LG Bochum: Haftung für wettbewerbswidrige Bewertungen

Produktbewertungen sind sehr beliebt und beeinflussen die Kaufentscheidung vieler Verbraucher. Das LG Bochum (Urt. v. 21.11.2024 – 14 O 65/24) entschied nun zur Haftung des Onlinehändlers für unzulässige Werbeaussagen in Bewertungen.

Die Beklagte ist eine Rösterei und bewarb im Internet diverse Kaffeesorten mit der Angabe „bekömmlich“ und „magenschonend“. Daraufhin mahnte der Kläger, ein Wirtschaftsverband, die Beklagte ab. Die Beklagte gab im Mai 2024 eine Unterlassungserklärung dahin ab, diese Begriffe nicht mehr zu verwenden. Auf der Homepage der Beklagten können Kunden Rezessionen abgeben. Diese Bewertungsfelder befinden sich als Band am Ende einer Angebotsseite und bei Aufruf einzelner Artikel. Der Kläger rügte, dass in diesen Bewertungen für verschiedene Kaffeesorten die Angaben „bekömmlich“ und „magenschonend“ verwendet wurden. Die Bewertungen würden werblich genutzt, sodass die Verwendung der Begriffe, zu deren Unterlassung sich die Beklagte verpflichtet habe, ihr zuzurechnen sein. Er sah hierin einen Verstoß gegen das Unterlassungsversprechen und machte eine verwirkte Vertragsstrafe i.H.v. 5.000 € geltend.

Das LG Bochum entschied, dass dem Kläger der Anspruch auf die geltend gemachte Vertragsstrafe zustehe. Die Beklagte habe sich die entsprechenden Kundenbewertungen zu eigen gemacht und müsse sich diese zurechnen lassen.

Verstoß gegen Unterlassungserklärung

Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte gegen die Unterlassungserklärung verstoßen habe. In den Bewertungen sei der Begriff „bekömmlich“ verwendet worden. Diese Bewertungen habe sie sich werblich zu eigen gemacht.

Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 5.000,00 € wegen Verstoßes gegen die strafbewehrte Unterlassungserklärung.

Die Vertragsstrafe ist verwirkt. Die Beklagte hat sich strafbewehrt zur Unterlassung der Nutzung der Worte "magenschonend" und "bekömmlich" für die Bezeichnung der Eigenschaften der von ihr vertriebenen Artikel verpflichtet. Gegen diese Verpflichtung ist verstoßen worden, indem die Beklagte es zugelassen hat, dass in den Bewertungsdarstellungen zumindest der Begriff "bekömmlich" häufig verwendet wurde. Dies stellt einen Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung dar, denn die Beklagte macht sich diese Aussagen werbend zu eigen, sodass sie ihr zuzurechnen sind.

Kundenbewertungen zu eigen gemacht

Die Beklagte habe sich die entsprechenden Kundenbewertungen zu eigen gemacht und müsse sich diese zurechnen lassen.

Entgegen ihrer Auffassung muss sich die Beklagte diese Kundenrezessionen zurechnen lassen. Denn sie benutzt die Bewertungen werbend für ihre Produkte. Sie stellt sicher, dass der lesende Kunde erfährt, ob eine Bewertung von einem kaufenden Kunden stammt (verifizierter Kunde), sodass damit dessen Bewertung eine besondere Bedeutung gewinnt. Die Bewertungen sind eingestellt auf der Shopseite der Beklagten am Ende jeder Übersichtsseite und am Ende einer Produktinformationsseite. Das bedeutet, dass Kunden, die sich für eins der gelisteten Produkte interessieren und oder ein Produkt direkt aufrufen, die Bewertung anderer Kunden direkt lesen können. Das ist Werbung, in der mündlichen Verhandlung hat der Geschäftsführer der Beklagten angegeben, dass derartige Bewertungen von Kunden erwartet würden und sie sie deshalb eingestellt hätten. Damit ist für die Kammer eindeutig, dass die Beklagte diese Bewertungsmöglichkeit nicht nur zum eigenen Informationsgewinn geschaffen hat, sondern durch die Öffentlichkeit der Bewertungen Werbung für ihre Produkte machen und damit auch Entscheidungshilfen für andere Kunden geben möchte.

