Heute traf der EuGH seine mit Spannung erwartete Entscheidung zu der Frage, ob ein Händler für die Benutzung der Ware Wertersatz verlangen kann. Demnach verstößt die deutsche Regelung, wonach ein Verbraucher allein für die bloße Möglichkeit der Nutzung während der Widerrufsfrist zahlen muss, gegen die europäische Fernabsatzrichtlinie. Nur in Ausnahmefällen dürfe Wertersatz verlangt werden, nämlich wenn der Verbraucher die Ware gegen “Treu und Glauben” nutzt. Doch wann dies der Fall ist, bleibt völlig unklar.
Der zugrundeliegende Fall
Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits ist die Rückabwicklung eines Fernabsatzvertrags. Die Parteien des Ausgangsverfahrens streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, im Rahmen der Rückgewähr des Kaufpreises diesen um den Wertersatz einer durch die Klägerin erfolgten Nutzung zu vermindern.
Aufgrund eines Internet-Angebots der Beklagten erwarb die Klägerin bei ihr am 2. Dezember 2005 ein gebrauchtes Notebook zum Kaufpreis von 278,00 Euro. Im August 2006 kam es zu einem Defekt des Displays des Computers. Am 7. November 2006 wurde durch die Klägerin der Widerruf des Kaufvertrags erklärt, und das Notebook wurde der Beklagten Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises angeboten.
Die Beklagte hat gegen die Klageforderung eingewandt, dass die Klägerin jedenfalls für ihre Nutzung des Notebooks für ca. acht Monate Wertersatz zu leisten habe. Bei einem vergleichbaren Notebook liege der Mietpreis im Marktdurchschnitt bei 118,80 Euro für drei Monate, so dass sich für die Nutzungszeit der Klägerin ein Wertersatz von 316,80 Euro ergebe, was dem geltend gemachten Zahlungsanspruch entgegengehalten werden könne.
EuGH-Vorlage des AG Lahr
Unter diesen Umständen hat das Amtsgericht Lahr beschlossen, das Verfahren auszusetzen, und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Sind die Bestimmungen des Art. 6 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 97/7/EG dahin auszulegen, dass diese einer nationalen gesetzlichen Regelung entgegensteht, die besagt, dass der Verkäufer im Falle des fristgerechten Widerrufes durch den Verbraucher Wertersatz für die Nutzung des gelieferten Verbrauchsgutes verlangen kann?
Die Entscheidung des EuGH
Der EuGH weist zunächst noch einmal auf die Regelungen der Fernabsatzrichtlinie hin:
Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Richtlinie 97/7 sind die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren.
In diesem Zusammenhang ergibt sich aus dem 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 97/7, dass dieses Verbot, dem Verbraucher andere Kosten als die der unmittelbaren Rücksendung der Waren aufzuerlegen, gewährleisten soll, dass das in dieser Richtlinie festgelegte Widerrufsrecht „mehr als ein bloß formales Recht“ ist. Wäre dieses Recht nämlich mit negativen Kostenfolgen verbunden, könnte dies den Verbraucher davon abhalten, von diesem Recht Gebrauch zu machen.
Verbraucher kann Ware nicht vorab sehen
Außerdem ergibt sich aus demselben Erwägungsgrund, dass das Widerrufsrecht den Verbraucher in der besonderen Situation eines Vertragsabschlusses im Fernabsatz schützen soll, in der er „keine Möglichkeit hat, vor Abschluss des Vertrags das Erzeugnis zu sehen oder die Eigenschaften der Dienstleistung im Einzelnen zur Kenntnis zu nehmen“. Das Widerrufsrecht soll also den Nachteil ausgleichen, der sich für einen Verbraucher bei einem im Fernabsatz geschlossenen Vertrag ergibt, indem ihm eine angemessene Bedenkzeit eingeräumt wird, in der er die Möglichkeit hat, die gekaufte Ware zu prüfen und auszuprobieren.
Generelle Auferlegung eines Wertersatzes unzulässig
Ausgehend von den Zielen der Fernabsatzrichtlinie stellt der EuGH fest, dass die generelle Auferlegung eines Wertersatzes für die Nutzung der durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekauften Ware mit den genannten Zielen unvereinbar ist.
Falls nämlich der Verbraucher einen solchen pauschalierten Wertersatz allein deshalb leisten müsste, weil er die Möglichkeit hatte, die durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekaufte Ware in der Zeit, in der er sie im Besitz hatte, zu benutzen, könnte er sein Widerrufsrecht nur gegen Zahlung dieses Wertersatzes ausüben.
Eine solche Folge liefe eindeutig dem Wortlaut und der Zielsetzung von Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Richtlinie 97/7 zuwider und nähme insbesondere dem Verbraucher die Möglichkeit, die ihm von der Richtlinie eingeräumte Bedenkzeit völlig frei und ohne jeden Druck zu nutzen.
Hier stellt sich für mich die Frage, ob der europäische Gesetzgeber eine “Nutzung” oder nur ein “Ausprobieren” der Ware während der Widerrufsfrist beabsichtigt hat. Ich meine, dass die Möglichkeit der Nutzung NICHT beabsichtigt war. Anders sieht dies offenbar der EuGH.
Effektivität des Widerrufsrechts beeinträchtigt
Außerdem – so der EuGH – würden die Wirksamkeit und die Effektivität des Rechts auf Widerruf beeinträchtigt, wenn dem Verbraucher auferlegt würde, allein deshalb Wertersatz zu zahlen, weil er die durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekaufte Ware geprüft und ausprobiert hat. Da das Widerrufsrecht gerade zum Ziel hat, dem Verbraucher diese Möglichkeit einzuräumen, kann deren Wahrnehmung nicht zur Folge haben, dass er dieses Recht nur gegen Zahlung eines Wertersatzes ausüben kann.
Wertersatz-Verbot soll nicht über das Ziel hinausgehen
Zugunsten der Händler hebt der EuGH allerdings hervor, dass das Verbot, den Verbraucher durch Wertersatz von der Ausübung des Widerrufsrechtes abzuhalten, nicht über die Ziele der Fernabsatzrichtlinie hinausgehen dürfen. Diese Richtlinie habe, auch wenn sie den Verbraucher in der besonderen Situation eines Vertragsabschlusses im Fernabsatz schützen soll, nicht zum Ziel, ihm Rechte einzuräumen, die über das hinausgehen, was zur zweckdienlichen Ausübung seines Widerrufsrechts erforderlich ist.
Demzufolge stehen die Zielsetzung der Richtlinie 97/7 und insbesondere das in ihrem Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 festgelegte Verbot grundsätzlich Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegen, wonach der Verbraucher einen angemessenen Wertersatz zu zahlen hat, wenn er die durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekaufte Ware auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbare Art und Weise benutzt hat.
Mitgliedsstaaten können Einzelheiten regeln
Aus dem letzten Satz des 14. Erwägungsgrundes der Richtlinie 97/7 ergebe sich hierzu, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, weitere Bedingungen und Einzelheiten für den Fall der Ausübung des Widerrufsrechts festzulegen. Diese Befugnis sei jedoch unter Beachtung der Zielsetzung dieser Richtlinie auszuüben und darf insbesondere nicht die Wirksamkeit und die Effektivität des Rechts auf Widerruf beeinträchtigen.
Das wäre z. B. dann der Fall, wenn die Höhe eines Wertersatzes der in der vorstehenden Randnummer genannten Art außer Verhältnis zum Kaufpreis der fraglichen Ware stünde oder wenn die nationale Regelung dem Verbraucher die Beweislast dafür auferlegte, dass er die Ware während der Widerrufsfrist nicht in einer Weise benutzt hat, die über das hinausgeht, was zur zweckdienlichen Ausübung seines Widerrufsrechts erforderlich ist.
Nationale Gerichte müssen Vorgaben berücksichtigen
Weiterhin betonte der EuGH, es sei Sache des nationalen Gerichts, den Rechtsstreit, mit dem es konkret befasst ist, im Licht dieser Grundsätze unter gebührender Berücksichtigung aller seiner Besonderheiten zu entscheiden, insbesondere der Natur der fraglichen Ware und der Länge des Zeitraums, nach dessen Ablauf der Verbraucher aufgrund der Nichteinhaltung der dem Verkäufer obliegenden Informationspflicht sein Widerrufsrecht ausgeübt hat.
Fazit
Der EuGH hat entschieden, dass die Bestimmungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Richtlinie 97/7 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach der Verkäufer vom Verbraucher für die Nutzung einer durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekauften Ware in dem Fall, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht fristgerecht ausübt, generell Wertersatz für die Nutzung der Ware verlangen kann.
Diese Bestimmungen stehen jedoch nicht einer Verpflichtung des Verbrauchers entgegen, für die Benutzung der Ware Wertersatz zu leisten, wenn er diese auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbare Art und Weise benutzt hat, sofern die Zielsetzung dieser Richtlinie und insbesondere die Wirksamkeit und die Effektivität des Rechts auf Widerruf nicht beeinträchtigt werden; dies zu beurteilen ist Sache des nationalen Gerichts.
