LG Frankfurt a.M.: Unternehmer trägt Risiko für selbst formulierte Widerrufsbelehrung

Wird die gesetzliche Muster-Widerrufsbelehrung verwendet, gilt die sog. „Privilegierung“. Das bedeutet, dass das vorgesehene Muster per Gesetz als ausreichend gilt, um Ihre Informationspflicht zum Widerrufsrecht zu erfüllen, und dass Ihnen keine rechtlichen Nachteile durch Fehler entstehen können, die das gesetzliche Muster eventuell enthält. Das LG Frankfurt a.M. (Urt. v. 21.8.2024 – 2-06 O 300/23) entschied nun, dass diese Privilegierung dem Unternehmer nur dann zugute komme, wenn die Muster-Widerrufsbelehrung unverändert verwendet und richtig ausgefüllt werde. Bei Abweichungen der Muster-Widerrufsbelehrung trage der Unternehmer hingegen das alleinige Risiko einer fehlerhaften Belehrung.

Die Beklagte bewarb im Internet unter ihrem Verkäuferprofil das von ihr angebotene Produkt „Ferrero die Besten 4x269g“ unter Angabe der Füllmenge und des Preises. Sie gab jedoch weder den Grundpreis je Mengeneinheit an noch die vollständigen Informationen nach Art. 14 LMIV. Zudem enthielt das Angebot unter den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine „Widerrufsbelehrung für Verbraucher“, die nach Ansicht des Klägers, ein Wettbewerbsverband, nicht vollständig war. Die Widerrufsbelehrung enthielt nicht die vorgesehene Formulierung „Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter Brief oder eine E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. Sie können dafür das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwenden, das jedoch nicht vorgeschrieben ist.“ Der Verbraucher werde daher nach Ansicht des Klägers nicht ausreichend über das Verfahren zur Ausübung des Widerrufsrechts informiert.

Der Kläger hatte die Beklagte hinsichtlich der beanstandeten Verstöße abgemahnt und erfolglos die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung gefordert. Daraufhin hatte er am 19.7.2023 Klage eingereicht. Die Unterlassungsansprüche hinsichtlich der Grundpreisangabe und der Pflichtinformationen nach der LMIV hatte die Beklagte anerkannt, nicht jedoch hinsichtlich der Widerrufsbelehrung.

Das LG Frankfurt a.M. entschied nun, dass die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung unvollständig und nicht ausreichend war, um Verbraucher über die Bedingungen und das Verfahren zur Ausübung des Widerrufsrechts zu informieren. Dem Kläger stehe damit der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu.

Keine Verpflichtung zur Verwendung der Muster-Widerrufsbelehrung

Zunächst stellte das Gericht klar, dass die Beklagte zur Belehrung über das Widerrufsrecht und das Muster-Widerrufsformular verpflichtet gewesen sei. Zur Verwendung der Muster-Widerrufsbelehrung sei der Unternehmer zwar nicht verpflichtet, jedoch könne sich der Unternehmer dann auch nicht auf die Privilegierung berufen. Wenn ein Unternehmer nicht die muster-Widerrufsbelehrung verwende, dürften die Angaben nicht hinter denen des Belehrungsmusters zurückbleiben. Das entsprechende Risiko trage er.

Nach diesen Vorschriften ist im Fernabsatz über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 II BGB sowie das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 zu Art. 246a § 1 EGBGB zu informieren.

Die Widerrufsbelehrung der Beklagten, die im Übrigen dem Muster der Anlage 1 zu Art. 246a § 1 EGBGB entspricht, enthält nicht die im Muster enthaltene Formulierung

„Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter Brief oder eine E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. Sie können dafür das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwenden, das jedoch nicht vorgeschrieben ist.“

Zwar ist die Verwendung des Belehrungsmusters nach Anlage 1 zu Art. 246a § 1 EGBGB optional, welche – bei dessen korrekter Anwendung – zu einer unwiderleglichen Vermutung einer rechtskonformen Widerrufsbelehrung geführt hätte (BeckOGK/Busch, 01.07.2023, Art. 246a § 1 EGBGB, Rdnr. 43, m.w.N.). Auf diese unwiderlegliche Vermutung kann sich die Beklagte nicht stützen, da sie die Musterbelehrung nicht vollständig wiedergegeben hat.

