Mit Urteil v. 3.9.2009 (C-489/07) traf der EuGH eine Entscheidung zu der Frage, ob ein Händler für die Nutzung der Ware während der Widerrufsfrist Wertersatz verlangen kann. Die Meinungen zu dem Urteil gehen auseinander. Während einerseits vertreten wird, der EuGH habe nur über einen bestimmten Fall des Nutzungswertersatzes entschieden und an der Belehrung sei nichts zu ändern, meinen andere, dass die Belehrung bezüglich der Hinweise auf den Wertersatz geändert werden müssen, weil die Entscheidung auf alle Formen des Wertersatzes für die Nutzung Auswirkungen habe.
Was ist nun konkret zu tun? Lesen Sie mehr zu der Frage, ob und wenn ja wie die Belehrung angepasst werden muss.
Nach dem EuGH-Urteil verstößt die deutsche Regelung, wonach ein Verbraucher allein für die bloße Möglichkeit der Nutzung während der Widerrufsfrist zahlen muss, gegen die europäische Fernabsatzrichtlinie. Nur in Ausnahmefällen dürfe Wertersatz verlangt werden, doch in welchen Fällen genau, bleibt in der Entscheidung völlig unklar.
Hierzu schreibt Corinna Budras in der FAZ:
“Das Urteil der Europarichter ist leider so schwammig, dass bis auf einige Extremfälle alles offen zu sein scheint: Verbraucher können zu Wertersatz verpflichtet werden, wenn sie die Ware so benutzen, dass es gegen die Grundsätze von „Treu und Glauben” verstoße oder eine „ungerechtfertige Bereicherung” darstelle, sagt der Europäische Gerichtshof – was immer das im konkreten Fall auch heißen mag.”
Zwei Juristen, drei Meinungen
Wie immer gehen die Meinungen zu dem Urteil auseinander. Während einerseits vertreten wird, der EuGH habe nur über einen bestimmten Fall des Nutzungswertersatzes entschieden und an der Belehrung sei nichts zu ändern, meinen andere, dass die Belehrung bezüglich der Hinweise auf den Wertersatz geändert werden müssen, weil die Entscheidung auf alle Formen des Wertersatzes für die Nutzung Auswirkungen habe.
So meint z.B. der Stuttgarter Rechtsanwalt Clemens Pfitzer:
“Dies führt dazu, dass die generelle Wertersatzklausel in der Belehrung unwirksam und damit auch wettbewerbswidrig ist. Somit müssen sich betroffene Händler nicht nur mit einer möglichen Widerrufswelle der Verbraucher auseinandersetzen, die nun mitbekommen könnten, dass sie noch Altverträge widerrufen können, sondern sie müssen auch wettbewerbsrechtliche Abmahnungen fürchten.”
Hingegen ist Rechtsanwalt Rolf Becker aus Köln optimistischer:
“Der Wertersatz auch bei bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme erscheint mir jedoch nach wie vor auch in Standardfällen möglich, in denen der Verbraucher transparent aufgeklärt wurde, dass eine Ingebrauchnahme,die die Prüfung übersteigt und Folgen an der Ware zeitigt, Ansprüche auslösen kann. … Ich meine, die Widerrufsbelehrung kann durchaus bleiben wie sie ist.”
Vor diesem Hintergrund ergibt sich für diejenigen, die kein Abmahnrisiko eingehen wollen, Änderungsbedarf an den Belehrungen. Wer risikofreudig ist und sich die Wertersatzmöglichkeit gegenüber dem Kunden weitgehend erhalten will, muss an der bisherigen Belehrung nichts ändern.
Lösungsmöglichkeiten
Zu unterscheiden sind hier zwei Posten
- Nutzungswertersatz = Eine Kompensation für die gezogenen Nutzungen (§ 346 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BGB) und
- Abnutzungswertersatz = Wertersatz für die Verschlechterung der Ware infolge der Ingebrauchnahme, also der erstmaligen Nutzung (§ 357 Abs. 3 BGB).
Diese Ansprüche müssen keinesfalls identisch sein. Z.B. kann der Nutzungswertersatz, der eine Art fiktiver Mietpreis ohne Gewinnanteil oder die AfA-Nutzungsgebühr ist, für ein Latex-Catsuite, das eine Stunde getragen wurde, verschwindend gering sein. Hingegen ist die Verschlechterung der Ware, die für den Abnutzungswertersatz relevant ist, ganz enorm, weil das Produkt mit Rücksicht auf die Verkehrssitte selbst durch diese kurze Ingebrauchnahme aus hygienischen Gründen nahezu unverkäuflich wird.