Klar ist, dass nun die deutschen Regelungen zum Rücktrittsrecht und auch die Muster-Widerrufsbelehrung überarbeitet werden müssen. Klar ist auch, dass ein Verbraucher, der ein Ware vorsätzlich oder grob fahrlässig beschädigt, Wertersatz leisten muss. Andererseits muss ein Kunde, der die Ware vorsichtig ausprobiert, keinen Wertersatz leisten, wie dies bislang schon der Fall war.
Leider ist auch nach EuGH-Entscheidung völlig unklar, in welchen Fällen der Verbraucher Wertersatz für Verschlechterungen der Ware infolge “bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme” leisten muss. Wenn ich die Entscheidung richtig verstehe, soll der Verbraucher im Grundsatz hierzu NICHT verpflichtet sein. D.h. wenn ein Kunde das Navigationssystem für die Urlaubsreise nutzt und danach widerruft, dürfen ihm keine Kosten in Rechnung gestellt werden.
Lediglich in Fällen, die mit den Grundsätzen von “Treu und Glauben” (§ 242 BGB) nicht vereinbar sind, dürften von dem Kunden hierfür Wertersatz verlangt werden. Viel schwammiger hätte es der EuGH wohl kaum formulieren können. Ob damit z.B. der berühmte Friteusenfall gemeint ist oder Fälle, in denen der Verbraucher Itimschmuck, Zahnbürsten o.ä. “testet”, ist völlig unklar und soll nun den nationalen Gerichten überlassen werden.
Der EuGH hat damit zwar nicht so radikal entschieden, wie es die Gereralanwältin Trstenjak empfohlen hatte, die einen Wertersatzanspruch des Händlers gänzlich verbieten wollte. Von Rechtssicherheitund Gerechtigkeit im Onlinehandel sind wir aber so weit entfernt wie lange nicht mehr zuvor. Es wird höchste Zeit, dass die aus den 1990er Jahren stammende Fernabsatzrichtlinie, die noch vom “Tele-Einkauf” des 27teiligen Bauchwegtrainers ausging, durch die geplante Verbraucherrechtsrichtlinie abgelöst wird, die in der Wertersatzfrage dem Onlinehandel angemessen ist. Denn vielfach greift die zugrunde liegende Annahme, der Verbraucher habe die Ware vorher nicht prüfen können, überhaupt gar nicht, sondern der Kunde will eine aus dem stationären Handel bekannte Ware einfach möglichst günstig im Internet erwerben. Das weit reichende Widerrufsrecht ohne Wertersatz ist in solchen Fällen zutiefst ungerecht und hat weder etwas mit Verbraucherschutz noch mit Förderung des elektronischen Handels zu tun.
Für die nahe Zukunft steht zu befürchten, dass das Internet zum globalen Leihhaus mutiert, weil der Verbraucher in den meisten Fällen nicht befürchten muss, dass ihm für die Nutzung der gekauften Ware Wertersatz in Rechnung gestellt wird. Von den anstehenden Abmahnungen der Anwälte, die wegen falscher Widerrufsbelehrungen wieder in den Startlöchern stehen, ganz zu schweigen. (cf)
EuGH, Urteil v. 3.9.2009, C-489/07
Siehe auch
Verbietet der EuGH Wertersatz für Nutzung der Ware während der Widerrufsfrist?
Diese Entwicklung ist doch der absolute Wahnwitz. Vor allem wenn man in der Realität mal schaut, wie es denn mit den Prüfungsmöglichkeiten im normalen Einzelhandel bestellt ist. Kann ich bei C&A Unterwäsche aus der Packung reißen und die in der Umkleide anprobieren? Nein. Kann ich im Computerladen mal eben einen Computer kurz aufbauen und testweise Software draufspielen? Nein. Kann ich in der Drogerie mal eben einen Tube Zahnpaste aufmachen und probeweise Zähneputzen? Nein. Kann ich im Haushaltswarenladen mal eben die Kaffemaschine anschmeißen oder in den Töpfen und Pfannen Probe kochen? Wohl kaum.
Aber im Onlinehandel soll das möglich sein? Ich dachte es ginge beim Widerufsrecht darum zu verhinden, daß Verbraucher getäuscht werden, indem Sie zum Beispiel Ware zugeschickt bekommen die nicht mit der Beschreibung übereinstimmt. Das der Verbraucher jetzt die Ware nahezu nach belieben Nutzen können soll kann ja nicht im Sinne des Erfinders sein.
Und bedeutet das Urteil das alle Widerufsbelehrungen der letzten Jahre ungültig sind und die Widerufsfristen nicht begonnen haben zu laufen?
Vielleicht sollten die deutschen Onlinehändler es machen wie die Bauern- die unverkäufliche zurückgesandte Ware auf LKW Laden und in Brüssel der EU Kommission vor die Türe kippen.
Ein übermäßiger Verbraucherschutz der geradezu zum Mißbrauch einlädt kann doch nicht im Sinne der Verbraucher sein, die Mißbrauch dann über höhere Preise letztendlich bezahlen müssen.
> Kann ich in der Drogerie mal eben einen Tube Zahnpaste aufmachen und probeweise Zähneputzen?
Ist das wirklich so? Könnte ein Verbraucher so eine Tube retournieren? Oder ein angebrauchtes Lebensmittel?
Eine interessante, wenn auch den Gegebenheiten des Marktes ferne Entscheidung.
Aufgrund der Entscheidung befinden sich Onlinehändler m.E. nun in einem richtigen Dilemma. Einerseits wurden sie häufig deshalb abgemahnt, weil nicht auf die mgl. Wertersatzpflicht hingewiesen haben. Nun bekommen sie wahrscheinlich alsbald eine Abmahnung, weil sie darauf verweisen.
Was sollen sie tun? Was denken Sie?
In jedem Fall ist der Gesetzgeber aufgefordert durch eine schnelle Gesetzesänderung für Rechtssicherheit zu sorgen.
RA K
Ich bin mal auf die neue Muster-Formulierung von TS gespannt…
@Christian Holpert
Hygieneartikel wie z.B. Unterwäsche aber auch Kosmetika oder Hautpflegeprodukte aber auch Produkte wie Zahnpasta sind vom Widerufsrecht nicht ausgenommen. Es gibt allerdings ein Urteil des LG Wuppertal, nachdem der Wertersatz bei Kosmetika mit deren Anbrechen stets 100% beträgt, so dass dem Kunden der Kaufpreis nicht zurückzuerstatten ist.
Diese Regelung zum Wertersatz fällt ja nun aber erstmal in der bisherigen Form weg.
Wie so oft eine absolute Fehlentscheidung.
Die Wirtschftskriese geht weiter, und gleichzeitig bekommt man noch einen Tritt in den Allerwertesten.
Demnächst kann man die Ware auch direkt verschenken, weil ALLE RECHTE BEIM KÄUFER liegen.
Halten wir fest:
– Der Käufer kann beliebig Ware bestellen. Er kann die Ware ohne Angaben von Gründen auf Kosten des Versenders zurück schicken (evtl. 40 Euro Klausel).
Der Verkäufer bleibt auf den Kosten sitzen.
– Der Käufer kann die Ware jetzt auch fast beliebig nutzen, und auch wenn keine Garantieansprüche gelten gemacht werden können, den kompletten Verkaufspreis zurück verlangen.
Das ist ja prima.
Dann bestell ich mir jetzt ein LCD TV.
Mach nach einem Jahr eine Macke ins Display und geb das Gerät zurück.
Eine Leasing-Lösung ohne Kosten.
Optimal.
Ich diskutiere es gerade im Kollegenkreis und Montag mit dem BMJ. Werde dann berichten, was an Gesetzes- und Musteränderungen geplant ist.
@udo
Das ist wieder die Höhe. Man muss mir mal erklären wie ein Urteil des EUGH eine Fehlentscheidung sein kann. Vielleicht eine Entscheidung, die einem nicht passt – aber “Fehlentscheidung”!?
Der EUGH ist nun mal die letzte Instanz – da kann es keine Fehlentscheidungen geben…
@udo
Ansonsten sind die Feststellungen ja nicht richtig. Der Händler kann sehr wohl einen Wertersatz geltend machen. Dies hat der EUGH ja eindeutig so festgestellt. Er darf nur keinen pauschalierten Wertersatz geltend machen.
Es ist somit garnicht das von Ihnen beschrieben Worst-Case-Szenario eingetreten.
Ob und wie denn jetzt diese Rechtsauffassung in eine neue Muster-WRB einzufließen ist, bleibt halt abzuwarten.
Ein bisschen verstehe ich die ganze Aufregung nicht. Der EUGH hat ja nicht beschlossen, dass grs. kein Wertersatz mehr zu zahlen ist. Er hat lediglich beschlossen, dass kein pauschalierter Wertersatz zu zahlen ist.
Im zu entscheidenden Fall war der Kaufpreis für das Notebook rund 280 € und der Hersteller wollte dann für die 8 monatige Nutzung auf Basis eines “marktüblichen” Mietsatzes pro Monat von 40 € insgesamt 320 € vom Kunden erstattet haben. Der Kunde sollte also noch 40 € drauflegen – auch eine komische Rechtsauffassung des Online-Händlers.
