EuGH muss entscheiden: Muss eine Bearbeitungspauschale in den Gesamtpreis eingerechnet werden?

 

§ 3 Abs. 1 PAngV bestimmt, dass Verbrauchern gegenüber Gesamtpreise anzugeben sind. Der BGH (Beschl. v. 23.1.2025 – I ZR 49/49) hat nun ein Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob eine Bearbeitungspauschale, die erhoben wird, wenn der Gesamtbestellwert eine bestimmte Höhe nicht erreicht, in den Gesamtpreis einzurechnen sei.

Der Beklagte vertreibt über seinen Onlineshop Staubsauger, Verbrauchsmaterialien, Zubehör und Ersatzteile für verschiedene Staubsauger. Am 1.6.2022 bot der Beklagte Filtertüten zu einem Preis von 14,90 € an. Tatsächlich sollten jedoch 18,85 € gezahlt werden, weil zu dem Preis noch eine Bearbeitungspauschale hinzukam. Diese Pauschale tauchte jedoch erst im Warenkorb auf.

Auf der Produktseite war rechts neben der Preisangabe ein Sternchenhinweis angebracht. Rechts neben dieser Schaltfläche war eine weiße Schaltfläche zu sehen, auf der in schwarzer Schrift „Mehr Info“ stand. Sobald die Maus über diesen Sternchenhinweis bewegt wurde, erschien der Text „Inklusive MwSt. zzgl. Nebenkosten“. Die Preisangabe als solche blieb dabei unverändert. Durch Anklicken der Sternchenhinweises wurden Verbraucher auf eine Seite weitergeleitet, auf der die Nebenkosten folgendermaßen erläutert wurden: „Wir berechnen keine Gebühren für die Nutzung der Zahlarten Rechnung, PayPal, Lastschrift und Kreditkarte. Vom Warenwert abhängig (ab 50€) wird bei Nutzung der Zahlart Vorausüberweisung ein Skontoabzug von 2% gewährt. Vom Warenwert abhängig kann eine nichterstattungsfähige Bearbeitungspauschale zwischen 3,95 € (ab 11€ Warenwert) und 9€ (unter 11,00 € Warenwert) anfallen. Ab einem Warenwert von 29€ entfällt diese Bearbeitungspauschale generell.

Durch Anklicken der Schaltfläche „Mehr Info“ wurden Verbraucher auf die Produktübersichtsseite geführt. Durch Anklicken der Schaltfläche „In den Warenkorb“ legten Verbraucher den Artikel mit einer ausgewiesenen Gesamtsumme in Höhe von 14,90€ in den Warenkorb. Im Warenkorb wurde die Bruttosumme Artikels mit 14,90€ angegeben. Zudem berechnete der Beklagte einen Betrag in Höhe von 3,95 € als zusätzlichen eigenen und festen Posten. Dieser war als „Auf-/Abschlag Kleinstmengenaufschlag (entfällt ab 29,- € Einkaufswert“ gekennzeichnet. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) hielt dieses Verhalten für wettbewerbswidrig. Die geforderte Unterlassungserklärung gab der Beklagte jedoch nicht ab.

Das LG Hannover entschied zunächst, dass der Beklagte gegen die Pflicht zur Angabe von Gesamtpreisen nach § 3 Abs. 1 PAngV verstoßen habe und bestätigte den Unterlassungsanspruch des Klägers. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten vor dem OLG Celle war erfolgreich. Es entschied, dass eine Bearbeitungspauschale, die erhoben wird, wenn der Gesamtbestellwert eine bestimmte Höhe nicht erreicht, nicht in den Gesamtpreis einzurechnen sei, der gem. § 3 Abs. 1, § 2 Nr. 3 PAngV für die einzelnen angebotenen Waren anzugeben ist. Es handle sich um sonstige Kosten i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 PAngV, die gesondert anzugeben sein. Der Klägerin stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin.

Vorlagefrage des BGH

Der BGH hat das Verfahren nun ausgesetzt und dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob eine Bearbeitungspauschale, die nur entfällt, wenn der Gesamtbestellwert einen Mindestbetrag übersteigt, in den für eine Produkteinheit anzugebenden Verkaufspreis im Sinne von Art. 2 Buchst. a PreisangabenRL 98/6/EG einzurechnen sei oder ob es sich um sonstige Kosten handle, die gesondert anzugeben seien.

