LG Stuttgart: Angebot einer Versandversicherung ist irreführend

Beim Verbrauchsgüterkauf trägt der Verkäufer allein und in vollem Umfang das Versandrisiko und kann dies auch nicht abbedingen. Das LG Stuttgart (Urt. v. 6.6.2024 – 37 O 95/23 KfH) entschied hierzu, dass ein Angebot, eine Sendung im Falle einer Beschädigung oder eines Verlusts der Sendung zu versichern, Verbraucher über ihre Rechte irreführe und unzulässig sei.

Die Beklagte ist eine Versandhändlerin für Parfümerieartikel und bietet ihre Waren sowie weitere Zusatzleistungen wie die Verpackung einzelner Produkte, Bestellungen als Geschenk oder auch die Versicherung der Sendung über ihren Onlineshop gegenüber Verbrauchern an. Wählt ein Kunde auf dieser Internetseite ein Produkt der Beklagten aus und legt dieses in den Warenkorb, erscheint folgender Text mit einem voreingestellten Häkchen: „Sendung versichern 1,00 €. Im Falle einer Beschädigung oder eines Verlust der Sendung müssen Sie nicht auf eine Lösung innerhalb der gesetzlichen Frist warten. Es genügt, wenn Sie uns die verlorene oder beschädigte Sendungen rechtzeitig melden und belegen, anschließend können wir Ihre neue Ware umgehend zuschicken.“

Der Kläger, der Bundesverband der Verbraucherzentralen vzbv, mahnte die Beklagte erfolglos ab. Er sieht in der verwendeten Klausel einen Verstoß gegen § 475 Abs. 2 BGB, wonach der Verkäufer im Falle des Untergangs oder der Verschlechterung während des Transports zum Käufer ohnehin zur kostenfreien Nacherfüllung verpflichtet sei. Damit täusche die Beklagte den Verbraucher über die ihm zustehenden Rechte insbesondere im Rahmen seiner Leistungs- und Gewährleistungsansprüche, was einen Verstoß gegen § 5 Abs. 2 Nr. 7 UWG bedeute. Zudem handle es sich um eine irreführende geschäftliche Handlung gem. § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG, da die Beklagte durch das Angebot einer Versicherung suggeriere, dass der Verbraucher für die ordnungsgemäße Zustellung der Lieferung sorgen müsse, denn ansonsten müsste er sich nicht gegen die Beschädigung oder den Verlust der Sendung versichern.

Das LG Stuttgart entschied, dass dem Kläger die geltend gemachten Unterlassungsansprüche zustehen. Das Angebot der Beklagten, die Sendung im Falle einer Beschädigung oder eines Verlusts der Sendung zu versichern, enthalte zur Täuschung geeignete Angaben über Rechte des Verbrauchers und über die Art der angebotenen Versicherungen und deren Zwecktauglichkeit. Der vzbv hat die Entscheidung veröffentlicht.

Verkäufer trägt die Transportgefahr

Das Gericht stellte klar, dass der Verkäufer beim Verbrauchsgüterkauf nach §§ 475 Abs. 2, 447 Abs. 1 BGB die Gefahr des Untergangs oder Beschädigung der Ware während des Transports trage. Das Angebot der Beklagten, die Sendung im Falle einer Beschädigung oder eines Verlusts der Sendung zu versichern, enthalte zur Täuschung geeignete Angaben über Rechte des Verbrauchers und über die Art der angebotenen Versicherungen und deren Zwecktauglichkeit.

Das Angebot der Beklagten, die Sendung im Falle einer Beschädigung oder eines Verlusts der Sendung zu versichern, enthält zur Täuschung geeignete Angaben über Rechte des Verbrauchers und über die Art der angebotenen Versicherungen und deren Zwecktauglichkeit. […]

