LG Wiesbaden: Geltendmachung von Vertragsstrafe durch den IDO unzulässig – Kündigung wirksam

Seit dem 1.12.2022 dürfen Wirtschaftsverbände nur noch abmahnen, wenn sie auf der Liste der sog. qualifizierten Wirtschaftsverbände beim Bundesamt für Justiz eingetragen sind. Der IDO hat es bisher nicht auf diese Liste geschafft. Das LG Wiesbaden (Urt. v. 15.10.2025 – 2 O 50/25) entschied nun, dass die Geltendmachung einer Vertragsstrafe durch den IDO rechtsmissbräuchlich und daher unzulässig sei. Eine Kündigung der Unterlassungserklärung aus wichtigem Grund sei wegen der fehlenden Eintragung wirksam.

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 UVE IDO kündigen

Der IDO hatte die Beklagten wegen wettbewerbsrechtlicher Verstöße in Zusammenhang mit dem Verkauf von Lebensmittel und Genussmittel im Onlinehandel außergerichtlich abgemahnt. Daraufhin gab die Beklagte am 5.3.2020 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Am 3.6.2023 hat der IDO Kenntnis davon erlangt, dass die Beklagten weiterhin Angebote und Verbraucherinformationen veröffentlichen. Mit Aufforderungsschreiben vom 5.6.2023 hat der Kläger die Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Vertragsstrafe aufgefordert. Die Beklagten verweigerten die Zahlung und kündigten den Unterlassungsvertrag am 25.09.2023 außerordentlich.

Das LG Wiesbaden entschied, dass dem IDO kein Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe zustehe. Die Forderung nach einer Vertragsstrafe stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar, da die Sachbefugnis des IDO aufgrund der fehlenden Eintragung in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände entfallen sei. Eine Kündigung der Unterlassungserklärung aus wichtigem Grund sei wegen der fehlenden Eintragung wirksam.

Fehlende Eintragung des IDO

Dem Kläger stehe der Anspruch auf Vertragsstrafe nicht zu. Die Berufung auf die Unterlassungserklärung sei als unzulässige Rechtsausübung zu qualifizieren, da dem Kläger infolge der Gesetzesänderung durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26.11.2020 die Sachbefugnis zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen und daraus resultierenden Vertragsstrafen fehlt. Hierzu verwies das Gericht auf eine bereits hierzu ergangene Entscheidung des OLG Köln.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Vertragsstrafeanspruch nicht zu. Die Berufung auf die von den Beklagten mit Kündigungsschreiben vom 25.09.2023 gekündigte Unterlassungserklärung vom 05.03.2020 stellt eine unzulässige Rechtsausübung dar, da der Kläger unstreitig infolge der Gesetzesänderung aus dem Jahr 2020 nicht mehr zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs und der daraus resultierenden Vertragsstrafe sachbefugt ist.

Das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26.11.2020 macht mit Wirkung ab dem 02.12.2020 in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG die Eintragung in die Liste der qualifizierten Einrichtungen zur Voraussetzung des Fortbestandes der Aktivlegitimation. In diese Liste ist der Kläger unstreitig nicht eingetragen. Wirtschaftsverbände, die bis zum 01.12.2021 die Eintragung in der Liste nicht erreicht haben, werden mit der Überleitungsvorschrift des § 15a Abs. 1 vor dem Verlust der Aktivlegitimation abgesichert, sofern Rechtshängigkeit vor dem 01.09.2021 eingetreten ist. Das Verfahren war nach dem 01.09.2021 rechtshängig, so dass die Übergangsvorschrift des § 15a Abs. 1 UWG nicht zur Anwendung kommt. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers betrifft die Übergangsregelung des § 15a UWG nur die Sachbefugnis für Ansprüche resultierend aus § 8 UWG und nicht hingegen den Fortbestand von Altunterlassungsverträgen bzw. Abmahnungen, die vor dem 01.12.2020 zugegangen sind (so auch OLG Köln, Urteil vom 14.03.2025 – 6 U 116/24).