In der Anwaltschaft zeichnen sich zwei Positionen bei der Auslegung der EuGH-Entscheidung ab. Einerseits wird vertreten, dass Wertersatz für eine Nutzung nun generell nicht mehr möglich sei. Andererseits wird angenommen, nur für die bloße Nutzungsmöglichkeit dürfe kein Wertersatz verlangt werden, für gezogene Nutzungen und Verschlechterung infolge bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme sei nach wie vor regelmäßig Wertersatz denkbar.
Demzufolge werden folgende Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen:
Option 1: Änderungen an der Belehrung vornehmen
Der EuGH verneinte ausdrücklich einen Wertersatz-Anspruch des Händlers für die reine Möglichkeit, Nutzungen zu ziehen. Demzufolge kann bei Kauf eines Laptops, das zwei Wochen unausgepackt beim Kunden herumsteht, der Händler im Fall des Widerrufs keinen Wertersatz verlangen.
Zugleich machte der EuGH nach einer Ansicht jedoch auch Vorgaben für weitere Regelungen des deutschen Rechts, in denen Wertersatz für die Nutzung der Ware angeordnet wird. Generell soll nach der z.B. von RA Jörg Faustmann und RA Clemens Pfitzer vertretenen Ansicht nur in Ausnahmefällen Wertersatz möglich sein, nämlich wenn der Kunde die Ware mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbar genutzt hat.
Hieraus wird gefolgert, dass grundsätzlich ebenfalls kein Wertersatz verlangt werden kann für
- Fälle, in denen tatsächlich Nutzungen gezogen wurden, z.B. der Kunde mit einem Auto nach Spanien gefahren ist (§ 346 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BGB)
- Fälle, in denen sich die Ware durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme (erstmalige Nutzung) verschlechtert hat und deshalb nicht mehr als neu = nur noch mit großen Abschlägen oder gar nicht mehr verkäuflich ist, z.B. bei der Ingebrauchnahme eines Kamins oder eines Erotikspielzeugs (§ 357 Abs. 3 BGB)
Insbesondere die EU-Rechtskonformität der Regelung des § 357 Abs. 3 BGB ist seit ihrer Einführung im Jahr 2002 umstritten. Die Kritiker fühlen sich nun durch das Urteil bestätigt.
Folgt man dieser Ansicht, sollten zwei Änderungen an der Widerrufsbelehrung vorgenommen werden, nämlich erstens die Umsetzung des Gestaltungshinweises 5 auch bei dem Widerrufsrecht nach § 312d BGB und zweitens die Umsetzung des Gestaltungshinweises 7 unabhängig davon, ob rechtzeitig belehrt wird, in der Annahme, dass die Regelung des § 357 Abs. 3 BGB gegen Gemeinschaftsrecht verstößt.
Option 2: Keine Änderungen an der Belehrung vornehmen
Vertreten wird auch die Ansicht, der EuGH habe sich lediglich zum Wertersatz für die Nutzungsmöglichkeit geäußert und diesen Anspruch verneint. Zu weiteren Wertersatzansprüchen habe der EuGH sich nicht geäußert. In diese Richtung gehen z.B. die Einschätzungen von RA Rolf Becker und RA Tobias Strömer.
Hinsichtlich des Wertersatzes für gezogene Nutzungen wird die aktuelle Formulierung des Musters daher als unkritisch angesehen. Dies erscheint problematisch, hat doch der EuGH Vorgaben gemacht, in welchen Fällen Wertersatz für gezogene Nutzungen verlangt werden kann, so dass eine pauschale Belehrung über die Kompensation gezogener Nutzungen zu ungenau sein könnte. Vielmehr soll es im Regelfall keinen Wertersatz geben.
Ebenso wird bestritten, dass der EuGH Vorgaben hinsichtlich des Wertersatzanspruchs nach § 357 Abs. 3 BGB für Verschlechterungen infolge bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme gemacht hat. Daher sei auch diese Belehrung so wie bislang möglich. Auch diese Sichtweise erscheint mit Blick darauf problematisch, dass dieser Wertersatzanspruch bei gleicher Nutzungshandlung weit höher ausfallen kann als der für die Kompensation gezogener Nutzungen, den der EuGH eingeschränkt hat.
Wer dieser Ansicht folgt, muss an der Belehrung nichts ändern.
Empfehlung
Als sichersten Weg empfehlen wir die Option 1. Wer risikofreudiger (ggf. Verteidigung gegen Abmahnung erforderlich) und auf Wertersatz dringend angewiesen ist, kann auch Option 2 wählen.