Aus dem Wortlaut der fettgedruckten Überschrift „Sendung versichern“ ergibt sich für die angesprochenen Verkehrskreise zunächst, dass der Transport der zu bestellende Ware versichert werden soll. Üblicherweise werden bestimmte Gefahren, vorliegend z.B. die Gefahr der Beschädigung oder des Verlusts der Waren während der Beförderung „versichert“, um das sich aus diesen Gefahren ergebende Kostenrisiko für den Käufer abzumildern oder entfallen zu lassen. Der Käufer wird im nachfolgenden Text, der Erläuterung, wofür diese Versicherung konkret eingreifen soll, nur unklar und mehrdeutig informiert. Weder die konkret versicherte Gefahr, noch der Umfang und der Zweck der Versicherung werden klar und deutlich angegeben. Der potenzielle Käufer erhält die Erläuterungen, dass ihm die Beklagte im Falle der Beschädigung und des Verlusts der Ware während des Transports („ Sendung“), die neue Ware umgehend zuschicken wird, wenn der Umstand der verlorenen oder beschädigten Sendungen gemeldet und belegt wird. Dadurch wird dem Verbraucher suggeriert, dass im Falle der Beschädigung oder des Verlusts der Sendung bei ihm ein Haftungsrisiko verbleibt, sonst müsste er diese Fälle nicht versichern. Insbesondere wird er darüber getäuscht, dass ihm im Rahmen seiner Gewährleistungsrechte – ohne jegliche Versicherung – ein Recht zur Nachlieferung einer mangelfreien Sache gem. § 439 I BGB gegenüber dem Verkäufer, der Beklagten, zusteht. In den Fällen des Verlusts oder der Beschädigung der Ware vor oder während des Transports bis zur Zustellung beim Käufer (Verbraucher) bestehen gesetzliche Leistungs- und Gewährleistungsansprüche des Käufers (Verbraucher) gegen den Verkäufer. Der Verkäufer ist in diesen Fällen zur kostenlose Nachlieferung verpflichtet. Der Verkäufer trägt beim Verbrauchsgüterkauf die Gefahr des Untergangs oder Beschädigung der Ware während des Transports (§§ 475 II, 447 I BGB).

Irreführung hinsichtlich der versicherten Gefahr

Die Beklagte versuchte sich damit zu verteidigen, dass sie über das Gesetz hinausgehende Möglichkeiten einräume. So verpflichte sie sich z.B. zur Neulieferung bei Unmöglichkeit und nicht nur zur Kaufpreiserstattung. Das Gericht entschied jedoch, dass die Beklagte in dem Hinweistext nicht klarstelle, dass sie eine Leistung zusätzlich zu den gesetzlichen Gewährleistungsrechten biete. Der Verbraucher werde im Unklaren über diesen Zweck gelassen, weshalb er bereits den nach den gesetzlichen Regelungen bestehenden Anspruch auf Nachlieferung als eigentlichen Zweck der angebotenen Zusatzversicherung verstehe.

Auch unter Zugrundelegung des Vortrags der Beklagten, für welche Gefahr der Verbraucher diese angebotene Versicherung abschließen soll, ergibt sich eine Irreführung.

Die Beklagte erläutert den Sinn und Zweck der angebotenen Sendungsversicherung damit, dass sie Vorkehrungen dafür treffe in jedem Fall der Beschädigung oder des Verlusts der Ware eine Nachlieferung der Ware in einem beschleunigten Prozess gewährleisten zu können. Dies werde durch die hinreichende Bevorratung der Ware sichergestellt, so dass der Fall der Unmöglichkeit der Nachlieferung nicht eintreten könne, in welchem der Käufer auf eine Kaufpreiserstattung verwiesen werde. Dieser vermeintliche Zweck der angebotenen Versicherungen, also eine Verpflichtung zur Absicherung des Falls einer Unmöglichkeit der Leistung (Nachlieferung einer neuen Ware), ergibt sich für die angesprochenen Verkehrskreise aus dem Inhalt des beanstandeten Textes nicht. Die Beklagte stellt in dem Text nicht klar, dass sie eine Leistung zusätzlich zu den gesetzlichen Gewährleistungsrechten bietet. Der Verbraucher wird im Unklaren über diesen Zweck gelassen, weshalb er den bereits nach den gesetzlichen Regelungen bestehenden Anspruch auf Nachlieferungen als eigentlichen Zweck der angebotenen Zusatzversicherungen versteht.

Weiterhin geht die Beklagte die angeblich intendierte Verpflichtung, den Fall einer Unmöglichkeit der Leistung auszuschließen, nach dem Wortlaut der angebotenen Versicherung tatsächlich gar nicht ein. Die Zusatzversicherung enthält weder eine Verpflichtung zur Bevorratung noch eine sonstige Verpflichtung, aus welcher sich eine Absicherung im Hinblick auf die Unmöglichkeit der Nachlieferung im Gewährleistungsfall ergibt. Die Beklagte formuliert lediglich „können wir Ihnen…“. Dies stellt keine Erklärung für die Übernahme einer Verpflichtung gegenüber dem Käufer dar.

Die Berufung der Beklagten gegen diese Entscheidung hat das OLG Stuttgart (Beschl. v. 21.8.2025 – 2 U 100/24) zurückgewiesen. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist beim BGH unter dem Az. X ARZ 399/25 anhängig.

23.10.25