Ist eine Bearbeitungspauschale, die nur entfällt, wenn der Gesamtbestellwert einen Mindestbetrag übersteigt, in den für eine Produkteinheit anzugebenden Verkaufspreis im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG einzurechnen?

Bearbeitungspauschale einzurechnen?

Zunächst stellt der BGH fest, dass es unklar sei, ob eine Bearbeitungspauschale, die nur entfällt, wenn der Gesamtbestellwert einen Mindestbetrag übersteigt, in den für eine Produkteinheit anzugebenden Verkaufspreis im Sinne von Art. 2 Buchst. a RL 98/6/EG einzurechnen ist. Nach Art. 2 Buchst. a RL 98/6/EG bezeichnet der Ausdruck „Verkaufspreis“ den Endpreis für eine Produkteinheit oder eine bestimmte Erzeugnismenge, der die Mehrwertsteuer und alle sonstigen Steuern einschließt. Nach der Rechtsprechung des EuGH müsse der Verkaufspreis als Endpreis notwendigerweise die unvermeidbaren und vorhersehbaren Bestandteile des Preises enthalten, die obligatorisch vom Verbraucher zu tragen sind und die Gegenleistung in Geld für den Erwerb des betreffenden Erzeugnisses bilden

Nach Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG bezeichnet der Ausdruck "Verkaufspreis" den Endpreis für eine Produkteinheit oder eine bestimmte Erzeugnismenge, der die Mehrwertsteuer und alle sonstigen Steuern einschließt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union muss der Verkaufspreis als Endpreis notwendigerweise die unvermeidbaren und vorhersehbaren Bestandteile des Preises enthalten, die obligatorisch vom Verbraucher zu tragen sind und die Gegenleistung in Geld für den Erwerb des betreffenden Erzeugnisses bilden (vgl. EuGH, GRUR 2016, 945 [juris Rn. 37] - Citroën Commerce; EuGH, Urteil vom 29. Juni 2023 - C-543/21, GRUR 2023, 1115 [juris Rn. 19] = WRP 2023, 916 - Verband Sozialer Wettbewerb). Dies entspricht den in den Erwägungsgründen 2, 6 und 12 der Richtlinie 98/6/EG genannten Zielen dieser Richtlinie, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, eine genaue, transparente und unmissverständliche Information der Verbraucher über die Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse zu unterstützen, den Verbrauchern auf einfachste Weise optimale Möglichkeiten zu bieten, die Preise von Erzeugnissen zu beurteilen und miteinander zu vergleichen und somit anhand einfacher Vergleiche fundierte Entscheidungen zu treffen sowie eine einheitliche und transparente Information zugunsten sämtlicher Verbraucher im Rahmen des Binnenmarkts sicherzustellen (vgl. EuGH, GRUR 2016, 945 [juris Rn. 31] - Citroën Commerce; GRUR 2023, 1115 [juris Rn. 25] - Verband Sozialer Wett-bewerb).

Nach diesen Grundsätzen sind etwa obligatorisch anfallende Kosten der Überführung des gekauften Kraftfahrzeugs Bestandteil des Verkaufspreises im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG (vgl. EuGH, GRUR 2016, 945 [juris Rn. 38] - Citroën Commerce), nicht aber ein Pfandbetrag, der dem Verbrau-cher bei der Rückgabe des Pfandbehälters zu erstatten ist (vgl. EuGH, GRUR 2023, 1115 [juris Rn. 21 und 25] - Verband Sozialer Wettbewerb).

Der Streitfall gibt Anlass zur Klärung der Frage, ob eine Bearbeitungs-pauschale, die nur entfällt, wenn der Gesamtbestellwert einen Mindestbetrag übersteigt, in den für eine Produkteinheit anzugebenden Verkaufspreis im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG einzurechnen ist.

Wortlaut nicht eindeutig

Der Wortlaut der PreisangabenRL 98/6/EG sei dahingehend nicht eindeutig und liefere keine Antwort.