Das Bundesjustizministerium plant nach unseren Informationen derzeit keine kurzfristige Anpassung der Belehrung. Vielmehr sollen zunächst die Vorschriften des BGB auf Konformität mit der EuGH-Entscheidung geprüft werden.
Nachfolgend zeigen wir Ihnen auf, welche Änderungen bei Wahl der Option 1 erforderlich sind (fett gedruckt):
WIDERRUFSBELEHRUNG für Lieferung von WAREN
Widerrufsbelehrung
Widerrufsrecht
Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) oder – wenn Ihnen die Sache vor Fristablauf überlassen wird – durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform, jedoch nicht vor Eingang der Ware beim Empfänger (bei der wiederkehrenden Lieferung gleichartiger Waren nicht vor dem Eingang der ersten Teillieferung) und auch nicht vor Erfüllung unserer Informationspflichten gemäß § 312c Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1, 2 und 4 BGB-InfoV sowie unserer Pflichten gemäß § 312e Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 3 BGB-InfoV. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache. Der Widerruf ist zu richten an:
Einsetzen: Namen/Firma und ladungsfähige Anschrift des Widerrufsadressaten (Zusätzlich können angegeben werden Telefaxnummer, E-Mail-Adresse und/oder, wenn der Verbraucher eine Bestätigung seiner Widerrufserklärung an den Unternehmer erhält, auch eine Internet-Adresse.)
Widerrufsfolgen
Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. von uns gezogene Nutzungen (z. B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten. Bei der Überlassung von Sachen gilt dies nicht, wenn die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung – wie sie Ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre – zurückzuführen ist. Für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung müssen Sie keinen Wertersatz leisten. Paketversandfähige Sachen sind auf unsere Gefahr zurückzusenden. Sie haben die Kosten der Rücksendung zu tragen, wenn die gelieferte Ware der bestellten entspricht und wenn der Preis der zurückzusendenden Sache einen Betrag von 40 Euro nicht übersteigt oder wenn Sie bei einem höheren Preis der Sache zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht die Gegenleistung oder eine vertraglich vereinbarte Teilzahlung erbracht haben. Anderenfalls ist die Rücksendung für Sie kostenfrei. Nicht paketversandfähige Sachen werden bei Ihnen abgeholt. Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen müssen innerhalb von 30 Tagen erfüllt werden. Die Frist beginnt für Sie mit der Absendung Ihrer Widerrufserklärung oder der Sache, für uns mit deren Empfang.
Ende der Widerrufsbelehrung
Weitere Informationen
Teilweise werden Texte vorgeschlagen, mit denen darüber aufgeklärt wird, dass überhaupt gar kein Wertersatz verlangt wird. Dies halte ich für irreführend, da ein Wertersatz für Beschädigungen durch nicht bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme nach wie vor möglich ist. Auch ein Verweis in der Belehrung auf “Treu und Glauben” o.ä ist mit Blick auf das sog. Transparenzgebot problematisch.
Welche der oben aufgezeigten Optionen gewählt wird, hängt sicherlich auch mit dem eigenen Warensortiment zusammen.
Weitere Formulierungsmöglichkeiten, Vor- und Nachteile der einzelnen Optionen und Änderungen an weiteren Mustern (eBay-Belehrung, Rückgaberecht nach § 356 BGB) erhalten Trusted Shops Mitglieder exklusiv im Mitgliederbereich. (cf)
Update 04.08.2011: Neues Widerrufsrecht in Kraft
Am 04.08.2011 trat das neue Widerrufsrecht in Kraft, mit dem das EuGH-Urteil umgesetzt wurde. Wir haben für Sie weitere Informationen und ein Whitepaper zum kostenlosen Download zusammengestellt.
Na Spitze, vielen Dank EuGH. Ich verkaufe Kosmetikprodukte übers Internet. Was passiert wenn ich in meine Widerufsbelehrung reinschreibe: “Für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung müssen Sie keinen Wertersatz leisten.” kann sich jeder selbst ausmalen.
Möglicherweise kann man hier mit dem Wertersatz für Verbrauch (http://www.shopbetreiber-blog.de/2007/09/11/lg-wuppertal-widerrufsrecht-bei-angebrochenen-kosmetika/) oder einem Ausschluss des Widerrufsrechtes nach § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB (http://www.shopbetreiber-blog.de/2008/12/19/zur-ruecksendung-nicht-geeignet-wann-ist-das-widerrufsrecht-ausgeschlossen/) weiterkommen.
