Seit April 2013 wird in den diversen Versandzentren von Amazon immer wieder gestreikt. Davon betroffen ist nicht nur der Brancheprimus, sondern auch Marktplatzhändler, die über Amazon das Fullfilment abwickeln lassen. Doch offensichtlich lassen die Aktionen von Ver.di die Händler kalt. Wir fragen einmal nach.
Und wieder hat die Gewerkschaft Ver.di die Mitarbeiter in den Versandzentren zu Streiks bei Amazon aufgerufen. Betroffen sind die Standorte in Rheinberg, Werne, Bad Hersfeld, Leipzig, Graben und Pforzheim. Auch bei Amazon Prime Instant Video Germany in Elmshorn habe die Arbeit geruht.
Was bedeuten die immer wiederkehrenden Streiks eigentlich für Shopbetreiber, wenn sie über Amazon verkaufen und zugleich Amazon den Versand überlassen? Bislang ist in der Branche dazu nicht viel zu hören.
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Warum immer wieder Streiks bei Amazon?
Die Gewerkschaften fordern seit langem einen Tarifvertrag für die Amazon-Beschäftigten in Deutschland. Dieser Tarifvertrag solle sich an der Lohnhöhe der geltenden Traifverträge aus dem Einzel- und Versandhandel orientieren, fordern die Arbeitnehmervertreter. Amazon hingegen sieht sich in erster Linie als Logistikdienstleister und hier seien die Löhne wesentlich niedriger.
Allerdings muss schon die Frage erlaubt sein, warum die Tatsache, dass Amazon auch Dienstleister ist, ihn automatisch nur zu einem Logistikdienstleister machen soll? Schließlich wird beim Picken und Packen doch wohl nicht zwischen Amazon-Produkten und Marktplatz-Produkten unterschieden. Ein und derselbe Picker pickt sicherlich sowohl Amazon-Bestellungen als auch Produkte eines Marktplatzhändlers.
Dass die Gewerkschaften (natürlich) die höheren Löhne durchsetzen wollen, liegt in der Natur der Sache. Schließlich wäre es für Ver.di ein Prestigeerfolg, wenn in Zeiten des stetigen Mitgliederschwundes der Wunsch nach höheren Löhnen bei Amazon durchgesetzt werden könnte.
Wie im vergangenen Jahr droht Ver.di damit, die Streiks bei Amazon auch im Weihnachtsgeschäft stattfinden zu lassen. Ob dies die Händler interessiert? Stephan Meixner von neuhandeln.de zeichnet ein schönes Bild:
“Der Kampf von Ver.di gegen Amazon ist ein Kampf gegen Windmühlen, den man nie gewinnen wird.”
Amazon braucht den Standort Deutschland
Immer wieder ist im Zuge der Diskussion um Streiks bei Amazon zu hören, dass das Unternehmen immer noch seinen Versand ins Ausland verlagern könne, wenn es die Gewerkschaften zu weit trieben. Der daraus entstehende volkswirtschaftliche Schaden sei dann enorm: Verlust tausender Arbeitsplätzen und damit bedingter Ausfall von Lohn- und Unternehmenssteuern, Schwächung der Binnenkaufkraft und so weiter.
Es gibt aber gute Gründe, warum Amazon nicht so einfach aus Deutschland abziehen wird. Der deutsche Markt ist sicherlich unter den Top 5 oder Top 10 der Amazon Ländergesellschaften. Hier müssen die Kunden optimal bedient werden und das heißt: Schneller, Schneller, tagesgleiche Lieferung.
Diese Faktoren sprechen daher für den Standort Deutschland:
- Deutschland ist geografisch für einen Händler wie Amazon ideal in der Mitte Europas gelegen. Dies ist ein enormer Standortvorteil, den Amazon nicht einfach aufgeben wird, um Streiks zu entfliehen, die kaum Effekte zeigen.
- Die Infrastruktur ist in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern – vor allem in Osteuropa, wo die Löhne billiger sind als in Deutschland – für einen Versender optimal. Eine hohe Flughafendichte, gut ausgebaute Straßen, ein dichtes Schienennetz.
- Deutschland verfügt mit DHL/Hermes über zwei der größten und modernsten Zusteller in Europa. Auch ist das Logistik-Know-How in Deutschland europaweit ganz weit vorne an der Spitze. Dieses Know-how ist notwendig, um die Prozesse für Geschwindigkeit schaffen zu können.
- Eine vollständige Verlagerung des Versandes ins Ausland würde zu höheren Transportkosten für Marktplatzhändler bei der Warenanlieferung führen. Sicherlich für einige dann ein Grund ihre Marktplatzpräsenz auf Amazon aufzugeben.
Solche Probleme sind immer gut, weil sie einen Druck zur Automatisierung erzeugen und damit den Fortschritt antreiben.
Amazon wird sich viel einfallen lassen, um mit noch weniger Mitarbeitern auskommen zu können.
Verdi ist sowieso ein Auslaufmodell. Dieser Streik zeigt nur, wie überflüssig sie sind. “Stell dir vor, es ist Streik – und keiner geht hin.” [Unzulässige Äußerung entfernt, d. Red.]
Mich kümmern sie nicht, denn ich bin, war und werde nie ein Ama..-Kunde oder Verkäufer sein.
Zum Thema:
Ich denke aber nicht, dass sich Ama… jemals von selbst von dem Begriff “Logistik” trennen wird und sich als Einzel- und Versandhändler bezeichnen wird, es sei denn, der Gesetzgeber / die Politik ändern da mal endlich was, was ich leider sehr bezweifel.
Ich schätze der Grund dafür wäre nicht nur der, dass die Mitarbeiter dann mehr Lohnkosten bekämen, sondern auch der, der in einem Artikel kürzlich in der c´t Nr. 20 (Seite 88) v. 05.09.15 veröffentlicht wurde. Der Artikel ist leider nur für Abo-Leser lesbar. Er heißt “Maximaler Profit, minimales Risiko – Amazons unfaires China-Business”.
Der Einleitungssatz zu dem Artikel sagt da auch schon alles:”Als Logistik-Dienstleister für ausländische Händler agiert Amazon in einer Rechtslücke: Marktüberwacher können die Ware nicht kontrollieren, Finanzämter keine Steuern eintreiben.”
Wenn sie sich nun als Einzel- und Versandhändler bezeichnen würden, würden sie ja direkt diese Rechtslücke nicht mehr ausnutzen können und würden der Marktüberwachung (z.B. Finanzbehörden, Bundesnetzagentur, Umweltbundesamt, Gewerbeaufsichtsämter) unterliegen.
Ich schätze diese Auswirkungen wären finanziell wesentlich fataler für diesen Laden als ein paar Ausfälle bzw. Verzögerungen im Weihnachtsgeschäft.
Ich schließe mich im wesentlichen den Ausführungen meiner Vorrednerin an. Ich war nie ein Kunde und werde auch nie einer werden. Wer sich über die niedrigen Löhne in Deutschland beschwert – aber zeitgleich bei Amazon bestellt gehört nicht zu den Opfern sondern ist mit die Ursache des Problems.
Das gleiche gilt für viele andere Dienstleister die nur auf billig setzen und dabei ganz vergessen, dass der Mitarbeiter ein Kunde ist bzw. sein kann.
Solchen Dumpinganbietern wie Amazone, Hermes und Co. müssen Grenzen gesetzt werden.