Kündigung wirksam

Das Gericht ging ebenfalls davon aus, dass die Kündigung des Unterlassungsvertrags aus wichtigem Grund wirksam sei. Das LG Wiesbaden verwies hierzu auf eine bereits 1996 ergangene Entscheidung des BGH (Urt. v. 26.9.1996 – I ZR 265/95) hinsichtlich der Kündigung von Unterlassungserklärungen wegen Wegfalls der Sachbefugnis, der sich das Gericht anschließt. Stehe der gesetzliche Unterlassungsanspruch dem Kläger mangels Listeneintragung und Sachbefugnis offensichtlich nicht mehr zu, könne der Unterlassungsvertrag gekündigt bzw. vor einer Kündigung einem Vertragsstrafenverlangen der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengehalten werden.

Als nicht in die Liste eingetragener Verband solle er nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes und nach dem Gesetzeszweck auch nicht weiterhin Einnahmen aus Vertragsstrafenvereinbarungen erzielen. Das LG Wiesbaden verwies hierbei eine bereits zum IDO ergangene Entscheidung des OLG Dresden. Zudem verwies es auf den BGH, der bereits entschieden hat, dass der IDO wegen der mangelnden Eintragung nicht mehr aus Unterlassungstiteln vollstrecken dürfe.

Entgegen der Rechtsansicht der Klägerseite geht das Gericht von der Wirksamkeit der Kündigung vom 25.09.2023 aus. Nach der Rechtsprechung des BGH liegt bei Fehlen oder Wegfall der Klagebefugnis/Aktivlegitimation ein wichtiger Grund vor, der den Schuldner berechtigt, den Vertrag innerhalb einer angemessenen Frist außerordentlich aus wichtigem Grund zu kündigen (BGH GRUR 1997, 382, juris-Rn. 24 ff. – Altunterwerfung I; BGH GRUR 1997, 386, juris-Rn. 28 ff. – Altunterwerfung II; BGH GRUR 1998, 953, juris-Rn. 20 – Altunterwerfung III; BGH GRUR 2001, 85, juris-Rn. 19 – Altunterwerfung IV; OLG Köln, Urteil vom 14.03.2025 – 6 U 116/24 m.w.N.; Ottofülling in MüKo zum Lauterkeitsrecht, 3. Auflage 2022, § 13 UWG Rz. 226 m.w.N.).

Könnte der Kläger für vor der Kündigung vom 25.09.2023 liegende Verstöße noch Vertragsstrafen verlangen, widerspräche dies dem Ziel des Gesetzgebers, einer missbräuchlichen Anspruchsverfolgung entgegenzuwirken (OLG Dresden, Urteil vom 20.05.2025 – 14 U 1540/24). Entfällt für den Kläger mangels Listeneintrags die Sachbefugnis, kann er nicht mehr durch die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nach § 8 Abs. 1 UWG zur Förderung des lauteren Wettbewerbes beitragen. Als nicht in die Liste eingetragener Verband soll er nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes und nach dem Gesetzeszweck auch nicht weiterhin Einnahmen aus Vertragsstrafenvereinbarungen erzielen (OLG Dresden, Urteil vom 20.05.2025 – 14 U 1540/24; OLG Köln, Urteil vom 14.03.2025 – 6 U 116/24). Eine Vollstreckung aus einer anderslautenden Entscheidung im Erkenntnisverfahren könnte zudem aufgrund der fehlenden Sachbefugnis infolge der Gesetzesänderung erfolgreich mit einer Vollstreckungsabwehrklage beseitigt werden, wie das jüngst ergangene Urteil des BGH vom 17.07.2025 gezeigt hat (BGH, Urteil vom 17.07.2025 – I ZR 243/24).