Warum wird hier nicht darauf eingegangen, dass das amtliche Muster gem. § 14 der BGB InfoV ausreichend ist?
Man sollte doch zumindest darauf hinweisen, dass Variante 1 den Schutz des o.g. Paragraphen ausschließt und somit wieder ein Risiko darstellt.
Ich denke nicht, dass die Verwendung des Musters gem. § 14 BGB-InfoV ausreichend ist, sondern dass die Umsetzung des Gestaltungshinweises 5, obwohl dieser derzeit nur für Widerrufsrechte nach § 485 BGB vorgesehen ist, sogar die wichtigere Änderung von den beiden ist. Der Gestaltungshinweis 5 kam im Zuge der vorletzten Änderungen des Musters zum 1.4.2008 aufgrund eines BGH-Urteils hinzu. So ähnlich könnte es jetzt aufgrund des EuGH-Urteils Änderungen geben. Streng genommen greift zwar § 14 BGB-InfoV dann nicht mehr, worüber man sich schon streiten kann. Jedoch kann ich in der Änderung weder einen Wettbewerbsverstoß noch eine unangemessene Kundenbenachteiligung erkennen. Im Gegenteil: der Kunde wird ausdrücklich bessergestellt. Daher halte ich die so gestaltete Belehrung für richtig und nicht angreifbar.
Sorry, aber erst wird monatelang davor gewarnt das Muster zu modifizieren und jetzt sollen wir doch Änderungen auf eigene Faust vornehmen?
Entweder es gibt ein gültiges Muster oder nicht.
Ich fang jetzt nicht an, die Belehrung jeden Monat zu ändern, nur weil die Gerichte selbst nicht wissen was sie tun.
@Udo: Sie “sollen” gar nichts machen, das bleibt jedem selbst überlassen. Allerdings wäre die Umsetzung des Hinweises 7 keine Abweichung vom Muster, ldiglich die des Nr. 5. Letzteres halte ich wie gesagt für wesentlich unkritischer als auf den Bestand des aktuellen Musters zu vertrauen. Das ist mit anderen Abweichungen in Form von textlichen Änderungen und Ergänzungen, vor denen ich früher immer gewarnt habe, überhaupt nicht zu vergleichen.
Ich bin nur ein kleiner, unwichtiger Händler.
Es gibt überhaupt keinen Grund, mit irgendwelchen selbstgebastelten Texten zu versuchen, überhaupt in irgend einer Form, Verbraucherrechte einzuschränken.
Vielmehr sehe ich ausschliesslich Sinn darin, mich streng an die Vorgaben des BMJ zu halten.
Zum Glück leben wir in einem demokratischen Land, in dem es Gesetze gibt, die die Rechte und Pflichten der Bürger fixieren.
Im Falle einer Abmahnung kann ich wohl auch kaum eine Unterlassungserklärung unterschreiben, in welcher ich mich verpflichte, zukünftig korrekt zu belehren.
Das tue ich ja schon, es sei denn, ich würde mir anmassen, es besser wissen, als unser Gesetzgeber.
Also kann ich auch die Abmahnung zurückweisen und ganz unverblümt um Klage bitte, sofern es tatsächlich jemand “wissen” möchte.
Als kleiner Händler wäre ich diesem Ernstfall finanziell niemals gewachsen, und das in der Tat ist ein Vorteil.
In vergangenen “Angriffsversuchen” haben die “Gegner” grundsätzlich sofort die Lust verloren, geht es doch üeblicherweise sowieso nur um Geld, nicht um die Sache.
Einerseits komme ich mir fast schon lächerlich vor, hier in diesem Expertenforum, wo ich vom juristischen Wissen her niemanden das Wasser reichen kann, etwas zu schreiben; andererseits lege ich meine Wut lieber in relativ sachliche Worte, als in unüberlegte Taten.
Das führt jetzt zu meinem letzten Punkt, der allerdings nicht direkt hier her passt:
Ohne das Feuer schüren zu wollen, aber was ist, wenn die Medien diese Sache eines Tages reisserisch genug verbreitet haben, und zahlreiche Händler sich plötzlich mit unerwarteten Widerrufen für tausende und zehntausende Euro konfrontiert sehen?
Ich glaube das hier für diesen ‘Einzelfall’ einfach ein zu grosses Fass aufgemacht wird. Es wird immer Einzelfälle geben, weshalb man nicht jedesmal die Belehrung ändern kann oder sollte. Denn dann wären wir genau da wo wir nicht hin wollten. Ein ständig abgeändertes Muster ist kein Muster mehr und wird mit Sicherheit auch ihre Gegner finden, die auf das original Muster verweisen (auch wenn es nur minimale Änderungen sind).
