Das Drama um die Muster-Widerrufsbelehrung des Bundesjustizministeriums (BMJ) nimmt kein Ende. Nach jahrelanger Kritik aus Rechtsprechung und Literatur hatte die Bundesregierung Ende letzten Jahres einen Entwurf vorgelegt, der eine vier DIN A4 Seiten lange korrigierte Belehrung vorsieht. Dieser Entwurf war insbesondere wegen der Länge des neuen Musters auf nahezu einhellige Ablehnung durch Interessenverbände und Presse gestoßen. Nach Informationen von Trusted Shops soll das neue Muster noch im ersten Quartal 2008 kommen, unklar ist aber, in welcher Form und mit welchen Änderungen genau. Die FDP hat nun noch einmal bei der Bundesregierung nachgehakt.
Lesen Sie hier über die aktuelle Anfrage der FDP im Deutschen Bundestag.
Die im Jahr 2002 eingeführte und 2004 geringfügig überarbeitete Muster-Widerrufsbelehrung war und ist Gegenstand anhaltender Kritik aus Rechtsprechung und Literatur. Die Fraktion der FDP hat das Thema frühzeitig aufgegriffen und im November 2006 zum Gegenstand einer kleinen Anfrage im Bundestag gemacht.
In ihrer Antwort vertrat die Bundesregierung zunächst die Auffassung, die Belehrung sei wirksam und werde den an sie zu stellenden Anforderungen gerecht. Mit dieser Antwort gab sich die Fraktion der FDP jedoch nicht zufrieden. Im Februar 2007 forderte sie die Bundesregierung auf, die Musterwiderrufsbelehrung für Verbraucherverträge zu überarbeiten und Rechtssicherheit zu schaffen.
Am 23. Oktober 2007 hat das Bundesministerium der Justiz einen Diskussionsentwurf für die Dritte Verordnung zur Änderung der BGB-Informationspflichtenverordnung vorgelegt. Dieser lag den Verbänden zur Stellungnahme bis zum 7. Dezember 2007 vor. In der Literatur und in den Medien war der Entwurf bereits Kritik ausgesetzt.
In einer kleinen Anfrage im Bundestag (Drucksache 16/7883 v. 23.1.2008) stellt die FDP nun der Bundesregierung folgende Fragen:
- Welche Reaktionen hat die Bundesregierung bislang auf den Diskussionsentwurf erhalten, welche Kritik wurde vorgebracht und welche Verbesserungsvorschläge unterbreitet (Darstellung bitte nach eingegangenen Stellungnahmen und unter Angabe der wesentlichen Inhalte)?
- Wie beabsichtigt die Bundesregierung hierauf zu reagieren?
- Zu welchem Zeitpunkt beabsichtigt die Bundesregierung den Erlass der Dritten Verordnung zur Änderung der BGB-Informationspflichtenverordnung?
- Beabsichtigt die Bundesregierung, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in dem Revisionsverfahren zu Aktenzeichen VIII ZR 25/07 gegen ein Urteil des Landgerichts Koblenz, das einen Verstoß der Musterbelehrung gegen höherrangiges Recht festgestellt hatte, abzuwarten?
- Beabsichtigt die Bundesregierung, hinsichtlich vorgenommener bzw. vorzunehmende Änderungen am Verordnungstext erneut Stellungnahmen einzuholen, wenn ja, wann, von wem, und in welchem Verfahren?
- Gibt es Muster-Widerrufsbelehrungen auch in anderen EU-Mitgliedstaaten, wenn ja, in welchen, und wie sind die dortigen Belehrungen konkret ausgestaltet?
- Kam oder kommt es dort zu ähnlichen Problemen wie mit der deutschen Musterbelehrung, und wenn ja, wie haben die jeweiligen Staaten hierauf reagiert?
- In welchen EU-Mitgliedstaaten sind die Musterbelehrungen mit Gesetzesrang ausgestattet?
- Wie bewertet die Bundesregierung das Beispiel Belgiens, wo es eine Musterbelehrung gibt, die Gesetzesrang hat und vorbildlich kurz ist?
- Wie steht die Bundesregierung zu dem in der Literatur diskutierten Vorschlag, die Rechtslage vereinfacht darzustellen und das Muster in das Bürgerliche Gesetzbuch aufzunehmen?
- Was spricht aus Sicht der Bundesregierung dafür bzw. dagegen, von einem Muster ganz abzusehen und die konkrete Ausgestaltung der Belehrung den Rechtsanwendern und rechtsberatenden Berufen zu überlassen?
- Hat die Bundesregierung die Möglichkeit erwogen, verschiedene Muster-Widerrufsbelehrungen vorzusehen, beispielsweise je nach Branche und Vertragsart, und was spricht aus Sicht der Bundesregierung gegen eine solche branchen- bzw. vertragsspezifische Ausgestaltung?
- Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die Widerrufsbelehrung künftig für den Verbraucher leicht verständlich sein wird, wenn sie – nach der Entwurfsfassung – mindestens 4 DIN A4-Seiten lang sein wird, und wie begründet sie ihre Ansicht?
- Vertritt die Bundesregierung die Meinung, dass insbesondere kleine und mittlere Unternehmen in der Lage sein werden, die für sie notwendige Widerrufsbelehrung ohne juristisch beratenden Hilfe zu erstellen, insbesondere im Hinblick auf die vielen unterschiedlichen Gestaltungsanweisungen im Verordnungsentwurf, und wie begründet sie ihre Meinung?