Verzichtet der Unternehmer auf die Verwendung der muster-Widerrufsbelehrung, so dürfen die Angaben jedenfalls nicht hinter den Informationen des Belehrungsmusters zurückbleiben (BeckOGK/Busch, 01.07.2023, Art. 246a § 1 EGBGB, Rdnr. 36).

Vorliegend hat die Beklagte nicht ausreichend über die Bedingungen und das Verfahren der Ausübung des Widerrufsrechts informiert.

Nicht über Form der Widerrufserklärung informiert

Ohne die fehlende Formulierung werde der Verbraucher nicht darüber informiert, dass er sein Widerrufsrecht mittels einer eindeutigen Erklärung ausüben kann, die nicht an eine bestimmte Form gebunden ist. Hierdurch werde die Ausübung des Widerrufsrechts für den Verbraucher erschwert.

Ohne den Zusatz

„Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter Brief oder eine E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren.“

wird der Verbraucher nicht hinreichend darüber aufgeklärt, dass er sein Widerrufsrecht mittels einer eindeutigen Erklärung, die nicht an eine bestimmte Form gebunden ist, ausüben kann. So wird er nicht ausreichend darüber informiert, dass er den Widerruf ggf. auch telefonisch oder per formloser E-Mail erklären könnte. Dadurch wird die Ausübung des Widerrufsrechts für den Verbraucher erschwert.

Verwendung des Muster-Widerrufsformulars ist freiwillig

Zudem werde der Verbraucher bei Fehlen der Formulierung nicht darüber informiert, dass die Verwendung des Muster-Widerrufsformulars nicht verpflichtend ist, wodurch die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher zusätzlich erschwert werde. Dieser Eindruck werde durch die von der Beklagten selbst gewählten Formulierung verstärkt.

Ohne den Zusatz

„Sie können dafür das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwenden, das jedoch nicht vorgeschrieben ist.“

wird der Verbraucher zudem nicht hinreichend darüber informiert, dass die Verwendung des beigefügten Muster-Widerrufsformulars für die Ausübung des Widerrufsrechts optional ist, wodurch die Ausübung des Widerrufsrechts für den Verbraucher erschwert wird.

Diese irreführenden Angaben werden verstärkt durch die von der Beklagten verwendeten Formulierung „Wenn Sie den Vertrag widerrufen wollen, dann füllen Sie bitte das nachfolgende Formular aus und senden es zurück“. Es besteht die Gefahr, dass der Verbraucher durch die Kombination der von der Beklagten verwendeten Formulierungen davon ausgeht, dass die Verwendung des Muster-Widerrufsrechts nicht optional, sondern vorgegeben ist. Die Gefahr bleibt auch bei Vorhandensein einer zusätzlichen Möglichkeit der Verwendung eines Online-Formulars bestehen.

Fazit

Wenn die Muster-Widerrufsbelehrung unverändert und nur so verwendet wird, wie es in den Gestaltungshinweisen vorgesehen ist, gilt die sog. „Privilegierung“. Das bedeutet, dass das vorgesehene Muster per Gesetz als ausreichend gilt, um Ihre Informationspflicht zum Widerrufsrecht zu erfüllen, und dass Ihnen keine rechtlichen Nachteile durch Fehler entstehen können, die das gesetzliche Muster eventuell enthält. Bereits kleine Abweichungen führen zum Entfall der Privilegierung, wie bereits auch der BGH entschieden hat. Das bedeutet noch nicht, dass die Widerrufsbelehrung falsch ist, sondern in einem solchen Fall trägt der Unternehmer das Risiko, dass seine Information den allgemeinen Anforderungen an eine korrekte Belehrung genügen. Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall.

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21.03.25