Im Grunde kann man das doch auf eine Frage reduzieren:
Was hat höhere Gültigkeit, der Gesetzgeber bzw. das Gesetz oder die Gerichte?
Hat man diese Frage geklärt, ergibt sich das zu Erledigende doch ganz einfach.
Da es z.B. das Bundesverfassungsgericht glücklicher geschafft hat, Gesetze unserer Regierung für nichtig zu erklären, schlussfolgere ich daraus, dass Gerichte höhere Gültigkeit haben ergo die Widerrufsbelehrung besser anzupassen ist.
Und dass die Widerrufsbelehrung in ihrer ursprünglichen Form eine derart kurze Lebensdauer hatte, zeigt leider nur, dass man die Gesetzgebung nicht in unqualifizierte Hände geben sollte (my two cents).
Das ändert trotz allem nicht die Problematik ‘Abmahnung’.
Es wird immer Gerichte geben die irgendeinen Punkt in Frage stellen.
So bekommt man den Abmahnsumpf nicht ausgetrocknet.
Ein Muster scheint ja auch nicht zu helfen. Aber in der Hoffnung das es besser wird, doktern wir noch Jahre an Belehrungen, wo doch alles so einfach sein könnte. Selbst das Medium TV nutzt diesen ‘Abmahn-Missstand’ jetzt schon für Rechtsanwalts-Serien. So weit ist es schon. Ist ein tolles Mittel jemandem direkt ans Bein zu pinkeln – ohne Vorwarung aber mit hohen Kosten.
Lehnt Euch doch einfach zurück, überlegt wie viele Onlineshops es gibt (viele zig tausend) und berechnet die Wahrscheinlichkeit, dass Euch die erste Abmahnung trifft.
Es gab schon genug Panikdiskussionen, die niemals mit Urteilen bestätigt wurden.
Jeder der das abmahnt muss schon einen gewissen sportlichen Ehrgeiz mitbringen. Wenn der auf jemanden trifft, der genauso sportlich unterwegs ist, dann kann der Schuss auch nach hinten losgehen…
Nur mal so nebenbei,
Abmahnung wegen fehlender Wertersatzpflicht im Widerrruf:
http://tinyurl.com/kmsxrm
Und wie sieht das bei Kleidungsstücken aus, die bereits beim 1x Tragen nicht mehr als Neuware verkauft werden können ? z.B. Feinstrumpfhosen
Wem soll man so ein ausgeleiertes Ding denn noch verkaufen ohne sich den Namen zu ruinieren ?
Verstehe nicht, warum ein Verbraucher der online kauft, die Ware wesentlich länger und ausführlicher prüfen kann wie in einem Ladengeschäft üblich.
Mit solchen Urteilen wird doch ein ganzer Industriezweig aufs Abstellgleis gefahren.
In die Preiskalkulation kann man so etwas gar nicht einbeziehen da man wesentlich teurer würde wie der stationäre Handel.
@Jochen: Ein sehr gutes Beispiel, an dem deutlich wird, dass die Gesetze hier völlig an der Realität vorbei gehen und höchst ungerecht sind. Wir werden alles tun, um im Zuge der Diskussionen zur neuen Verbraucherrechtsrichtlinie auf bessere Regelungen zum Wertersatz hinzuwirken. Hierfür sind solche Praxisbeispiele immer sehr hilfreich und wichtig. Vielen Dank.
Wenn Sie Feinstrumpfhosen verkaufen, dann gehe ich mal davon aus, dass Sie das zu 95 % per Vorkasse machen.
Wenn dann so eine gebrauchte Feinstrumpfhose zurück kommt, dann schreiben Sie dem Kunden einfach in einem sehr höflichen Ton “LmaA”.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie dieser Kunde vor das Gericht zieht tendiert gegen Null – aber natürlich nur wenn Sie das “LmaA” sehr höflich formulieren.