Wir begrüßen es, dass die FDP auch auf politischer Ebene nicht locker lässt. Das Thema ist für jeden Shopbetreiber von existenzieller Bedeutung. Es bleibt abzuwarten, wie es nun weitergeht. Wir halten Sie auf dem Laufenden. Nachstehend haben wir noch einmal die bisherige Historie zusammengestellt.
Dokumente:
- Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums
- Stellungnahme von Trusted Shops zum Diskussionsentwurf
Zur Historie:
- Spiegel berichtet über Widerrufsmuster: “Vage Hoffnung für Shops”
- Neue Muster-Widerrufsbelehrung kommt im ersten Quartal 2008
- Endlich Rechtssicherheit im Fernabsatz durch die neue Muster-Widerrufsbelehrung?
- Heiß diskutiert in den Medien: Muster zur Widerrufsbelehrung
- “Textmonster”: Spiegel berichtet über Entwurf zur Muster-Widerrufsbelehrung
- Kein Scherz: Neue Muster-Widerrufsbelehrung soll 4 DIN A4 Seiten lang werden
- Vier Landgerichte entscheiden: Die amtliche Musterwiderrufsbelehrung ist wirksam
- E-Commerce-Recht: Licht am Ende des Widerrufs-Tunnels
- Warum Frau Zypries die Musterwiderrufsbelehrung korrigieren sollte
- DIHK finanziert neuen Musterprozess zur Wirksamkeit der Musterbelehrung
- BGH fällt immer noch keine Entscheidung zur Musterwiderrufsbelehrung
- Sachsen-Anhalts Justiz rasselt in eBay-Falle – Abmahnung und peinliche Reaktion
- OLG Köln: Widerrufsfrist bei eBay und Wirksamkeit der Muster-Widerrufsbelehrung
- BGH verhandelt zur Wirksamkeit der Musterwiderrufsbelehrung
- Bundesjustizministerium plant mehr Rechtssicherheit für Internet-Händler
- Widerrufsrecht: Abmahnung des amtlichen Musters – Was tun?
- BGH: Widerrufsbelehrung muss auch über Rechte des Verbrauchers aufklären
- BGH stärkt amtliche Muster-Widerrufsbelehrung
- OLG Hamm: Muster-Widerrufsbelehrung ist wettbewerbswidrig
- Ist die Muster-Widerrufsbelehrung noch zu retten?
- FDP beantragt Überarbeitung der Muster-Widerrufsbelehrung
- Justizministerium hält Muster-Widerrufsbelehrung für abmahnsicher
- Bundesregierung hält Muster-Widerrufsbelehrung für wirksam
- FDP fordert Korrekturen beim Widerrufsrecht im Internethandel
- LG Flensburg: Muster-Widerrufsbelehrung und Wertersatzklausel wirksam
- LG Münster: Muster-Widerrufsbelehrung hat Gesetzesrang
- F.A.Z.: Der Internethandel ist ein rechtliches Minenfeld
- Urteil: Vorgabe des Justizministeriums zum Widerrufsrecht rechtswidrig
- FAQ zur amtlichen Muster-Widerrufsbelehrung
- LG Halle: Muster-Widerrufsbelehrung ist rechtswidrig
- Urteil LG Stuttgart: Abweichen von Muster-Widerrufsbelehrung
Die Antwort der Bundesregierung erwarte ich mit Spannung.
Insbesondere die Länge der geplanten Widerrufsbelehrung von bis zu vier DIN A4 – Seiten dürfte nach meiner Meinung das Widerrufsrecht eher beeinträchtigen und vor allem den Kunden/Verbraucher auch wenig interessieren.
Es dürfte kaum zu erwarten sein, dass ein Kunde den vollständigen Gesetzestext überhaupt zur Kenntnis nehmen möchte.
Auch die seitens der FDP angesprochene Auswirkung für kleine und mittlere Unternehmen ist von entscheidender Bedeutung. Hier ist die Rechtsunsicherheit sowieso schon sehr ausgeprägt. Dies dürfte sich angesichts der geplanten Änderungen auch nicht ändern.
Ich hatte mich im November 2007 auch an der Protestaktion von Internetrecht Rostock beteiligt und das Musterschreiben an`s Justizministerium geschickt.
Gleichzeitig hatte ich 2 Bundestagsabgeordnete aus unserem Wahlkreis angeschrieben (1 x CDU + 1 x FDP).
Die haben nicht den Musterbrief erhalten, sondern da habe ich mal ganz allgemein über die Probleme eines Shopbetreibers geklagt, insbesondere natürlich über den neuen Entwurf für die Widerrufsbelehrung.
Eine Stellungnahme der CDU ist nicht erfolgt.
Die (zustimmende) Antwort der FDP kam innerhalb von 3 oder 4 Wochen.
Und jetzt stelle ich erfreut fest, das in der “kleinen Anfrage” der FDP vom 23.01. eine ganze Reihe der beanstandeten Punkte aufgegriffen wurden.
Man könnte ja fast die Vermutung haben, das es vielleicht doch was bringt, wenn man die richtigen Leute anschreibt.