Es ist in der Zukunft also sehr wohl möglich, als Händler einen Wertersatz für die Nutzung geltend zu machen. Im konkreten Fall wird sogar die Sache an das Amtsgericht zurück gegeben, die den Wertersatz nach dem Grundsatz “Treu und Glauben” neu bewerten müssen. Dem Händler wird im konkreten Fall sehr wohl ein Wertersatz zugesprochen werden – sicherlich nicht die 320 € die er forderte.
Kann es sein das der Shopbetreiber-Blog hier mal wieder für einen Sturm im Wasserglas sorgt?
@Udo:
Das ist so nicht ganz korrekt. Bevor man das Geld zurückverlangen kann, muss erst die Gewährleistungskette (Nacherfüllung etc.) eingehalten werden. Sofern sie zutreffend über das Widerrufsrecht belehrt haben (sofern das nach dem Urteil des EuGH jetzt überhaupt noch möglich ist), ist die Frist zum Widerruf zeitlich arg begrenzt.
RA K
Ich muss leider schon die Richtung einschlagen, bei Bestellungen mit bestimmter Struktur das Angebot des Kunden auf Kaufvertrag abzulehnen. Gerade bei den Bekleidungsshops geht es immer mehr in Richtung Kostümverleih. Gestern Abend hatte ich erst wieder so eine Bestellung, 4 verschiedenene Korsetts, alle Größe L, Bestellwert um die 330EUR. Da weiß ich schon was kommt, entweder Kundin sucht sich das beste raus und schickt den Rest zurück, was eindeutig noch der bessere Fall wäre oder Kundin sucht sich das beste raus, trägt es auf einer Party etc. und dann kommt komplett alles zurück. Am Kunden bleiben keine Kosten hängen, den Arbeitsaufwand für Bearbeitung und Logistik zahlt mir auch keiner, der Spruch solche Ausfälle in die Gesamtkalkulation einfließen zu lassen ist bei der heutigen Dumpingpreis und Geiz ist Geil Mentalität eine absulute Farce. Ist ganz oft bei Kleidern so, oftmals auch bei kompletten Outfits die dann nach Qualm und Parfüm stinkend zurückkommen. Nun kann man natürlich nicht jeden Kunden dieser Vorgehensweise verdächtigen, aber wenn ich nen Paket mit 5 Artikeln rausschicke und alles kommt komplett zurück, weils angeblich nicht passt, dann haut schon was nicht hin, wenn nen paar Teile nicht passen oder gefallen, das mag alles sein, aber bei Komplettrücksendungen liegt der Verdacht doch immer nahe. Das hieße also, jetzt könnte ich nicht mal mehr die Reinigungskosten für nach Qualm und Clubnutzung stinkende Klamotten als Wertersatz geltend machen?
Ich glaube man sollte sich in Brüssel und Berlin nochmal darüber klar werden, was die Absicht hinter dem Widerufsrecht ist.
Will man eine allgemeine “Zufriedenheitsgarantie” einführen? 14 Tage testen, wenn nicht zufrieden Geld zurück? Dann muss das aber auch für den stationären Einzelhandel gelten.
Oder will man dem Kunden die Möglichkeit geben, so zu prüfen wie das im Einzelhandel auch möglich ist? Dann muss sich das aber darauf beschränken, daß der Kunde z.B. bei einem Computer den er bestellt die Prüfung aufs Handbuch und die allgemeinen technischen Spezifikationen beschränkt. Und nicht lustig Software drauf spielt, die beiligende Software schon mal auf seinen Namen registriert usw.
Oder bei der berühmten Friteuse eben darauf vor Inbetriebnahme die Bedienungsanleitung und die allgemeine Verarbeitung des Produktes zu prüfen. Und nicht auf dem Schützenfest am Wochenende Pommes zu fritieren um dann das Gerät wieder zurückzusenden. Im stationären Einzelhandel kann man Geräte im Normallfall auch nicht in Betrieb nehmen, sondern nur allgemeine Spezifikationen und die Verarbeitung prüfen.
Muss man hier nicht auch von Begrifflichkeiten etwas klarer unterscheiden zwischen dem “Nutzungsersatz” nach § 346 Abs.1 BGB und dem “Wertersatz” nach § 346 Abs. 2 BGB.
Der Begriff “Wertersatz” wird m.E. hier irrtümlich synonym für den präziseren Begriff “Nutzungsersatz” verwendet. Es ging aber in dem EuGH-Urteil doch nur um den “Nutzungsersatz”.
Sicherlich muß man bei der Diskussion allerdings noch ein paar andere Faktoren berücksichtigen – die speziell in Deutschland erschwerend wirken.
In Deutschland ist die Widerufsfrist nicht gedeckelt, falls die Belehrung nicht oder nicht korrekt erfolgte. In anderen Ländern gelten hier 3 oder sechs Monate als Obergrenze.
Das müsste unbedingt geändert werden, insbesondere da aufgrund der unklaren Rechtslage eine Widerufsbelehrung oft gar nicht korrekt erfolgen kann – weil fünf Gerichte sieben unterschiedliche Meinungen zum Beispiel zu der Frage haben ob bei Ebay zwei Wochen oder ein Monat als Frist gilt. Oder ein einfacher Fehler wie die Angabe einer Telefonnummer in der Widerufsbelehrung dazu führt, daß diese ungültig ist.
Das wie im konkret verhandelten Fall ein Wideruf nach 8 Monaten möglich sein soll ist meiner Meinung nach ein starkes Stück. Auch ein Händler braucht Rechtssicherheit und es kann nicht sein daß theoretisch noch nach Jahren Kaufverträge widerufen werden – wegen minimaler Formfehler.
Es gibt ja mittlerweile auch Stimmen in anderer Richtung:
EuGH: Wertersatz und Widerrufsrecht sind miteinander vereinbar:
http://www.damm-legal.de/eugh-wertersatz-und-widerrufsrecht-sind-miteinander-vereinbar
@Warning: Ich sehe keine “andere Richtung” beim Kollegen Dr. Damm, daher noch ein paar ergänzende Erklärungen. Man muss verschiedene Posten unterscheiden:
1. Wertersatz für gezogene Nutzungen, § 346 Abs. 1 iVm Abs. 2 Nr. 1 (die können bei einem benutzten Rasierer im Gegensatz zu Äpfeln nicht herausgegeben werden): geht m.E. nicht mehr, es sei denn, dies passt nicht mit den bereicherungsrechtl. Grundsätzen zusammen. Wann dies der Fall sein soll: unklar. Vermutung: man kann nachweisen, dass das Hochzeitskleid nur für den Zweck der Hochzeit bestellt wurde.
2. Wertersatz für die Beschädigungen durch nicht bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung (§ 346 Abs. 2 Nr. 3), z.B. mit der Friteuse Fußball spielen: geht natürlich, wie eh und je
3. Wertersatz für eine “Prüfung wir im Ladengeschäft” bzw. – wie der EuGH es sagt – “ausprobieren”: kein Wertersatz, nichts Neues
4. Wertersatz für eine Verschlechterung infolge bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme (z.B. zwei Wochen Urlaubsfotos mit der Digitalkamera machen, § 357 Abs. 3): genau dies steht m.E. in Frage. Hier verstehe ich den EuGH so, dass dies (anders als bislang) nur noch in “Treu und Glauben” Fällen möglich ist. Aber wann ist das der Fall? Für mich praktisch nicht handhabbar.
D.h. im Ergebnis: weder eine fiktive Miete für die Nutzung der Kamera (Wertersatz für Nutzung bzw. “Nutzungsersatz”) noch eine Kompensation dafür, dass die Ware nicht mehr als neu verkäuflich ist, z.B. wegen kleinerer Kratzer, Verschmutzungen, fehlender Displayfolien etc.
Auf diesen – m.E. dramatischen – Fall haben wir hingewiesen.
Natürlich hat das Urteil auf Quietscheentchen andere Auswirkungen als auf Bücher, Karnevalskostüme, Elektronik oder Erotik-Sortimente. Aber sicherlich ist es nicht ganz so unspektakulär, wie Sie meinen. Zumindest werden die vielen Anwaltskollegen, mit denen ich in den letzten Stunden konferiert habe, und ich noch etwas länger grübeln müssen, um ein so glasklares Bild zu haben, wie Sie es offenbar jetzt schon haben.
Ich finde das Urteil schon klar. Für mich ist z.B. völlig klar, dass der Händler für bei der Kamera für leichte Verschmutzungen und fehlende Display-Folien keinen Ersatz verlangen kann. Das ist in der Tat das unternehmerische Risiko eines Versandhändlers bzw. läßt sich das durch Reinigung und dem Aufbringen von neuen Display-Folien beseitigen. Bei leichten Kratzern sehe ich das schon anders – muss man (im Zweifel das Gericht wie der EuGH ja zurecht erkannt hat) immer konkret gucken.
Bei dem EuGH-Urteil geht es m.E. wirklich nur um den Nutzungsersatz. Wird m.E. auch deutlich aus der Vorlage des Amtsgerichtes.
