irrtümlich nur die Angaben auf der .de-Seite. www.***.tel stellte dabei keine eigene, umfassende Internetpräsenz dar, sondern lediglich einen Eintrag in der Art eines elektronischen Branchenbuchs.

Die Klägerin entdeckte das Fehlen der Angabe des Registergerichts auf www.***.tel und machte daher in einem bereits laufenden Verfahren vor dem Landgericht Hamburg hinsichtlich der Abmahnkosten für die Abmahnung aus dem Jahr 2015 nun auch die Vertragsstrafe in Höhe von 2.500 € wegen des gleichartigen Impressumsverstoßes geltend. Daneben ließ sie das Unternehmen (sowie ebenfalls den Geschäftsführer) erneut abmahnen und sandte eine vorformulierte Unterlassungsverpflichtung ab, die die Beklagten nicht abgaben. Die Klägerin verfolgte die Unterlassungsansprüche und Abmahnkosten der zweiten Abmahnung weiter und wollte die Rechtsanwaltskosten nach einem Gegenstandswert in Höhe von 10.000 € berechnen.

Das Landgericht Hamburg hat der Klägerin in dem Parallelverfahren (Az. 406 HKO 106/16) an Stelle der begehrten 2.500 € eine Vertragsstrafe nur i.H.v. 200 € zugesprochen. Die Kosten der Abmahnungen aus 2015 hat es wegen nur teilweise berechtigter Abmahnungen nur zur Hälfte zugesprochen, wobei der Gegenstandswert nach eingelegter Berufung auf 3.000 € (bzw. 1.500 €) reduziert wurde (statt von der Klägerin zugrunde gelegter je 10.000 €).

2017 mahnte die Klägerin daraufhin die Beklagte wegen der angeblich den Anforderungen des § 13 Abs. 7 TMG nicht genügenden, weil nicht vorhandenen Sicherung der Internetseite www.***.de ab. Die Beklagte gab hier eine Unterlassungsverpflichtungserklärung ab. Die Klägerin begehrte insofern die Erstattung von Abmahnkosten nach einem Gegenstandswert i.H.v. 7.500 €.

Rechtsverfolgung missbräuchlich

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 10.04.2018 (Az.: 406 HKO 197/16) als unzulässig abgewiesen und dies darauf gestützt, dass die Rechtsverfolgung durch die Klägerin (rechts-) missbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG (Unterlassungsansprüche) bzw. § 242 BGB (Abmahnkosten) sei.

Das OLG Hamburg bestätigte mit seinem Urteil die Ansichten des LG:

Gemäß § 8 Abs. 4 S. 1 UWG ist die Geltendmachung eines nach § 8 Abs. 1 UWG bestehenden Unterlassungsanspruchs unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Soweit dies der Fall ist, ist eine erhobene Klage als unzulässig abzuweisen.

Abhängig vom Gesamtbild

Ein Missbrauch liege vor, wenn die beherrschenden Motive für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs überwiegend sachfremd und für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele seien.

Die Annahme eines derartigen Missbrauchs erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelfallumstände. Dabei ist vor allem auf das Verhalten des Gläubigers bei der Verfolgung dieses und anderer Verstöße abzustellen. Zu berücksichtigen sind aber auch die Art und Schwere des Wettbewerbsverstoßes sowie das Verhalten des Schuldners.

Aus der Zusammenschau aller Umstände des Falles kam das OLG zu dem Schluss, dass es der Klägerin mindestens in erster Linie darum ging Abmahnkosten zu generieren.

Lediglich ein Bagatellverstoß

Zunächst stellte das Gericht fest, dass es sich bei dem Verstoß gegen die Impressumspflicht um einen Bagatellverstoß handele. Es fehlte allein die Angabe des Registergerichts – die HRB-Nummer war genannt. Es liege zwar ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Nr. 4 TMG vor, doch dieser habe für die Klägerin keine oder kaum messbare wettbewerbsrechtliche (oder auch wirtschaftliche) Bedeutung. Zudem diene die Seite www. ***.tel letztlich nur der besseren Auffindbarkeit und der Kontaktanbahnung zu den Beklagten. Auf der wirtschaftlich wichtigeren Seite www.***.de war das Impressum korrekt angegeben.

Unterlassungsverpflichtungserklärung als Indiz

Daneben spreche in besonderem Maße für ein missbräuchliches Verhalten der Klägerin, dass nach den ihrerseits den Beklagten vorgeschlagenen Unterlassungsverpflichtungserklärungen jeweils eine Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung unabhängig von einem Verschulden der Beklagten entrichtet werden sollte. Ein solches Vorgehen des Abmahnenden könne nach höchstrichterlicher Rechtsprechung Anhaltspunkt dafür sein, dass die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs missbräuchlich und daher unzulässig sei (BGH, Urteil v. 15.12.2011, I ZR 174/10 – Bauheizgerät).

Zudem erweckten die Abmahnungen in der Zusammenschau mit den vorformulierten Unterlassungsverpflichtungserklärungen den unzutreffenden Eindruck, Unterwerfungserklärung und Anerkenntnis der Kostenerstattungspflicht gehörten zusammen.