Geltendmachung der Vertragsstrafe war rechtsmissbräuchlich

Zwar wirke die Kündigung nur für die Zukunft, allerdings könne sich die Geltendmachung der Vertragsstrafe als rechtsmissbräuchlich darstellen, wenn der Gläubiger offensichtlich nicht mehr klagebefugt ist. Es wäre unangemessen, den Schuldner an einer Unterlassungsverpflichtung festzuhalten, die wegen Verlustes der Klagebefugnis tatsächlich nicht mehr besteht. In solchen Fällen sei es dem Gläubiger verwehrt, eine Vertragsstrafe durchzusetzen, wenn der durch die Unterlasssungserklärung gesicherte Anspruch eindeutig nicht mehr besteht.

Obwohl die Kündigung grundsätzlich ex nunc wirkt, kann sich die Geltendmachung einer vor Erklärung der Kündigung verwirkten Vertragsstrafe als rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB darstellen, wenn der Gläubiger offensichtlich nicht mehr klagebefugt war (mit Verweis auf die geltende Rechtsprechung Brüning in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, 5. Auflage 2021, § 13 UWG Rz. 157 f.). Dies wird mit dem Unbilligkeitsgedanken begründet, denn es wäre unbillig, die Beklagten weiterhin an einer Unterlassungsverpflichtung festzuhalten, die aufgrund eines Verlustes der Klagebefugnis in der Sache nicht mehr besteht. In einem solchen Fall ist es daher dem Gläubiger verwehrt, eine Vertragsstrafe durchzusetzen, wenn der durch die Unterwerfungserklärung gesicherte Anspruch eindeutig nicht mehr besteht (so auch Brüning in Harte/Henning, UWG, aaO, § 13 Rn. 160).

Eine Gesamtabwägung aller Umstände zum Rechtsmissbrauch im Sinne von § 13a Abs. 1 UWG ist insoweit nicht erforderlich. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des BGH jede Geltendmachung von Vertragsstrafen rechtsmissbräuchlich, wenn keine Klagebefugnis mehr besteht. Dem steht auch nicht die von der Klägerseite mehrfach zitierten Entscheidung des BGH vom 07.03.2024 entgegen, in der eine Gesamtabwägung zum Rechtsmissbrauch gefordert wird (BGH, Urteil vom 07.03.2024 – I ZR 83/23 – Vielfachabmahner II). Der Sachverhalt hier ist anders gelagert, denn in dem dort entschiedenen Fall war gerade keine Kündigungsmöglichkeit zum Zeitpunkt des Verstoßes gegen die Unterlassungserklärung gegeben, da der Verstoß im März 2021 erfolgte, also zu einem Zeitpunkt, als der dortige Kläger noch klagebefugt war (siehe dazu OLG Hamm, Urteil vom 27.05.2025 – 4 U 78/22, Rz. 27 f.; so auch LG Trier, Urteil vom 14.03.2025 – 7 HK O 50/23). Im streitgegenständlichen Verfahren beruht die Geltendmachung der Vertragstrafe auf behaupteten Verstößen aus Juni 2023, d.h. nach dem Verlust der Sachbefugnis bzw. Aktivlegitimation infolge der zitierten Gesetzesänderung.

Eine noch mögliche Eintragung steht nicht entgegen

Dass eine Eintragung in die Liste beim Bundesamt für Justiz noch möglich ist, stehe einer Kündigung aus wichtigem Grund nicht entgegen. Auch eine verspätete Eintragung führe nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung.

Schließlich kann es nach Überzeugung des Gerichtes dahinstehen, ob und wann die Sachbefugnis des Klägers wiederaufleben kann. Denn die noch nicht erfolgte Eintragung in die Liste des Bundesamtes für Justiz nicht in die Sphäre der Beklagten fällt. Zudem käme einer zukünftigen Eintragung keine Rückwirkung zu, insbesondere führt eine verspätete Eintragung nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung vom 25.09.2023.

07.11.25