Jetzt bin ich mal gespannt ob mein Praxis-Beispiel veröffentlicht wird…
@Warning: Soweit es sich um eine von Trusted Shops abgesicherte Transaktion handelt, müssen wir im Zweifel die verbraucherfreundlichste Auslegung der Gesetze zugrunde legen und dürfen keinesfalls contra legem handeln, insbesondere wenn es um die Frage geht, ob der Kunde einen Anspruch aus der Garantie (Käuferschutz) gegen die Versicherung hat. Insofern können wir uns die von Ihnen empfohlene Vorgehensweise nicht ohne Weiteres zu Eigen machen, sondern müssen stets versuchen, eine pragmatische Lösung zu finden, welche die Interessen des Verbrauchers und des Händlers gleichermaßen berücksichtigt. Dies wird nach dem EuGH-Urteil sicherlich nicht einfacher werden. Wir haben jedoch als Gütesiegel keine andere Wahl, wenn diese Qualitätsaussage getroffen werden soll.
Das ist schon klar… aber es gibt noch ein Leben ausserhalb von TS und Juristerei. Ich bin aber auch nach wie vor überzeugt, dass sich der Kunde bei so einem Pfennigsartikel auch nicht die TS-Garantie in Anspruch nehmen wird. Deshalb ist diese Feinstrumpfhose für 1,50 € auch kein “gutes Beispiel” sondern doch ein sehr konstruiertes Beispiel.
Ich möchte auch nach wie vor bezweifeln, dass der EuGH tatsächlich auch eine fehlende Wertersatzpflicht bei bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme ausgeschlossen hat. Ich meine, dass die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme nicht bedingungslos ist und eine dadurch entstandene Verschlechterung auch zu einem Wertersatz führt. In der Praxis sowieso und im Zweifel vor Gericht auch.
In das EuGH-Urteil wird viel zu viel hineininterpretiert. Der Adressat des EuGH-Urteil ist in allererster Linie auch die Gerichtsbarkeit und nicht der Gesetzgeber. Ich glaube der liegt garnicht mal so schief mit seinen Gesetzen.
Hallo
Mir ist das noch nicht ganz klar oder es will mir einfach nicht in den Kopf gehen. Ich verkaufe Sportartikel und Hängematte. Soll das dann heißen der Kunde kann das ausprobieren und wenn es ihm nicht gefallen hat muss ich z. B. zerkratze Schneeschuhe und dreckige Hängematten zurücknehmen und dem Kunden dafür das gezahlte Geld komplett wieder zurück erstatten?
So lese ich das jedenfalls raus. und wenn ich meine AGB nicht ändere bekomme ich evtl. auch noch eine Abmahnung?
Bitte sagt mir einer, dass das ein übler Scherz ist?
Bertl
In keinster Weise reden wir hier von einem Pfennigartikel.
Wir führen Artikel die bis ca. 30 Euro kosten (das Stück)
Bei einem Produkt für 1,50 lohnt sich die Mühe gar nicht aufzuregen.
Es gibt aber sehr viele Kunden die sich mal eben für 100-200 Euro ausgefallene Ware bestellen. Und diese Ware wäre nach einer Anprobe futsch.
Nach dazu haben wir nicht einmal die Möglichkeit die hygienischen Verhältnisse bei unseren Kunden zu prüfen. Selbst wenn man im Laden ein paar Socken anprobieren dürfte, würde sich jeder Kunde automatisch zum Kauf verpflichten, wenn er mit schwitzenden und übelriechenden Füssen in diese Socken steigt.
Unser Beispiel kann im Grunde auf alle hygienischen Artikel und Kleidungsstücke ausgeweitet werden die direkten Kontakt mit “Körperflüssigkeiten” erhalten können.
@Kulzer Herbert: Leider kein übler Scherz, nur eine üble Gesetzgebung und Rechtsprechung. Allerdings kann für Beschädigungen (z.B. Kratzer) und Verschmutzungen natürlich Wertersatz verlangt werden, wenn diese nicht auf die “bestimmungsgemäße” Ingebrauchnahme zurückzuführen sind. Allerdings dürfte der Nachweis, dass der Kunde die Ware nicht bestimmungsgemäß genutzt hat, d.h. die Schäden auf nicht sachgemäßen Umgang zurückzuführen sind, vielfach nicht gelingen bzw. zu aufwendig sein.
@jochen
Ein Feinstrumpfhose ist ein Pfennigsartikel. Deshalb lohnt es sich ja auch nicht drüber aufzuregen.
Und ich bin auch immer noch der Meinung, dass das ganze zu sehr aufgebauscht wird.
Und das ganze Problem relativiert sich sehr schnell (gerade bei 30 € Artikeln) im Online-Handel. Bei Vorkassezahlern, zieht doch einfach was ab. Sollen die doch Klagen. Für einen Amtsrichter ist der EuGH oft sehr weit weg.