Und in der Tat ist die Sache noch nicht glasklar – auf jeden Fall nicht so glasklar, wie Sie in Ihrem dieser Diskussion zu grundeliegenden Blog-Beitrag meinen.
Ich möchte auch stark bezweifeln ob der vom Europäischen Gerichtshof verwendete Begriff von “Treu und Glauben” tatsächlich das rechtliche Äquivalent zum deutschen juristischen Begriff der in § 242 BGB beschrieben wird.
Ein Anwalt ist eben kein Shopbetreiber und kann sich eher weniger
in dessen Lage versetzen. Es gibt so einige Spassbesteller. Seien es die Versandkosten oder die Nutzung der Ware. Aber was ist schon angemessen?
Wo sind die Grenzen?
Wie lange und wie oft darf ich Ware nutzen, ohne das Wertersatz verlangt werden kann?
Ich dachte das wäre im WR klar geregelt:
‘Im Übrigen können Sie die Pflicht zum Wertersatz für eine durch die
bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung vermeiden, indem Sie die Sache nicht wie Ihr Eigentum in Gebrauch nehmen und alles unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt.’
Was ich dabei nicht so ganz verstehe ist in dem Fall des Notebook der Widerruf des Kaufvertrags.
Wie kann ich nach fast einem Jahr noch Widerruf ausüben?
Ganz so verkehrt liege ich ja doch nicht:
http://www.it-recht-kanzlei.de/index.php?id=view&cid=4073
@ Udo
Der Verkäufer hatte eine falsche WRB genutzt, somit begann die Widerrufsfrist nicht zu laufen. Erschwerend kam wohl noch dazu, dass sich der Verkäufer auch noch auf die falsche Klausel der WRB bezog um seinen nicht berechtigten Wertersatz zu begründen.
@Udo: Es konnte hier noch lange Zeit widerrufen werden, weil fehlerhaft über das Widerrufsrecht belehrt wurde. Aufgrund der EuGH-Entscheidung könnte es nun sein, dass viele seit 2002 im Umlauf befindliche Widerrufsbelehrungen ebenso fehlerhaft waren, so dass auch die seitdem geschlossenen Kaufverträge heute noch widerrufen werden könnten. Vielleicht auch einer der Gründe, warum die Entscheidung Brisanz hat.
Weitere Stimmen dazu auch bei diesen Kollegen hier:
Jörg Dittrich: http://blog.mein-recht-im-netz.de/492.aspx
Johannes Richard: http://www.internetrecht-rostock.de/eugh-widerrufsrecht-wertersatz.htm
Clemens Pfitzer: http://www.pfitzer-law.de/pfitzer/de/neuigkeiten/newsdetails/article/eugh-kein-genereller-wertersatz-bei-widerrufsrecht/
Wollen wir mal abwarten, was die Gerichte unter dem Gesichtspunkt Treu und Glauben entscheiden, wenn jemand seine 2002 gekaufte Friteuse zurückschickt…
Das ist natürlich wieder mal ein Stück weit an der Realität vorbei, wir hatten gerade diesen Sommer wieder ettliche Bestellungen, die nach 14 Tagen via eMail widerrufen wurden. Meißtens Artikel, die man ganz Prima mal im Urlaub nutzen kann, z.B. Hundeschutzdecken oder Leinenspiralen und die zurückgeschickten Artikel sehen auch _genau_ so aus.
Hallo Carsten,
dieses Urteil wird schlimme Folgen haben, fürchte ich – obwohl wir doch alle gewusst haben, was da auf uns zukommt. Aber wie sonst sollte der EuGH bei der Richtlinienvorgabe entscheiden? Die Gegenansicht war doch zu sehr vom (berechtigten) Bemühen geprägt. Hier hätte viel früher reagiert werden müssen, als den verlorenen Posten zu verteidigen.
Genau das ist einer der beiden Gründe warum ich gesagt habe, Finger weg vom Muster, Wertersatz raus.
Ich begreife nicht, wie der Gesetzgeber sehenden Auges eine §§-Kette in die Widerrufsbelehrung einbauen kann, die im diametralen Widerspruch zum Gesetzeszweck kein Laie oder Unternehmer versteht und dazu noch die “Zeitbombe” zum Wertersatz weiterlaufen lassen konnte.
Wir empfehlen unseren Händlern seit über einem Jahr, auf die Wertersatzklausel nicht nur zu verzichten, sondern explizit darauf hinzuweisen, dass ein solcher nicht genommen wird. Bislang war diese Änderung noch bei keinem Händler ergebnisrelevant, sondern hat sich trotz einer erheblichen dreistelligen Mandantenzahl nur in einer handvoll Fälle ausgewirkt. Natürlich stellt sich die Frage, ob dies nur am fehlenden Bewusstsein bei den Käufern lag, dass sich wahrscheinlich bald ändern wird. Aber insbesondere bei eBay erschien uns das geboten, schließlich ist dort die Veränderung der Belehrung von einem Tag auf den anderen kaum machbar.
Besten Gruß
Jörg
Hallo Herr Dr. Föhlisch,
nachdem ich den Text nun mehrmals durchgesehen haben, habe ich auch den Eindruck, dass die Entscheidung weniger dramatisch ist, als zunächst vermutet. Der EuGH hat ja nicht den Wertersatz grundsätzlich ausgeschlossen, sondern festgestellt, dass dieser nicht allein deshalb zu leisten ist, weil die Ware beim Kunden war.
Ganz konkret erwähnt der EuGH hier doch auch, dass der Kunde keinen “pauschalierten Wertersatz allein deshalb leisten müsste, weil er die Möglichkeit hatte, die durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekaufte Ware in der Zeit, in der er sie im Besitz hatte, zu benutzen..”.
Im konkreten Fall wurde aber genau dieser pauschalierte Wertersatz gefordert. Der Beklagte hat ja – ohne auf den Zustand des konkreten Gerätes einzugehen – einen Mietpreis für die Zeit verlangt, die diese Ware beim Kunden war. Genau diese Pauschalierung ist es, die der EuGH nicht akzeptieren kann. Das kann ich auch nachvollziehen, denn sonst könnte der Beklagte ja standardmäßig für die zwei Wochen Widerrufsfrist auch seine Miekosten ansetzen. Und das will die Richtlinie nicht erlauben.
Etwas weiter lautet es dann auch “Diese Richtlinie habe …nicht zum Ziel, ihm Rechte einzuräumen, die über das hinausgehen, was zur zweckdienlichen Ausübung seines Widerrufsrechts erforderlich ist.”. Hiermit baut der EuGH nach meinem Verständnis die Brücke in unser nationales Recht, das genau diesen Punkt mit dem Wertersatz aufgreift. Der Kunde kann die Ware prüfen, so wie er es auch im Laden könnte. Und für diese Prüfung zahlt er auch nichts. Mehr als diese “Prüfung wie im Laden” ist aber für das Widerrufsrecht auch gar nicht nötig. Und wenn der Kunde darüber hinausgeht, kann von ihm auch wieder ein Wertersatz verlangt werden.
Ich habe den Eindruck, dass der EuGH hier nur den sehr konkreten Fall eines pauschalierten Wertersatzes angegriffen hat, jedoch bewusst kein Verbot eines Wertersatzes ausgesprochen hat, wenn ein Kunde weit mehr nutzt, als er im Laden gekonnt hätte. Der Händler kann aber eben nicht allein aus der Zeit, die der Kunde die Ware hatte, einen Wertersatz ableiten. Er muss dann schon konkret auf die Verschlechterung der Ware eingehen und darlegen, dass diese Verschlechterung der Ware bei einer Prüfung im Laden nicht eingetreten wäre.
Also nachdem ich das Urteil jetzt ca. 10mal gelesen habe würde ich es jetzt auch so verstehen:
Ein pauschaler Wertersatz ist unzulässig. Beispiel: Kunde kauft Laptop bei Ebay und hat einen Monat Zeit zum Wideruf. Der Kunde ist im Urlaub und prüft den Laptop erst am 29. Tag und schickt ihn am 30. Tag zurück. Händler zieht pauschal für einen Monat ein Nutzungsentgelt ab, obwohl der Laptop noch nagelneu ist und vielleicht gar nicht ausgepackt wurde. Nur weil der Kunde ihn einen Monat in Besitz hatte. Das ist wohl unzulässig.
Ein Wertersatz durch übermäßigen Gebrauch der über das hinaus geht was zu einer Prüfung notwendig ist, ist weiterhin zulässig.
Beispiel: Kunde kauft Laptop, nutzt diesen exzesiv und schickt ihn nach 30 Tagen mit Kratzern im Display und verschmutzt zurück. Wertersatz wäre hier zulässig.
Dann müsste eigentlich im konkreten Fall mit dem 8 Monate lang genutzten Laptop auch ein Wertersatz möglich sein. Nur eben kein pauschaler: 8 x Monatsgebühr = 3xx EUR. Sondern nur einen der sich auf den Grad der Abnutzung bezieht. Da die Kundin das Gerät immerhin 8 Monate intensiv genutzt hat, müsste also theoretisch ein Wertersatz dennoch drin sein.
