In Zusammenarbeit mit Kanzlei Föhlisch
Knapp ein Jahr nach Geltungsbeginn der GPSR hat es die Europäische Kommission doch noch geschafft und Leitlinien zur Anwendung der europäischen Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit VO (EU) 2023/988 (engl. General Product Safety Regulation, nachfolgend GPSR) veröffentlicht. Hierzu war die Kommission nach Art. 17 GPSR verpflichtet, um die unterschiedlichen Wirtschaftsakteure, besonders im Hinblick auf KMU und Kleinstunternehmen, bei der Erfüllung der Pflichten nach der GPSR zu helfen. Bisher hatte sie nur ein erstes Q&A veröffentlicht.
Hinweis: Die wichtigsten Punkte zur GPSR haben wir hier für Sie zusammengefasst.
Die Europäische Kommission stellt klar, dass vom Anwendungsbereich der GPSR auch digitale Produkte erfasst werden.
The GPSR product definition is wide enough to cover “any item”, whether tangible or non-tangible or of a mixed nature. It includes apps and software products, including for example chatbots, and sets requirements for their safety. This definition also allows the GPSR framework to be used for products that might appear on EU consumer markets in the future.
Unklar war, ob auch Produkte, die vor dem 13.12.2024 in den Verkehr gebracht wurden, von den neuen Bestimmungen erfasst werden. In Art. 51 GPSR findet sich eine Übergangsbestimmung:
Artikel 51 Übergangsbestimmung
Die Mitgliedstaaten dürfen das Bereitstellen auf dem Markt von unter die Richtlinie 2001/95/EG fallenden Produkten nicht behindern, die mit jener Richtlinie konform sind und vor dem 13. Dezember 2024 in Verkehr gebracht wurden.
Diese Bestimmung regelt aber nicht ausdrücklich, dass bereits in Verkehr gebrachte Produkte weiterhin angeboten werden dürfen, ohne die Vorgaben der GPSR zu erfüllen. Vielmehr wird den Mitgliedstaaten aufgelegt, den Verkauf der betreffenden Produkte nicht zu behindern. In welchen Fällen aber eine solche Behinderung vorliegen und die Kennzeichnung nach der GPSR eine solchen darstellen würde oder welche konkreten Maßnahmen die einzelnen EU-Mitgliedstaaten deshalb gegen die Produkte ergreifen dürfen und welche nicht, geht daraus nicht hervor.
Eine ähnliche Formulierung einer Übergangsbestimmung findet sich in Art. 53 Abs. 1 SpielzeugRL (RL 2009/48/EG). Diese Regelung wurde von der Kommission so interpretiert, dass Spielzeug, das unter der vorherigen Richtlinie in den Verkehr gebracht wurde und deren Vorgaben entsprach, auch weiterhin während eines Übergangszeitraums auf dem Marktbereitgestellt werden durfte (Europäische Kommission, Richtlinie 2009/48/EG über die Sicherheit von Spielzeug – Erläuternde Leitlinien v. 16.4.2010).
Unklar war, ob diese Auslegung auch für die GPSR zutrifft. Hierzu äußert sich die Kommission nun folgendermaßen:
The GPSR applies to products placed or made available on the market whether new, used, repaired or reconditioned. The GPSR obligations therefore apply fully to second-hand, refurbished and reconditioned products, including repaired products when placed or made available on the market by an economic operator (but not self-repairs done by consumers). It does not apply to products that have to be repaired or reconditioned prior to being used if those products are placed or made available on the market and are clearly marked as such.
The obligations of the GPSR apply to products placed or made available on the market as of 13 December 2024, and to any offer of products made on that date or later. Against this context, products covered by the previous General Product Safety Directive that are in conformity with that Directive and were placed on the market before 13 December 2024 can be made available on the market also after 13 December 2024.
This means that, for example, the new requirements to affix certain traceability and product safety information to the product, or its packaging, under the GPSR do not apply to products that were placed on the market before 13 December 2024.
Please remember that placing on the market means the very first making available of the product on the Union market. This needs to be determined at the level of every specific unit of the product.
Eine andere Frage betraf den Begriff der „elektronischen Adresse“. Am 19.12.2023 wurde eine Berichtigung der GPSR im EU-Amtsblatt veröffentlicht (2023/90192), die u.a. die deutschsprachige Fassung korrigiert. Die GPSR verlangte zunächst die Angabe einer E-Mail-Adresse des Herstellers. Durch die Berichtigung wurde der Begriff „E-Mail-Adresse“ durchgehend durch den Begriff „elektronische Adresse“ ersetzt. Der Begriff der „elektronischen Adresse“ wird zwar nicht legaldefiniert, allerdings werden unter diesem Begriff sowohl E-Mail-Adressen als auch Internetadressen verstanden (Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, Für alle Sprachfassungen einheitliche Richtlinien, Teil III 9.2). Damit besteht auch die Möglichkeit, eine Internetadresse anzugeben. Hier wurde bereits vertreten, dass eine allgemeine Internetadresse des Herstellers nicht ausreicht, da die Hersteller wiederum nach Art. 9 Abs. 6 GPSR dazu verpflichtet sind, u.a. die die elektronische Adresse der zentralen Anlaufstelle anzugeben, unter der sie kontaktiert werden können, wenn diese von ihrer elektronischen Adresse abweicht. Aus Gründen der Rechtssicherheit hatten wir bereits die Angabe der E-Mail-Adresse oder einer Interadresse des Herstellers empfohlen, die eine unmittelbare Kontaktaufnahme ermöglicht und z.B. zu einem Kontaktformular führt.
What does “electronic address” mean?
An electronic address can be an e-mail address or dedicated section of your website that enables consumers to contact you directly and easily. A website is not in itself sufficient if it does not allow direct communication with you.
Die Europäische Kommission hat es knapp ein Jahr nach Geltungsbeginn endlich geschafft, Leitlinien zur GPSR zu veröffentlichen. Die Leitlinien sind ausführlicher als die bisher veröffentlichten Q&A und stellen die Pflichten je nach Rolle dar. Die Leitlinien der Europäischen Kommission finden Sie hier.
Als Kunde unserer Legal Produkte finden Sie in Ihrem Legal Account umfangreiche Whitepaper, selbstverständlich auch zu den Pflichten nach der GPSR.