Und der Vergleich mit dem stationären Handel hinkt ja in jedem Fall. Die regen sich halt über Ladendiebstähle auf. Für beide Seiten gilt – diese Kosten müssen in die Preise einkalkuliert werden.
Wie ist dann diese BGH-Entscheidung einzuordnen?
http://www.open-report.de/artikel/BGH%3A+Autok%E4ufer+muss+bei+R%FCckgabe+des+Fahrzeugs+f%FCr+Nutzung+zahlen/00009340
Hallo
Ganz klar! Ich sehe das als Freibrief und werde jetzt mal z. B. hergehen und mir was bestellen! Sagen wir mal einen Trockentauchanzug und einen Lungenautomat weil ich 1 Woche im Winter nach Österreich fahre um Eis zu tauchen. Nach dieser Woche sende ich die Ware zurück, weil was auch immer mir die Artikel nicht zusagen.
He wo sind wir hier im Onlinehandel oder in einer Probekauf Gilde?
Ich für meinen Teil werde natürlich die AGB ändern, bleibt ja auch kaum was anderes übrig um wenigstens mal die Abmahnungen aus dem Wege zu gehen. Wenn das dann aber mit den so bezeichne ich sie wenigstens Probekäufen überhand nimmt, werde ich den Onlinehandel einstellen.
Wie ist das eigentlich in Ebay muss ich das dort auch ändern oder überarbeitet Ebay die AGB die diese ja zur Verfügung stellen.
Grüsse aus Bayern
Bertl
@kulzer
Genau das können Sie eben nicht machen. Damit kommen Sie vor keinem Amtsgericht und schon gar nicht vor einem königlich bayrischen Amtsgericht durch. Sie dürfen sich dann nicht wundern, wenn Ihnen Amtsrichter Pimpelmoser einen Wertersatz von 100 % zuschreibt.
@Warning: Im BGH-Fall ging es um Nutzungswertersatz bei Rücktritt vom Kaufvertrag wegen eines Mangels der Kaufsache (im Gegensatz zur Quelle-Entscheidung, bei der es um Nutzungswertersatz bei Nacherfüllung des Kaufvertrages in Form von Neulieferung ging). Im Fernabsatz gehlt es um Widerruf ohne Grund und Wahrung des kostenlosen Prüfungsrechts. Völlig andere Fälle also.
@Warning
Das verstehe ich jetzt nicht ganz?
Ich muss doch meine Ware auch zurücknehmen.
So wills wenigstens unsere Neumodere Diktatur ” Das Europäische Parlament”
Der EuGH hat geschrieben, das diese Rückgabe nicht gegen den Grundsatz von Teu und Glauben verstossen darf und auch nicht in Bereicherungsabsicht. Und die von Ihnen beschriebene Vorgehensweise entspricht diesen Fällen.
@Warning: Immer wieder erstaunlich, wie Sie in wenigen Zeilen Rechtsprobleme lösen, für die andere ganze Bücher brauchen. Das Bereicherungsrecht ist in den §§ 812ff. BGB geregelt. Worunter subsumieren Sie denn den Fall?
@Warning
Ich will hier ja nur das mal ansprechen was passieren wird oder (kann). Ich selber würde das nicht machen, das war nur ein Beispiel.
Wenn mir eine Ware nicht gefällt gebe ich Sie so unbeschädigt zurück wie ich Sie bekommen habe. Ganz einfach!
Wenn ich eine Ware kaufe und ich Sie behalte und sich die Ware dann im Nachhinein als sagen wir mal “Mist” rausstellt ist das dann mein Problem!
Das dann auch meist in Ebay gelöst wird, die Idee den Verkäufer die Ware nach Gebrauch wieder zurück zugeben würde mir nicht im Traum einfallen! Nicht nur deswegen, weil ich einen Onlineshop betreibe, sondern weil ich die Ware gekauft habe. Und getragene oder benutze Sachen gibt man nicht einfach zurück wenn die Ware an sich in Ordnung ist und sich nur was Besseres vorgestellt hat!
So sollte der Grundgedanke zumindest bei allen sein.
Denn Bereicherung wirst du mit so einem Gesetz für Käufer nicht nachweisen können!
Natürlich kann ein Jurist das nicht auf eine knackige 2 Zeilen Empfehlung bringen, weil er eben Jurist ist und weiß, dass es man im gutachterlichen Stil eher 3 Seiten braucht als 3 Sätze. Das ist ja auch gut so.
Nichtsdestoweniger ist es trotzdem oft “einfach”, weil sich das Leben nicht 1 zu 1 an das Gesetz hält.