Es sei denn man stellt sich auf den Standpunkt aufgrund der teilweise fehlerhaften Widerufsbelehrung würde auch der Passus mit dem Wertersatz ungültig.
Man kann das Urteil eigentlich nur so interpretieren:
Es darf kein genereller Wertersatz verlangt werden.
Das heißt aber nicht, dass generell kein Wertersatz verlangt werden kann.
Gleiche Wörter nur anders angeordnet, ergeben einen komplett anderen Sinn.
@Warning: Ja, das hatte ich ja auch so interpretiert. Allerdings stellt sich dann die Frage, warum der Sachverhalt überhaupt beim EuGH vorgelegt werden musste, denn ich hatte das deutsche Recht auch vorher schon so verstanden, dass der Wertersatz nicht als Ausgleich für die Nutzungszeit, sondern als Ausgleich für die Verschlechterung der Sache durch “übermäßig grobe Prüfung” in Frage käme. Insofern also noch nie generell zu zahlen war.
@Föhlisch / Faustmann:
Es wäre toll, wenn einer der Fachleute in den nächsten Tagen auf unser Textverständnis noch eingehen könnte.
Ansonsten stellt sich für mich die Frage, was man als Shopbetreiber mit der Widerrufsbelehrung denn nun anfangen soll. Weichen wir vom amtlichen Muster ab, werden wir Ziel von Abmahnungen. Nach der Argumentation von Föhlisch/Faustmann werden wir auch dann zur Zielscheibe, wenn wir beim Muster bleiben. Es ist mir absolut schleierhaft, wieso die Rechtsprechung von Händlern erwartet, dass wir nun auch noch bessere Texte verfassen als das Justizministerium.
Es wäre schön, wenn Sie dem BMJ am Montag mitgeben könnten, dass sehr viele Händler im Lande trotz der kurz bevorstehenden Wahl hier dringenden Handlungsbedarf sehen und das BMJ endlich eine sichere Widerrufsbelehrung erstellen möge, die dann durch Gesetzesrang auch vor weiteren Diskussionen geschützt werden muss. Wir müssen uns endlich wieder um die Kunden kümmern statt um dieses ganze Juristeri-Zeugs.
@Hans: Wird gemacht, BMJ bekommt Info, Musterbelehrung wird geändert. Ich denke, wir werden mit zwei kleinen Änderungen auskommen, ohne dass man so richtig vom Muster abweicht. Mehr dazu in Kürze.
Ich habe mich schon früher darüber geärgert, dass jemand z.B. einen Laserdrucker kaufen kann, damit seine komplette Diplomarbeit ausdruckt und den Kauf anschliessend widerruft.
STOP! Die hier gezogenen Konsequenzen gehen m.E. viel zu weit:
Der EuGH hat eine Frage abstrakt-generalisierend gestellt bekommen und nur diese abstrakt-generalisierend beantwortet (der Gesetzestext selbst war leider nicht Gegenstand der Vorlagefrage, sondern nur der Begründung dazu). Vorgespannt durch die Kenntnis der Details im Vorlageverfahren liest sich das Ergebnis damit auf den ersten Blick natürlich wie die Feststellung der Unzulässigkeit der deutschen Regelung.
Tatsächlich hat das Gericht in seinen Ergebnissen eine Bewertung der konkreten deutschen Vorschriften aber m.E. gar nicht vorgenommen! Der EuGH hat lediglich festgestellt, dass ein genereller Wertersatz bei fristgerechtem Widerruf unzulässig wäre. In diesem Licht und mit Blick auf die Wirksamkeit der Widerrufsregeln allgemein müsse das Ausgangsgericht aber eine richtlinienkonforme Auslegung (Anwendungsvorrang) vornehmen und untersuchen, inwieweit die deutsche Wertersatzregelung mit der RL ansonsten in Einklang zu bringen ist – über Treu und Glauben (z.B. bei vom Kunden verschuldeter Verschlechterung) oder aus bereicherungsrechtlichen Überlegungen nach nationalem Zivilrecht (z.B. das zurückgegebene Navi wurde im Urlaub benutzt, also wurden entsprechende Aufwendungen zur Miete erspart).
Der EuGH schließt Ersatzleistungen bei bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme also _nicht generell_ aus, sondern nur für den Fall, dass schon die _alleine die Möglichkeit_, die durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekaufte Ware in der Zeit, in der er sie im Besitz hatte, zu benutzen, zu einem pauschalierten Wertersatz führen würde oder die Ziele der RL ansonsten ausgehebelt würde.
Ich ziehe daher keinesfalls den Schluss, dass ein (z.B. bereicherungsrechtlicher) Ausgleich für die Ingebrauchnahme über die Prüfung der Ware hinaus unmöglich ist. Das AG Lahr wäre gut beraten, diese Feinheiten in seiner abschließenden Entscheidung zu berücksichtigen.
(Wie auch schon Warning sagte)
Tausendfacher Dank!!!
Manchmal kommt man in der Juristerei auch mit gesundem Menschenverstand weiter!
Auch mir ist völlig schleierhaft, wieso der Gesetzgeber nicht in der Lage ist, insbesondere bei einfachen Angelegenheiten, klare und verständliche Regelungen zu treffen, und diese dann in Gesetzesform zu verankern.
Es drängt sich mir der Gedanke auf: ist das Absicht? Und Wieso?
Als kleiner Online-Händler will ich doch nichts weiter, als rechtssicher im Sinne meiner Kunden und somit auch zu meinem Vorteil zu handeln.
Tatsächlich ist dies aber offensichtlich nicht möglich.
Wahrscheinlich war es auch noch niemals möglich.
Ergo werde ich mich auch weiterhin sehr wohl wissend rechtswidrig verhalten müssen.
Klingt ziemlich dumm und populistisch, ist dennoch bittere Realität.
Schön zu sehen, dass das Justizministerium gleichermassen überfordert ist, wie eine Heerschar sicherlich guter Fachanwälte.
Wie geht es jetzt weiter?
Eigentlich wie bisher.
Ach noch was, ist jemand hier, der T-Shirts bedrucken kann?
Wie wäre es mit: Insolvent dank deutscher Rechtsprechung ??
Ich würde es eine Weile mit stolz tragen, dann natürlich den Kaufvertrag widerufen und ein Neues bestellen:
Der Online-Handel macht Hartz4, EGH wir danken Dir 🙂
Ganz verstehe ich den Vorfall nicht:
“erwarb die Klägerin bei ihr am 2. Dezember 2005 ein gebrauchtes Notebook zum Kaufpreis von 278,00 Euro. Im August 2006 kam es zu einem Defekt des Displays des Computers. Am 7. November 2006 wurde durch die Klägerin der Widerruf des Kaufvertrags erklärt”
M.E. konnte und/oder wollte der Händler keine Reparatur durchführen. Die Klägerin hat nach 14 Tage kein Rückgaberecht oder Widerrufsrecht mehr! (sofern rechtzeitig informiert) In dem Fall liegen 8 Monate dazwischen.
@Robert: Wie in dem Artikel und den Kommentaren geschrieben, wurde in dem entschiedenen Fall nicht korrekt über das Widerrufsrecht belehrt, so dass die Frist nicht zu laufen beginnt (§ 355 Abs. 3 S. 2 BGB) und der Kunde noch nach 8 Monaten (oder noch länger) widerrufen kann. Zugleich könnte das Urteil bedeuten, dass die meisten seit 2002 im Umlauf befindlichen Widerrufsbelehrungen hinsichtlich des Wertersatzes fehlerhaft sind, so dass auch in diesen Fällen immer noch widerrufen werden kann.
Der ganze Fall wird in seiner Wirkung von diesen 8 Monaten überlagert. Wenn man das mal auf einen “normalen” Widerruf runterbricht, dann würde sich der Sachverhalt wie folgt darstellen:
Kundin kauft online Notebook und schickt es nach 1 Woche zurück. Händler berechnet der Kundin dann für die eine Woche eine Nutzungspauschale von 20 €, weil dies der handelsübliche Mietpreis pro Woche für ein Leihnotebook ist.
Jeder würde diesem Fall über die Handlungsweise des Händlers mit dem Kopf schütteln.
Anders wäre der Fall zu werten, wenn die Kundin nach dem Auspacken des Notebooks eine Tasse Kaffee in die Notebook-Tastatur kippen würde und es daraufhin wieder zurück schicken würde. Dann wäre wiederum ein Wertersatz berechtigt.
Dass ein Auto-, Fahrad- oder Motorrafverkäufer, dessen Fahrzeug eine Woche genutzt wurde, den Wertersatz für gezogene Nutzungen genau so sieht, glaube ich nicht. Problematisch sind auch Fälle, in denen bereits die erstmalige sog. bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme zu einer erheblichen Verschlechterung der Ware selbst führt, so z.B. das Entzünden eines Kamins, Schlafen auf einem Kopfkissen, Eier kochen in einem Eierkocher, Tragen eines Brustwarzen-Piercingschmucks, Rasen mähen mit einem Rasenmäher etc. Denn der EuGH hat Vorgaben ganz allgemein zu “Wertersatz für Nutzung gemacht”. Hierzu trifft nicht nur der § 346 Abs. 1, sondern auch § 357 Abs. 3 BGB eine Aussage, der auch explizit im Urteil zitiert wird (Rn 8). Die EU-Rechtskonformität dieser Vorschrift ist bereits seit ihrer Einführung im Jahr 2002 umstritten.
