Die Abmahnung soll dem Abgemahnten die Gelegenheit geben, einen Wettbewerbsprozess bereits außergerichtlich schnell und relativ kostengünstig zu beenden. Meist werden Abmahnungen per Einschreiben verschickt. Aber wann geht dieses zu? Reicht es, wenn es bei der Post hinterlegt wurde, aber vom Empfänger nie abgeholt wurde? Diese Frage hat das OLG Hamburg beantwortet.
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Das LG Hamburg hatte gegen die Antragsgegnerin eine einstweilige Verfügung erlassen. Gegen das Urteil legte die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde ein, wobei sie die Beschwerde auf die Kostenentscheidung beschränkte. Diese wurden ihr in erster Instanz auferlegt.
Das OLG Hamburg (Beschluss v. 25.4.2012, 3 W 2/12) hob die Kostenentscheidung auf, die Antragsstellerin musste nun die Kosten der ersten Instanz tragen.
Keine Abmahnung erhalten
Die als Einschreiben versandte Abmahnung war der Antragsgegnerin nicht zugegangen. Dies war auch in erster Instanz unstreitig. Unklar war aber, ob eine Benachrichtigungskarte bei der Antragsgegnerin hinterlassen worden war.
“Die per Einschreiben versandte Abmahnung ist der Antragsgegnerin unstreitig nicht körperlich und auch nicht im rechtlichen Sinne zugegangen, weil auch die – unterstellte – Hinterlassung des Benachrichtigungsscheins im Falle eines nicht übergebenen, sondern in der Post niedergelegten Übergabe-Einschreibens den Zugang noch nicht bewirkt.”
Keine Zugangsfiktion
Ob in diesem speziellen Fall die Grundsätze der Zugangsfiktion aufgrund von Zugangsvereitelung Anwendung finden, ließ das Gericht offen, da bereits die Voraussetzungen für deren Anwendung nicht gegeben waren.
“Für den Nichtzugang der Abmahnung ist die Antragsgegnerseite darlegungs- und beweispflichtig, weil diese sich auf die vom kostenrechtlichen Grundsatz des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO abweichende Ausnahmevorschrift des § 93 ZPO beruft.”
Der Antragssteller hatte hier zunächst die Pflicht, die Absendung nachzuweisen. Dies hat er durch Vorlage des zurückgesandten Briefumschlages getan.
Vermerk des Postboten
Auf dem Umschlag fanden sich verschiedene Vermerke der Post:
“Hieraus ergibt sich, dass der Einschreibebrief die korrekte Adresse der Antragsgegnerin aufweist, die aber mit von außen auf das Adressfeld des Briefumschlags angebrachten Kugelschreiberstrichen durchgestrichen ist.
Ferner befinden sich auf dem Briefumschlag sowohl der Aufkleber „Anschrift überprüft (…) Zurück (…) Adresse unzureichend” als auch der für niedergelegte Einschreibebriefe verwendete Aufkleber mit dem – hier angekreuzten – Feld „Nicht abgeholt”.
Aus dieser Beschaffenheit der Briefsendung ergibt sich kein klares Bild darüber, ob der Antragsgegnerin bei dem Zustellversuch durch die Post ein Benachrichtigungsschein hinterlassen wurde.
Dies erscheint ebenso möglich wie eine ordnungsgemäße nachfolgende Niederlegung (hiervon ist das LG ausgegangen); möglich erscheint allerdings auch, dass der Brief nach der (irrtümlichen) Adressbeanstandung durch den Zusteller zur Post zurückgelangt und dort – bei Zugrundelegung der (unzutreffenden) Adressbeanstandung wiederum versehentlich – als nicht abgeholtes Einschreiben behandelt worden ist.”
Außerdem konnte die Antragsgegnerin eine eidesstattliche Versicherung einer Mitarbeiterin vorlegen, mit der glaubhaft gemacht wurde, dass im Briefkasten keine Benachrichtigungskarte vorhanden war. Daher wusste man nichts davon, dass überhaupt ein Einschreiben bei der Post zur Abholung bereit lag.