Wichtig ist das Risiko von Abmahnungen abzuschätzen. Das ist ja diskutiert worden.
Wie man nun mit dem 1 Nörgler pro Jahr umgeht, der einen Drucker kauft, 2 Wochen lang druckt wie ein Geisteskranker und dann zurück schickt…naja…das kann man wirklich pragmatisch lösen.
Wenn die Beteiligten mal ehrlich sind, werden sie feststellen müssen, dass sie nicht 45 unsachgemäß benutzte Strumpfhosen im Monat retourniert bekommen.
Wir könnten auch über zig Posts diskutieren, wie es eigentlich mit der Haftung aussieht, wenn die DHL das Paket an den Nachbarn zustellt, es verloren geht, der Kunde eine Firmen-eMail Adresse hatte, die Unterschrift unleserlich ist usw usf.
Oder man wartet die 3 Jahre bis sowas mal passiert und reagiert dann gemäß seines Risikoprofiels. Entweder klagen lassen, oder erstatten und weiter gehts. Zwischendurch auf Deutschland schimpfen und alles wird gut. 🙂
Gab es eigentlich schonmal einen Blog Beitrag mit so vielen Kommentaren? 🙂
Ich habe mal eine Diskussion unter Juristen mitbekommen, in der es um die “Kaufverpflichtung” des Kunden im stationären Handel ging.
Demnach ist ein Kunde, wenn er eine Verpackung öffnet oder – wie oben beschrieben – mit verschwitzten Füßen Strümpfe anprobiert, keinesfalls verpflichtet, die Ware zu kaufen. Diese “Verpflichtung” soll ein weit verbreitetes Märchen sein.
Wenn dem so ist, sollte es doch logisch sein, dass es analog auch im Versandhandel gilt.
Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich.
Im Mediamarkt wurde noch kein Kaufvertrag geschlossen, wenn Sie nur im Verkaufsraum rumstehen und mit einem Produkt Fußball spielen. Deshalb verpflichtet das auch nicht zum Kauf, sondern zum Schadensersatz.
Wenn Sie mein Auto verkratzen müssen Sie es auch nicht kaufen, sondern nur den Schaden ersetzen.
Im Onlineshop haben Sie einen Kaufvertrag geschlossen. Allerdings dürfen Sie den unter gewissen Umständen widerrufen.
Darum geht es und das sind völlig verschiedene Dinge.
@föhlisch
Ihr Problem ist, dass Sie sich zu sehr an Paragrafen festbeissen – und zwar im Gegensatz zum EuGH – der mit keiner Silbe einen (deutschen) Paragrafen ins Visier genommen hat.
Der EuGH spricht von Treu und Glauben und Bereicherungsabsicht – und Sie sehen nur den § 426 BGB und die §§ 812ff BGB. Sie meinen deshalb, dass der Grundsatz von Teu und Glauben ein besonders strenger Grundsatz ist. Ich meine, dass dieser Grundsatz eben kein besonders strenger Grundsatz ist, sondern eine weitgefasste Generalklausel ist. Sie meinen, dass aufgrund diese EuGH-Urteils demnächst jeder sich ein paar Ski oder eine Friteuse online bestellen kann und diese extensiv aber bestimmungsgemäß gebrauchen kann, um sie dann nach 2 Wochen eiskaltlächelnd zurück schicken kann. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Fälle (wenn sie dann vor einem Amtsrichter landen) auch weiterhin (im Sinne des EuGH) mit einem hohen Wertersatz durch den Käufer enden. Eben weil hier gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossen wird bzw. in Bereicherungsabsicht gehandelt wird.
@Schmitz
Natürlich gibt es die Online-Händler die im Monat 45 getragene Strumpfhosen zurück bekommen. Das sind die gleichen, die pro Monat 450.000 neue Strumpfhosen verkaufen…
@Warning: Alles klar, dann weiß ich Bescheid.
Wir verkaufen in einem Shop Farbe in Dosen und Eimern. Im Extremfall kann ein Farbeimer (30 Liter) schon mal 400 Euro kosten.
Mein Problem ist, dass wenn der Kunde den Eimer geöffnet hat und mir wieder zurück schickt, ich keine Sicherheit mehr habe, mit was die Farbe unter Umständen “angereichert” wurde. So eine geöffnete Primärverpackung ist für den Wiederverkauf eigentlich nicht mehr zu verwenden, bzw. birgt hohe Risiken für eine berechtigte Reklamation.
Gibt es hier Vorschläge oder Erfahrungswerte wie ich als Shopbetreiber damit umgehen kann, soll, muss?