Hallo Herr Dr. Föhlisch,
was hat denn Ihr Termin beim BMJ ergeben? In welchen Fällen kann noch ein Wertersatz verlangt werden und wie müssen wir belehren, damit wir wieder ruhig schlafen können?
Der gesamte Wertersatz war in der Vergangenheit schon problematisch und ist durch das Urteil auch nicht problematischer geworden. Wer sich da nicht auf dem Verhandlungswege mit dem Kunden einig werden kann, der muss damit halt vor ein Gericht ziehen. Das war in der Vergangenheit so, und so wird es auch nach dem Urteil sein. Und die Amtsrichter werden auch nach dem Urteil nicht anders entscheiden wie vor dem Urteil.
Auto- und Motorradverkäufe sind natürlich auch so richtige Klassiker im Online-Handel…
Alle anderen Dinge sind wie bereits gesagt schon jetzt tägliche Praxis der Online-Händler. Love it – change it – or leave it!
Müssen wir nicht – so wie es die Generalanwältin in ihren Schlussanträgen (Rn. 52) getan hat – deutlicher zwischen “Nutzungswertersatz” und “Abnutzungswertersatz” differenzieren?
§ 357 Abs. 1 BGB verweist hinsichtlich der Rechtsfolgen auf § 346 BGB. § 346 Abs. 1 BGB sieht u.a. vor, dass die gezogenen Nutzungen herauszugeben sind. So steht es auch im amtlichen Muster der Widerrufsbelehrung (Satz 1 unter Widerrufsfolgen). Falls die Herausgabe der Nutzungen (Gebrauchsvorteile) ausgeschlossen ist, ist Wertersatz – bzw. in den Worten der Generalanwältin “Nutzungswertersatz” – zu leisten (§ 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Nach meinem Verständnis gilt dies unabhängig von der Frage, ob der Gegenstand bestimmungsgemäß in Gebrauch genommen wurde oder nur verschlechtert zurückgewährt werden kann (Letzteres wäre “Abnutzungswertersatz”).
Ist dies dann aber nicht eine nationale Regelung, nach der der Verkäufer im Sinne des EuGH “generell Wertersatz für die Nutzung der Ware verlangen kann” – mit der Folge, dass diese Regelung europarechtswidrig ist? Ist dann nicht auch das amtliche Muster der Widerrufsbelehrung insofern angreifbar, als es nur über Abnutzungswertersatz belehrt und für Nutzungen/Nutzungswertersatz keinerlei Einschränkungen enthält?
Mich würde Ihre Meinung, sehr geehrter Herr Dr. Föhlisch, interessieren, insbesondere,
(1) ob ich mit meiner Einschätzung falsch liege,
(2) ob das BMJ nun weitere Gesetzes- und Musteränderungen plant,
(3) wie man – wenn ich nicht falsch liege – in der Zwischenzeit mit zwei kleinen Änderungen am amtlichen Muster auskommen kann.
Mittlerweile gibt es ja auch schon Kommentatoren, die trotz der EuGH-Entscheidung empfehlen, keine Änderungen am Muster vorzunehmen:
http://www.stroemer.de/index.php/de/beitraege/69-wettbewerbsrecht/1003-eugh-entscheidet-ueber-wertersatz-im-versandhandel?
Vielen Dank.
Herr Föhlisch,
im Beitrag von Internetrecht-Rostock (link in Ihrem Kommentar weiter oben) liest man jetzt mit Stand vom 07.09.2009, daß der Gesetzgeber keinen Handlungsbedarf sieht, da “insbesondere der EuGH das Thema Wertersatz für die Verschlechterung infolge der bestimmungsmgemäßen Inbrauchnahme nicht entschieden habe”. Können Sie das bestätigen ? Wird es also seitens des BMJ keine Änderung der Musterbelehrung geben ?
Hallo zusammen,
ich bin nicht ganz so pessimistisch im Hinblick auf den Wertersatz, wie mein Co-Autor in manchen Aufsätzen zum Fernabsatzrecht Carsten Föhlich. Die deutschen Regelungen müssen richtlinienkonform interpretiert werden, klar. Der Wertersatz als Nutzungsmöglichkeitenersatz ist tot, auch klar. Der Wertersatz auch bei bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme erscheint mir jedoch nach wie vor auch in Standardfällen möglich, in denen der Verbraucher transparent aufgeklärt wurde, dass eine Ingebrauchnahme,die die Prüfung übersteigt und Folgen an der Ware zeitigt, Ansprüche auslösen kann. Wer dann das im Internet georderte Fahrzeug innerhalb der Widerrufsfrist in Ansehung und Bereitschaft der Wahrnehmung des Widerrufsrechts und informiert über potentielle Ansprüche bei Ingebrauchnahme zulässt, der schuldete nach wie vor Schadensersatz. Die Treuwidrigkeit ergibt sich aus den Kenntnis vom potentiellen Schadensersatz und dem Überschreiten der für die Prüfung notwendigen Nutzung. Gleiches gilt für denjenigen, der den Hochzeitsanzug “bestimmungsgemäß” nutzt oder den LCD-Fernseher für die 2 Wochen der Fußallweltmeisterschaft über das Widerrufsrecht praktisch nur “entleiht” und entsprechend umfangreich nutzt. Es muss allderdings in allen Fällen immer eine tatsächliche Wertminderung eintreten.
Ich meine, die Widerrufsbelehrung kann durchaus bleiben wie sie ist. Dort ist nur von “gezogenen Nutzungen” die Rede, die ersetzt werden müssen und der Wertersatz für eine bestimmungsgemäße Ingebrauchname wird allein in einem Kontext aufgeführt, wie er in jedem Fall vermieden werden kann. Alle weiteren “Manipulationen” an der Belehrung sind durchaus ebenfalls gefährlich. Wenn, dann sollte man sich streng an die Möglichkeiten des Musters halten und eventuell dortige Hinweise mit Alternative kombinieren.
Rolf Becker WIENKE & BECKER – KÖLN
@Carsten Schönes Beispiel:Tragen eines Brustwarzen-Piercingschmucks
Das Problem aus der Entscheidung des EUGH ist doch folgendes: Der EUGH sagt es darf generell keinen Wertersatz geben, außer unter dem Aspekt Treu und Glauben oder Bereicherungsgrundsätzen.
Die deutsche Regelung und insbesondere die Musterbelehrung unterscheiden aber nicht zwischen diesen Fällen, sondern sehen generell Wertersatz für die bestimmungsgegmäße Ingebrauchnahme vor.
Bei der Belehrung handelt es sich um AGB. Ein nicht unbeachtlicher Teil wird diese Belehrung so verstehen, dass er für jede Nutzung Wertersatz zu leisten hat. Ob dies die überwiegende Verkehrsauffassung ist, ist unerheblich, da die kundenfeindlichste Auslegung zu beachten ist.
Dies führt dazu, dass die generelle Wertersatzklausel in der Belehrung unwirksam und damit auch wettbewerbswidrig ist. Somit müssen sich betroffene Händler nicht nur mit einer möglichen Widerrufswelle der Verbraucher auseinandersetzen, die nun mitbekommen könnten, dass sie noch Altverträge widerrufen können, sondern sie müssen auch wettbewerbsrechtliche Abmahnungen fürchten.
Der Verwender der Musterbelehrung wird sich auch nicht auf die Einhaltung des gesetzlichen Musters berufen können, soweit dieses gegen (vorrangiges) EU-Recht verstößt. Auch gibt es nach der Umsetzung der UGP-Richtlinie keine wettbewerbsrechtliche Bagatellgrenze mehr für solche Verstöße.
Am Ende bleibt: Der Händler ist der Dumme, weil der deutsche Gesetzgeber auf diesem Feld leider seit Jahren durch juristische Inkompetenz glänzt.
@Jens Daniel: Ja, genau das ist es. Man muss zwischen Nutzungs- und Abnutzungswertersatz unterscheiden. In dem Sachverhalt des AG Lahr ging es zwar nur um Nutzungswertersatz, Vorschriften zum Wertersatz finden sich aber an verschiedenen Stellen. Auch bzgl. des Abnutzungswertersatzes gelten daher die Vorgaben, dass dieser nur in Ausnahmefällen verlangt werden kann und nicht pauschal in jedem Fall. Dass sowohl nach § 346 Abs. 1 als auch nach § 357 Abs. 3 generell Wertersatz verlangt werden kann, ohne dass auf Treu und Glauben o.ä. abgestellt wird, ist m.E. das Problem. Folgt man dieser Ansicht, wäre auch die Musterbelehrung nicht korrekt, weil zu pauschal. Denn nicht in jedem Fall kann für gezogene Nutzungen oder für Verschlechterungen infolge bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme Wertersatz verlangt werden.