Geringer Verstoß

Auch das Verhalten der Beklagten bezog das Gericht in seine Abwägung mit ein. Das rigide Vorgehen der Klägerin stehe in starkem Kontrast zu dem Verhalten der Beklagten.

Für die Klägerin sei es ohne weiteres erkennbar gewesen, dass der Verstoß gegen die Impressumspflicht kein erneuter Verstoß war, sondern die unvollständige Impressumsangabe schlicht übersehen bzw. unbedacht stehen gelassen wurde.

Angesichts dessen erscheint dem Senat das von der Klägerin zudem unbestrittene Vorbringen der Beklagten plausibel, man habe diese Internetseite als bloßen Eintrag in einem sog. Internet-Telefonbuch angesehen und sei nicht davon ausgegangen, dass es sich um eine eigene Internetseite handele […] Den Beklagten kann daher nur ein Vorwurf einfacher Fahrlässigkeit gemacht werden mit der Folge, dass der sog. Angriffsfaktor, der in dem versehentlich stehen gelassenen Impressumsverstoß zum Ausdruck kommt, denkbar gering ist.

Überhöhte Abmahnkosten

Schließlich stellte das Gericht fest, dass die Klägerin weit überhöhte Abmahnkosten abgerechnet und überzogene Vertragsstrafenandrohungen festgelegt hätte. Zum einen werde so erneut das monetäre Interesse der Klägerin deutlich. Zum anderen sei nicht zu erkennen, welchen eigenen Vorteil sich die Klägerin durch die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen neben der bereits festgesetzten und eingeklagten Vertragsstrafe versprochen haben könnte.

Das Gesamtbild war für das OLG Hamburg daher eindeutig:

Zwar darf ein Wettbewerber grundsätzlich auch Bagatellverstöße abmahnen, und Unterlassungsansprüche dürfen auch gesondert gegenüber einer GmbH und ihrem Geschäftsführer geltend gemacht werden. Ferner ist es dem bereits vertraglich gesicherten Unterlassungsgläubiger im Grundsatz unbenommen, neben dem vertraglichen Anspruch bzw. einer Vertragsstrafe auch einen neu entstandenen gesetzlichen Unterlassungsanspruch geltend zu machen (…). Hier steht jedoch der Anlass in Gestalt eines die Klägerin nicht oder kaum spürbar beeinträchtigenden, nur fahrlässigen Bagatellverstoßes durch Nichtnennung des Registergerichts auf einer Internetseite, die keine Homepage im eigentliche Sinne ist, zu den von der Klägerin gewählten Mitteln (Geltendmachung aller nur denkbaren Ansprüche gegen beide Beklagte gesondert unter Abrechnung deutlich überhöhter Kosten und Vorschlag einer verschuldensunabhängigen Vertragsstrafe) in so deutlichem Missverhältnis, dass daraus nur auf ein mindestens überwiegendes Kostengenerierungsinteresse der Klägerin zum Nachteil der Beklagten geschlossen werden kann.

§ 13 Abs. 7 TMG keine Marktverhaltensregel

In einer der Abmahnungen stützte die Klägerin dengeltend gemachten Unterlassungsanspruch wegen der ungeschützten Internetverbindung auf der Internetseite der Beklagten § 13 Abs. 7 TMG. Demnach kann der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nur bestanden haben, wenn die in § 13 Abs. 7 TMG getroffenen Regelungen Marktverhaltensregelungen i.S.v. § 3a UWG sind.

Dies ist nach dem OLG Hamburg aber nicht der Fall. Nach § 13 Abs. 7 S. 1 TMG haben Diensteanbieter in gewissem Rahmen sicherzustellen, dass kein unerlaubter Zugriff auf die für ihre Telemedienangebote genutzten technischen Einrichtungen möglich ist und dass diese Einrichtungen gegen Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten und gegen Störungen, auch soweit sie durch äußere Angriffe bedingt sind, gesichert sind. Da die Norm nicht auf Unionsrecht beruhe und ihr auch sonst kein marktverhaltensregelnder Charakter zu entnehmen sei, sei § 13 Abs. 7 TMG keine Marktverhaltensregel.

Fazit

Grundsätzlich kann der Unterlassungsschuldner bei Verstößen gegen die Unterlassungsverpflichtungserklärung zur Zahlung der Vertragsstrafe angehalten werden. In Ausnahmefällen kann das Verfolgen dieses Anspruchs aber rechtsmissbräuchlich sein. Ausschlaggebend war hier der Gesamtzusammenhang des individuellen Falls: Hier die Geltendmachung aller nur denkbaren Ansprüche gegen beide Beklagte (Unternehmen + Geschäftsführer) gesondert unter Abrechnung deutlich überhöhter Kosten und Vorschlag einer verschuldensunabhängigen Vertragsstrafe.

Grundsätzlich ist es empfehlenswert, Unterlassungsverpflichtunserklärungen nie einfach zu unterschreiben und sich hier stets anwaltlichen Rat zu holen.

 

sergign/Shutterstock.com

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