Die Entscheidung des LG Hamburg wurde daher im Kostenpunkt aufgehoben. Diese Kosten wurden dem Antragssteller auferlegt, da er vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens nicht abgemahnt hatte.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens wurden allerdings der Antragsgegnerin auferlegt, weil sie die eidesstattliche Versicherung bereits in erster Instanz hätte vorlegen können, sodass das vom OLG gefundene Ergebnis bereits erstinstanzlich herausgekommen wäre.
Fazit
Eine ausgesprochene Abmahnung muss dem Abgemahnten auch zugehen, damit er überhaupt die Gelegenheit hat, den vorgeworfenen Verstoß zu prüfen und sein weiteres Vorgehen mit einem Anwalt abzustimmen. Geht die Abmahnung nicht zu, beantragt der Abmahner gleichwohl eine einstweilige Verfügung, geht er das Risiko ein, die Prozesskosten zu tragen.
Der Empfänger einer Abmahnung kann sich aber nicht auf den Nicht-Zugang berufen, wenn er per Benachrichtigungskarte informiert wurde, aber die Abmahnung einfach nicht abholen geht. Gleiches gilt, wenn der Empfänger im Urlaub ist. Dann hat er dafür zu sorgen, dass jemand regelmäßig nach der Post schaut. Dies sollte aber bei Gewerbetreibenden eine Selbstverständlichkeit sein. (mr)
Zum Zugang eine Abmahnung per e-Mail: Abmahnung per E-Mail: Firewall und Spam-Filter müssen kontrolliert werden
Wäre nicht das Einwurf-Einschreiben, die eleganteste, effizienteste und kostengünstigste Lösung? Habe nie verstanden, was dieses ganze Getue mit Einschreiben mit Rückschein soll…
Interessanter Artikel – dachter bisher auch, hier langt ein Einwurf Einschreiben. Kenne leider Fälle, in den “habe ich nicht erhalten” auch funktioniert hat.>
Ich denke aber, dass die Tour “habe ich nicht erhalten” bei einem Einwurfeinschreiben unter Berücksichtigung des Urteils, sicherer ist als diese “Einschreiben+Rückschein-Variante-Benachrichtigungskarte-und-trotzdem-nicht abgeholt-Variante”. Das dürfte dem Empfänger eindeutig mehr an Argumentation abverlangen, das das Einwurfeinschreiben nicht angekommen ist. Vom Postboten wird ja wohl dokumentiert, dass er das Einwurfeinschreiben in den Postschlitz geworfen hat.
Ansonsten ist das Urteil ja wohl kaum zu verallgemeinern, weil hier ja wohl die Post ganz erheblichen Murks gemacht hat.
Ob das Einwurf-Einschreiben als Zugangsnachweis ausreichend ist oder nicht, ist in der Rechtsprechung umstritten. Letztlich quittiert nur der Postbote, dass er den Brief eingeworfen hat. Wie SHOPPER richtig sagt, hat im Fall des OLG Hamburg die Post aber erheblichen Murks gemacht. Es kann also auch keiner mit Gewissheit sagen, dass der Postbote das Schreiben in den richtigen Briefkasten eingeworfen hat.