Wer in der Vergangenheit (also seit 2002) die Diskussion verfolgt hat, wird wissen, dass in der Literatur der Nutzungswertersatz mit Blick auf Art. 6 FARL weniger kritisch beurteilt wurde als der Abnutzungswertersatz (z.B. Brönneke, MMR 2004, 127 und Rott, VuR 2006, 218), was auch daran liegen mag, dass der Nutzungswertersatz meist sehr viel geringer ausfällt (AfA-Tabelle statt Differenz zum Wiederverkaufswert). Wenn der EuGH nun konkret Kriterien für die Normen zum Nutzungswertersatz aufstellt, so müssen diese erst recht für den Abnutzungswertersatz gelten. In den meisten europäischen Mitgliedsstaaten gibt es daher keine dem § 357 Abs. 3 vergleichbare Regelung.
@Marc Schmidt: Die Info hat Herr Richard von mir. Ich habe gestern mit dem BMJ dazu telefoniert. Dort hieß es, man wolle zunächst das materielle Recht ändern und nicht kurzfristig an der Belehrung basteln. Wenn das materielle Recht geändert wurde, wird es sicherlich auch bei der Belehrung Anpassungen geben, jedoch nicht mehr dieses Jahr.
Nach all dem gibt es zwei Optionen: Entweder man folgt der qualifizierten Expertenmeinung von Herrn Warning und meint, es habe sich nichts geändert, dann muss man auch an der Belehrung nichts ändern. Folgt man der Ansicht, dass die Vorschriften des deutschen Rechts zum Wertersatz für Nutzung in ihrer Pauschalität nach dem EuGH-Urteil so nicht bestehen bleiben könne, sollten risikobewusste Händler zwei kleine Änderungen am Muster vornehmen. Welche das sind, dazu kommt heute noch ein separater Beitrag. TS-Mitglieder erhalten dann einen konkreten Formulierungsvorschlag.
@Clemens und @Rolf: Danke für diese qualifizierte Darstellung. Das dürften exakt die beiden Positionen sein, die derzeit vertreten werden. Leider scheint es eine Menge Hobbyjuristen zu geben, die meinen, es gebe nur die eine, die richtige Lösung.
Ich habe übrigens vor dem EuGH-Urteil in meiner Diss. (http://www.amazon.de/Das-Widerrufsrecht-Onlinehandel-Carsten-F%C3%B6hlisch/dp/340659641X/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1252400320&sr=8-1) genau die Ansicht vertreten, dass man die deutschen Normen zum Wertersatz EU-rechtskonform auslegen kann. Nach dem Urteil bin ich nun nicht mehr so sicher.
Wenn ich als Laie dann doch noch mal eine Frage stellen darf:
Wie ist der Erwägungsgrund Nr. 15 zur Verbrauchsgüterkaufrichtlinie denn zu interpretieren: „Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass eine dem Verbraucher zu leistende Erstattung gemindert werden kann, um der Benutzung der Ware Rechnung zu tragen, die durch den Verbraucher seit ihrer Lieferung erfolgt ist. Die Regelungen über die Modalitäten der Durchführung der Vertragsauflösung können im innerstaatlichen Recht festgelegt werden.”
@Carsten Genau darin leigt aber doch das Problem, man KANN die Regelung richtlinienkonform auslegen, muss es aber nicht. Die Belehrung bleibt aber ohne einschränkenden Zusatz in jedem Fall falsch, da hier eine mögliche unwirksame Auslegung für die Unzulässigkeit ausreicht. Das Muster sollte daher in jedem Fall geändert werden. Entweder den Wertersatz entfernen oder einschränken, wobei die Ausgestaltung von Einschränkungen schwierig werden dürfte.
@Warning: Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist hier nicht einschlägig, da es nicht um Gewährleistung, sondern um Widerruf (nach der Fernabsatzrichtlinie) geht. Der Unterschied ist hier, dass beim fernabsatzrechtlichen Widerruf der Kunde die Ware allein deshalb zurückschicken kann, weil sie ihm nicht gefällt, da er sie vorher nicht sehen und prüfen konnte. Diese Möglichkeit soll nicht durch Nutzungsersatz eingeschränkt werden, nur in den vom EuGH genannten Ausnahmefällen. Bei der Gewährleistung ist ein Mangel an der Ware Voraussetzung. Diese Situation ist nicht zu vergleichen und – wie gesagt – auch woanders geregelt. Daher kann auch das LG Mosbach hier nicht herangezogen werden.
@Clemens: Guter Punkt, das sehe ich nach dem Urteil auch so. Ich meine auch, dass man über die verbleibenden 242/812 Fälle nicht belehren muss, da dies nicht zu den wesentlichen Rechten des Händlers gehört. D.h. durch den Kunden gezogene Nutzungen und Wertersatz für bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme rausnehmen, Rechtsmissbrauch ist gleichwohl möglich, aber nicht belehrungsrelevant. Oder? Konkreter Vorschlag von uns kommt noch.
Sorry, aber für mich ist die Belehrung eben nicht in jedem Fall falsch. Ich denke auch, dass potentielle Abmahner, die auf abwehrbereite “Opfer” treffen einiges riskieren, wenn das durch die Instanzen geht. Die Belehrung ist keine Rechtsfolgenbelehrung. Spätestens mit Inkrafttreten des neuen § 360 BGB steht dies praktisch auch im Gesetz.
Gruss R. Becker WIENKE & BECKER – KÖLN
@Carsten: Einwand des Rechtsmissbrauchs geht natürlich immer, ändert aber nichts an dem Verstoß an sich.
@Rolf Becker: Die Belehrung ist nicht in jedem Fall falsch, aber eben in manchen und das genügt.
Unwirksam nämlich dann, wenn die Belehrung so zu verstehen ist, dass der Verbraucher (generell) für die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme Wertersatz zu leisten hat. Diese Lesart erscheint auch nicht fernliegend, sondern für den juristischen Laien geradezu die Plausibelste. Diese Interpretation (als eine von mehreren möglichen) verstößt aber gegen die Fernabsatzrichtlinie, so im Ergebnis jedenfalls der EUGH.
Ob sich der Händler künftig auf den neuen §360 Abs. 3 BGB berufen kann, halte ich bei Verstoß gegen vorrangiges EU-Recht für fraglich. Denn das jetzges Muster bleibt falsch und da der neue 5a Abs. 4 UWG letzlich alle Verordnungen und Richtlinien der EU in diesem Bereich als wesentlich erklärt, ist ein Verstoß gegen die Fernabsatzrichtlinie eben wettbewerbswidrig.
Aber an eine Haftung des deutschen Gesetzgebers für das Dilema kann man natürlich dann auch mal denken.
Ich trete der Auffassung von Herrn Kollegen Faustmann bei. Die bis hierhin ersichtliche Diskussion zeigt, dass alle in Betracht kommenden Auslegungen vertretbar sind, manche besser, andere schlechter. Ich vermute, dass der EuGH mit dem Hinweis auf Treu und Glauben am ehesten den Maßstab von § 277 BGB – die Haftung nach einem Sorgfaltsmaßstab in eigenen Angelegenheiten oder nach den althergebrachten Grundsätzen der Haftung des bösgläubigen Besitzers meint. Diese Vermutungen fruchten in der Beratungspraxis des Anwaltes und im täglichen Geschäft der Fernabsatzhändler aber nicht. Es dürfte lediglich eine Frage der Zeit sein, bis die ersten Landgerichte und Oberlandesgerichte sich zur Frage der weiteren irreführungsfreien Belehrung über die Wertersatzpflicht äußern und dann gilt das Diktat des strengsten Gerichts, weil sich an dessen Rechtsprechung wegen des fliegenden Gerichtsstands der unerlaubten Handlung tunlichst jeder Händler orientieren sollte. Zur Vermeidung von entsprechenden Anwalts- und Gerichtskosten scheint mir daher derzeit der Hinweis von Kollegen Faustmann, ausdrücklich auf die Geltendmachung von Wertersatz zu verzichten, sinnvoll zu sein. Wir empfehlen dies in der Beratungspraxis ebenfalls und raten Mandanten vom Risiko der weiteren Verwendung einer Klausel, die Wertersatz vorsieht, ab.
In der Muster-Widerrufsbelehrung gibt es die Möglichkeit, gemäß Punkt 7 einen anderen Satz einzufügen. Statt
“Im Übrigen können Sie die Pflicht zum Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung vermeiden, indem Sie die Sache nicht wie Ihr Eigentum in Gebrauch nehmen und alles unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt.”
kann der Satz
„Für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung müssen Sie keinen Wertersatz leisten.“
verwendet werden.
In den letzten 5 Jahren war Wertersatz in unserem Shop nie ein Thema. Ist es für Shops mit überwiegend “vernünftigen” Kunden eine sinnvolle Vorgehensweise, die oben beschriebene Änderung vorzunehmen?
Angesichts der oben stehenden Diskussion scheint es mir derzeit noch stark abweichende Meinungen zur Interpretation des EuGH zu geben, dass ich am liebsten innerhalb des Musters bleiben würde, denn für mich ist das Risiko von Abmahnungen viel Größer als das Risiko, schlechte Ware zurückgesendet zu bekommen.