Auf der Grundlage des Wortlauts von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG lässt sich diese Frage nicht eindeutig beantworten. Zwar spricht die Vorschrift vom Verkaufspreis als "Endpreis für eine Produkteinheit" und legt insofern das alleinige Abstellen auf eine einzige Produkteinheit nahe. Die Vorschrift spricht aber auch vom Verkaufspreis als "Endpreis für eine bestimmte Erzeug-nismenge", die auch aus mehreren Produkteinheiten (hier: mehreren Packungen mit Staubsaugerfiltertüten) bestehen kann. Der Wortlaut der Vorschrift hilft nicht bei der Beantwortung der Frage, ob in der etwaig nachfolgenden Gesamtbestellung liegende Umstände wie das (Nicht-) Erreichen eines Mindestbestellwerts auf die Berechnung des Preises je Produkteinheit Einfluss haben können.

Verbraucherschutz muss berücksichtigt werden

Bei der Bearbeitungspauschale handle es sich in Abgrenzung zu sonstigen Kosten um eine Gegenleistung für den Erwerb des betreffenden Gegenstandes. Allerdings sei nicht eindeutig zu beantworten, ob es sich bei der Bearbeitungspauschale um einen für den Verbraucher unvermeidbaren und vorhersehbaren Preisbestandteil handelt, weil das Anfallen des Zuschlags im für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Werbung für den Verbraucher ungewiss ist.

Die mit Blick auf den verbraucherschützenden Zweck der Richtlinie vorzunehmende Beurteilung, ob es sich bei einem Zuschlag der vorliegenden Art um einen unvermeidbaren und vorhersehbaren Bestandteil des Preises handelt, der obligatorisch vom Verbraucher zu tragen ist und die Gegenleistung in Geld für den Erwerb des betreffenden Erzeugnisses bildet (vgl. EuGH, GRUR 2016, 945 [juris Rn. 37] - Citroën Commerce; GRUR 2023, 1115 [juris Rn. 19] - Verband Sozialer Wettbewerb), begegnet Schwierigkeiten.

Nach der im Streitfall gegebenen Gestaltung dürfte es sich bei der Bearbeitungspauschale um eine Gegenleistung in Geld für den Erwerb des betreffenden Erzeugnisses handeln. Das Gegenleistungskriterium dient vornehmlich der Abgrenzung gegenüber sonstigen Kosten wie etwa Versandkosten, um die es sich im Streitfall nicht handelt, weil der Beklagte im räumlichen Zusammenhang der Internetseite ausdrücklich für eine versandkostenfreie Lieferung wirbt.

Ob es sich bei der Bearbeitungspauschale um einen für den Verbraucher unvermeidbaren und vorhersehbaren Preisbestandteil handelt, ist hingegen nicht eindeutig zu beantworten, weil das Anfallen des Zuschlags im für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Werbung für den Verbraucher ungewiss ist. Dies hängt davon ab, ob ein Verbraucher mit seiner Bestellung den Mindestbestellwert überschreitet und kann sich insbesondere im Fall der Bestellung mehrerer Produkte - auch während des Bestellvorgangs - ändern.

BGH neigt zur Verneinung der Vorlagefrage

Der BGH neige dazu, die Vorlagefrage zu verneinen. Nach seiner Ansicht müsse die Bearbeitungspauschale nicht in den Gesamtpreis eigerechnet werden. Hierfür spreche zunächst der Zweck der Preisangaben-RL, Verbrauchern einen einfachen Preisvergleich zu ermöglichen. Eine Irreführung würde am ehesten dadurch vermieden, dass der geforderte Verkaufspreis (ohne Bearbeitungspauschale) sowie der Hinweis auf die bei Unterschreitung des Schwellenwerts anfallenden zusätzlichen Kosten und deren Höhe angegeben werden.

Der Senat neigt dazu, die Vorlagefrage zu verneinen, also in dieser Fallgestaltung die Bearbeitungspauschale nicht in den Verkaufspreis im Sinne des Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6/EG einzurechnen.