Die eidesstattliche Versicherung des Empfängers würde den Anscheinsbeweis des Einwurf-Einschreibens wohl erschüttern und damit den Zugang in Frage stellen. So steht auf dem Beleg, welcher den Einwurf quittiert schon gar nicht, an wen das Schreiben gerichtet war. Nachweisen kann man mit dem Einwurf-Beleg also nur, dass irgendein Schreiben zugestellt wurde. Aber nicht an wen. Ein Zitat aus einem Urteil des AG Köln hierzu:
“Der Auslieferungsbeleg beweist den Zugang des Schreibens auch nicht, weil sich aus ihm nicht ergibt, in welchen Briefkasten in welchem Haus die Postsendung eingeworfen wurde. Der Auslieferungsbeleg gibt nämlich lediglich die Postleitzahl und den Zustellbezirk an. Die Anschrift, unter der der Brief eingeworfen wurde, geht aus dem Beleg nicht hervor. Die Grundsätze vom Beweis des ersten Anscheins finden zugunsten der Klägerin keine Anwendung. Eine Tatsache, der ein typischer Geschehensablauf zugrunde liegt, gilt zugunsten der beweisbelasteten Partei als bewiesen, solange die andere Partei nicht die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Ablaufs beweist. Ein typischer Geschehensablauf liegt aber nur vor, wenn nach der Lebenserfahrung von einem bestimmten Ereignis auf eine bestimmte Folge geschlossen werden kann (BGH, Urt. v. 27.05.1957, Az.: II ZR 132/56, juris).”
und weiter:
“Der Bundesgerichtshof (Urt. v. 27.05.1957, Az.: II ZR 132/56, [BGHZ 24, 308 NJW 1957, 1230]) hat entschieden, dass es nach den Erfahrungen des täglichen Lebens auch unter normalen Postverhältnissen immer wieder vorkomme, dass Einschreiben ihre Empfänger nicht erreichten. Auch wenn die Zahl verloren gegangener Postsendungen gering sei, so sei weder der Verlust noch der Zugang einer Sendung typisch, beides sei vielmehr etwa gleich wahrscheinlich. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass der Empfänger der Nachweis, dass er das Schreiben nicht erhalten habe, in der Regel gar nicht führen könne, weil es sich hierbei um eine negative Tatsache handle. Ferner sei zu beachten, dass derjenige, der jeden Streit über den Zugang eines Schriftstücks vermeiden wolle, andere Möglichkeiten der Übersendung wählen könne, die einen sicheren Zugangsbeweis ermöglichten. Dieser Auffassung haben sich zahlreiche Gerichte angeschlossen (z. B. LG Potsdam, Urt. v. 27.07.2000, Az.: 11 S 233/99, [NJW 2000, 3722
BauR 2001, 1632 (Ls.) VersR 2001, 995 – PDF]; AG Kempen, Urt. v. 22.08.2006, Az.: 11 C 432/05, http://www.kostenlose-urteile.de/newsview4654.htm).”
Aber nicht, dass jetzt hier die ein oder anderen “Experten” auf die Idee kommen hier mit “eidesstattlichen Versicherungen” wieder besseren Wissens und entsprechenden Tatsachen den Empfang von Einschreiben zu bestreiten. So etwas geht i.d.R. in die Hose. In diesem Fall war es ja unbestritten, dass das Einschreiben nicht den Empfänger erreicht hat. Normalerweise würde man mit so einer Strategie seeeeeehhhr sehr dünnes Eis betreten.
Das finde ich an der Kommentierung dieses Urteil problematisch – da wird der ein oder andere “Experte” schon seine falschen Schlüsse ziehen.
Hallo shopper,
“Experten” ziehen keine falschen Schlüsse!
@ Herr Rätze; die Aussage, bzw. das Zitat des Gerichts (sinngemäss) das Postsendungen in etwa zur Hälfte ankommen, und zur anderen Hälfte nicht, dürfte wohl erheblich daneben liegen. Dies sage ich, obwohl ich gewiss kein Freund der Post bin. Ich gehe davon aus, das Briefe zu weit über 90 % Ihr Ziel erreichen. Wieviel % es wirklich sind, weiss ich freilich nicht. Aber doch mehr als die Hälfte – weit mehr.
Fazit; Gerichtsentscheidungen sind manchmal weltfremd. Warum sonst sollte man seine SPAM Ordner “regelmässig” überprüfen, nur um zu schauen, ob dort eine Mitteilung drin ist, die “wichtig” ist. Warum verlangt man das vom schwächsten, vom letzten Glied in der Kette, vom Bürger? Nun, wir alle wissen warum….
Grüße
Jürgen