Ich würde mich freuen, wenn die Fachleute eine Einschätzung abgeben könnten, ob die Muster-Widerrufsbelehrung mit der obigen Änderung den Anforderungen des EuGH genügt und damit dann auch Schutz vor Abmahnung bietet.
@Hans: Das ist eine sehr gute Idee und einer meiner beiden Vorschläge, um das Problem zu lösen und innerhalb des Musters zu bleiben. Vorschlag 2 ist: Gestaltungshinweis 5 auch bei dem Widerrufsrecht nach § 312d (nicht nur dem nach § 485) umzusetzen. That’s it.
Guten Abend!
Ich verfolge die Diskussion auch schon eine Zeit lang gemeinsam mit meinem Mann, weil wir uns fragen, was wir (= ebay-Händler) nun in Zukunft ändern sollen.
Gibt es schon Muster für eine Widerrufsbelehrung, die uns und wahrscheinlich auch allen anderen Händlern Anhaltspunkte für ein “rechtmässiges” Handeln geben könnten?
Herzliche Grüsse an alle Mitbetroffenen!
MH
(Anm. d. Red.: Links auf fremde Seiten, deren Inhalte wir uns nicht zu eigen machen wollen, wurden entfernt)
@Föhlisch: Vorschlag 2 habe ich leider nicht verstanden. Sie meinen sicherlich, dass nicht nur die Worte “von uns” einzusetzen sind, sondern weitere Änderungen notwendig werden, oder? Wie können Sie denn den Vorschlag 5 für 312d umsetzen, wenn dieser nur für 485 gedacht ist, und dennoch innerhalb des Musters bleiben?
Oder wollen Sie die beiden Worte zusätzlich zu Vorschlag 1 einbauen? Leider verstehe ich als Laie auch die Bedeutung dieser beiden Worte nicht (so simpel diese hier auch sein mögen…), da der Kunde ja nur von mir als Händler eine Nutzung ziehen kann. Was konkretisiert also das “von uns”?
@Hans: Doch, genau das, nur “von uns” einsetzen. Gemeint sind z.B. Zinsen, die der Händler durch eine Anlage des Kaufpreises während der Spanne zwischen Zahlung und Widerruf erzielt hat.
Im EuGH hat der Händler ja vom Kunden eben genau den Nutzen gezogen (Mietzins für die 8 Monate). M.E. geht es genau um diese Formulierung die fraglich ist, somit haben die 2 Wörtchen schon ihren Charme – ist auf jeden Fall besser wie eine individuellere Formulierung.
@Fröhlisch: Jetzt sitze ich verständnislos vor Ihrem Vorschlag. Die ganze Diskussion und das Urteil drehten sich doch darum, ob der Kunde dem Händler einen Wertersatz schuldet. Wenn Sie “von uns” an dieser Stelle einfügen, drückt der Satz aus, dass nur der Händler Nutzungen herausgeben muss und lässt den Umkehrschluss zu, dass der Kunde dies nicht muss.
Wenn nun die restlichen Sätze drinbleiben, dann steht doch noch immer im Raum, dass der Kunde auch für eine durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung Wertersatz leisten muss. Natürlich könnte er den Zinsgewinn des Händlers gegenrechnen, aber darum ging es meiner Meinung nach in den Urteil doch nicht.
Ich würde Vorschlag 2 also so verstehen, dass Sie den Wertersatz für Verschlechterung aufrecht erhalten, aber dem Kunden in Bezug auf die Zinsen für die Widerrufsfrist entgegen kommen. Was in der Praxis nichts bedeutet, sofern der Kunde auf Rechnung kauft. Das wäre nach meinem Verständnis so eine Art “den ganz kleinen Finger reichen”, das Urteil ansonsten aber wirkungslos verpuffen lassen. Eigentlich passen Ihr bisherigen Äußerungen in der Diskussion nicht zu der Position, nun lediglich diese beiden Worte einzufügen und es daber zu belassen.
Vorschlag 1 läuft nach meinem Verständnis auf sprachliche Verwirrung hinaus, da der Kunde erst darauf hingewiesen wird, dass er für verschlechterten Zustand Wertersatz schuldet, sich aber anschließend beruhigt zurücklegen kann, wenn denn die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme Auslöser der Verschlechterung war. Im Gegensatz zu Vorschlag 2 sehe ich bei Vorschlag 1 eine deutliche Verschlechterung der Position des Händler – was aber in der obigen Diskussion immer Tenor der Fachleute bei der Interpretation des Urteils war.
Vielleicht können Sie meinem Verständnis noch einen Schubs geben – die Bedeutung des Einschubs habe ich vermutlich verstanden, den Bezug zum Urteil aber nicht.
@Hans: http://www.shopbetreiber-blog.de/2009/09/08/eugh-urteil-zum-wertersatz-anpassung-der-widerrufs-belehrung-erforderlich/
@Warning: Ja, und im Übrigen die eBay-Variante zu § 357 Abs. 3 BGB. Dann sehe ich keine Angriffsfläche mehr.
@Föhlisch: Danke, jetzt habe ich es verstanden. Mein Missverständnis lag daran, dass ich Ihren Vorschlag 1 und Vorschlag 2 als Alternativen verstanden hatte, was dann keinen Sinn mehr ergab.
Für mich ist Fernhandel per Internet und Versandhandel – nachdem ich bereits zweimal von Händlern mit Ware, der VERDECKTE Mängel aufwies, hereingelegt worden bin (Musikinstrumente, bei denen Konstruktionsfehler beim Ausprobieren sofort, bzw. nach kurzer Zeit zu Bruch führten! – miese Qualität, für meine Begriffe sogar Betrug …) überhaupt kein Thema mehr und ich werde in meinen öffentlichen Programmen (bin Berufsmusiker und Satiriker) ab sofort auch immer vor den Gefahren des Versandhandels und Fernabsatzes warnen. Die Risiken sind für Anbieter und Käufer unkalkulierbar – es ist, realistisch betrachtet, kein wirklich praktikables Handelsmodell (vielleicht mit Ausnahme ausgesprochen geringwertiger Güter, bei denen ein Verlust zu verschmerzen ist)
fazit: Versandhandel ist langfristig ein Flop, weil bei Addition aller Risiken unrentabel für beide Seiten – solange man wirklich fair bleiben will(!).
Dies scheint aber in unserer untergehenden Kultur immer seltener der Fall zu sein.
Herbert
Von wegen “globales Leihhaus Internet”:
http://www.aufrecht.de/index.php?id=6478
@warning Um es ganz deutlich zu sagen: Ich begrüße das Urteil des LG Düsseldorf ausdrücklich und wäre froh, wenn künftig kein Gericht der Ansicht ist, dass Wertersatz für bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme nur in Ausnahmefällen zu leisten ist. Da ich mit dem Kollegen Dr. Engels von aufrecht.de seit Beginn des Verfahrens im intensiven fachlichen Austausch stehe, freue ich mich über seinen Erfolg ganz besonders! Es ist Klasse, dass nun nach dem AG Berlin-Mitte schon das zweite Instanzengericht in diese Richtung entscheidet und somit Ihre Ansicht teilt.
Gleichwohl folgende Anmerkungen:
– Es handelt sich hier um eine landgerichtliche Entscheidung, gegen die die Berufung zulässig ist. Ich könnte mir vorstellen, dass die Antragstellerin hiervon auch Gebrauch macht. Mehr dazu in Kürze.
– Der Satz in der Begründung “Der nationale Gesetzgeber hat in Kenntnis der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes eine der bisherigen Musterfassung entsprechende Belehrung als Gesetz vorgesehen” ist granatenfalsch, denn das Muster mit Gesetzesrang wurde bereits VOR der Entscheidung des EuGH im Gesetzblatt verkündet. Allerdings hat das BMJ in der Tat am 23.3. einen Referentenentwurf vorgelegt, der die in Deutschland geltende Rechtslage in Kenntnis und in Auseinandersetzung der Messner-Entscheidung festschreibt (siehe hier: http://www.shopbetreiber-blog.de/2010/05/03/neues-widerrufsrecht/#comment-302020). Dahe empfehlen wir ja auch ab 11.6. die Verwendung des Musters 1:1, ausdrücklich auch bzgl. der Wertersatzbelehrung.
– Dennoch kann ich Ihnen eine Vielzahl von Juristen nennen, die nach dem EuGH-Urteil die aktuelle Musterbelehrung für nicht mehr gemeinschaftskonform halten, u.a. Vertreter des vzbv und den Prozessvertreter der Antragstellerin in dem Düsseldorfer Verfahren, der mir im Übrigen aus eine Vielzahl von Abmahnprozessen bekannt ist.
Genau das ist das Problem: Ein oder zwei Schwalben machen noch keinen Sommer. Selbst nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf oder gar der neuen Belehrung ab 2011 wird es immer wieder Angreifer geben, die möglicherweise vor anderen Gerichten Recht bekommen. Solange es keine BGH-Entscheidung gibt, bleibt auch die “Leihhaus”-Ansicht vertretbar und wird vertreten werden.
Aber noch einmal: Ich wäre froh, wenn sich meine Befürchtung nicht realisiert.