Mit Blick auf den in ihrem Erwägungsgrund 6 genannten Zweck der Richtlinie 98/6/EG, Verbrauchern auf einfachste Weise optimale Möglichkeiten zu bieten, die Preise von Erzeugnissen zu beurteilen und miteinander zu vergleichen und somit anhand einfacher Vergleiche fundierte Entscheidungen zu treffen, ist festzustellen, dass dem Verbraucher ein einfacher Preisvergleich nicht möglich ist, wenn ein Preiszuschlag, der bei Unterschreiten eines Mindestbestellwerts anfällt, nicht in den für eine Produkteinheit angegebenen Verkaufspreis eingerechnet ist. Der Vergleich des genannten Preises mit den Preisen anderer Anbieter ist irreführend, wenn letztere keinen solchen Zuschlag erheben, sondern den unternehmensinternen Aufwand für die Bearbeitung von kleineren Bestellmengen in den Verkaufspreis pro Produkteinheit einkalkulieren, anstatt ihn - wie der Be-klagte - in eine gesonderte Kostenposition auszulagern. Andererseits kann auch die Einrechnung des Zuschlags zu verwirrenden Ergebnissen führen, wenn der Verbraucher den Zuschlag bei der Kalkulation einer mehrere Produkteinheiten umfassenden Bestellung auf der Grundlage des (den Zuschlag einschließenden) Einzelpreises irrigerweise mehrfach einrechnet.

Bei dieser Sachlage dürfte eine Irreführung der Verbraucher am ehesten dadurch vermieden werden, dass der geforderte Verkaufspreis (ohne Bearbeitungspauschale) sowie der Hinweis auf die bei Unterschreitung des Schwellenwerts anfallenden zusätzlichen Kosten und deren Höhe angegeben werden (für gesonderte Ausweisung des Zuschlags als Kostenposition auch OLG Hamm, WRP 2013, 382 [juris Rn. 36]; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 43. Aufl., § 1 PAngV Rn. 10; Weidert in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 1 PAngV Rn. 41; für Angabe des Verkaufspreises unter Einrechnung des bei Unterschreitung des Mindestbestellwerts anfallenden Zuschlags so-wie des Verkaufspreises bei Erreichen des Mindestbestellwerts BeckOK.UWG/Barth, 26. Edition [Stand 1. Oktober 2024], § 3 PAngV Rn. 29-30a; Föhlisch in Hoeren/Sieber/Holznagel, Handbuch Multimediarecht, 62. Ergänzungslieferung [Stand Juni 2024], Teil 13.4, Verbraucherschutz im Internet Rn. 174; Barth/Hoppe, GRUR-Prax 2024, 367 Rn. 15).

Vergleich mit anderen Vorgaben zu Preis- und Kostenangaben

Für dieses Verständnis spreche zudem der Vergleich mit anderen europäischen Vorgaben zu Preisangaben, die ähnlich differenzierte Preis- und Kostenangaben gestatten, wenn der Preis oder die Kosten nicht im Voraus berechnet werden können. Der EuGH führte hier Vorgaben der UGP-RL 2005/29/EG und der VRRL 2011/83/EU an, die Regelungen vorsehen, wenn Preise vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können.

Für diese Lösung spricht auch, dass andere Vorschriften des Unionsrechts bei Preisangaben in kommerzieller Kommunikation ähnlich differenzierte Preis- und Kostenangaben gestatten, wenn Preise oder Kosten vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können.

Nach Art. 7 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG ist im Falle der Aufforderung zum Kauf im Sinne des Art. 2 Buchst. i dieser Richtlinie der Preis einschließlich aller Steuern und Abgaben anzugeben, oder in den Fällen, in denen der Preis aufgrund der Beschaffenheit des Produkts vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls alle zusätzlichen Fracht-, Liefer- oder Zustellkosten oder in den Fällen, in denen diese Kosten vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können, die Tatsache, dass solche zusätzliche Kosten anfallen können.

Art. 6 Abs. 1 Buchst. e Satz 1 der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher enthält für Fernabsatzverträge und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge eine dem Art. 7 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie 2005/29/EG (bis auf die zusätzliche Erwähnung von "allen sonstigen Kosten") entsprechende Regelung für die Angabe von Preisen und zusätzlichen Kosten. Zweck der Vorschrift ist es, den Verbraucher in der Phase der Anbahnung eines Vertrags mit einem bestimmten Unternehmer über den voraussichtlichen Vertragsinhalt und insbesondere über das Anfallen von Kosten klar und verständlich zu informieren (vgl. Erwägungsgrund 34 der Richtlinie 2011/83/EU).

31.01.25