Nach alledem steht fest, dass durch die Bewertungen der Kunden mehrfach gegen die Unterlassungsverpflichtung verstoßen wurde. Da die Beklagte für diese Bewertungen eine Darstellungsmöglichkeit geschaffen hat und sie werbend nutzt, sind ihr diese Verstöße auch zuzurechnen.

Einwirkungspflicht auf den Anbieter

Die Beklagte versuchte, sich darauf zu berufen, dass sie das Bewertungstool eines Anbieters verwende und sie die Bewertungen nicht selbst betreue. Das Gericht stellte jedoch klar, dass sie in diesem Fall Einfluss auf den Anbieter nehmen müsse, um entsprechende problematische Bewertungen herauszunehmen oder zu verändern.

Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, sie habe keinen Einfluss auf die Bewertungen, sie könne sie weder ändern, noch herausnehmen, da sie über das Bewertungstool I. laufen. Sie kann sich nicht von ihrer Verantwortung für die von ihr gesetzte Werbung entziehen, indem sie ein Tool verwendet, dass über einen anderen Anbieter läuft und deshalb nicht von ihr betreut wird. In diesem Fall muss sie auf den Dienstleister, der dieses Tool betreut, Einfluss nehmen, damit dieser Bewerbungen, die im Hinblick auf Unterlassungsverpflichtungen problematisch sind, herausnimmt oder verändert, oder sie muss sich die Bewertungen so wie sie erscheinen eben zurechnen lassen.

5.000 € Vertragsstrafe nicht zu beanstanden

Zudem sei die Höhe der Vertragsstrafe i.H.v. 5.000 € nicht zu beanstanden.

Die Höhe der verlangten Vertragsstrafe ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Parteien hatten in dem Unterlassungsvertrag festgelegt, dass der Gläubiger die Vertragsstrafe nach billigem Ermessen bestimmen können soll. Das ist vorliegend geschehen, die Überprüfungsmöglichkeit der Kammer ersetzt diesen Ermessensgebrauch des Gläubigers nicht, sondern es ist ihr nur möglich, einen Ermessensfehlgebrauch zu beanstanden. Dieser lässt sich vorliegend nicht feststellen. Denn wie bereits dargelegt wird das Bewertungstool zur Werbung genutzt, derartige Bewertungen haben auch eine weitreichende Wirkung. Angesichts des Umstands, dass hier auf jeden Fall die Formulierung "bekömmlich" vielfach genutzt wurde, ist die Höhe der festgesetzten Vertragsstrafe im Ergebnis nicht ermessensfehlerhaft.

Fazit

Der BGH hat bereits zur Haftung für irreführende Produktbewertungen auf Amazon entschieden und hatte eine Haftung für das von Amazon bereitgestellte Bewertungssystem verneint. Gleichzeitig hatte der BGH klargestellt, dass der Fall anders zu entscheiden gewesen wäre, wenn die Funktion durch eigene oder gefälschte Bewertungen missbraucht oder aktiv mit den Kundenbewertungen geworben worden wäre. Genau so lag der Fall des LG Bochum. Die Beklagte nutzte die Bewertungsmöglichkeit zu Werbezwecken. Hier war die Kundenbewertung unweigerlich mit dem Angebot verbunden und sie hat – im Gegensatz zu Amazon –frei über den Einsatz entschieden. Sie hätte auf den Anbieter einwirken und problematische Bewertungen ändern oder löschen lassen müssen.

Zudem ist die fehlerhafte Kennzeichnung von Lebensmitteln häufig ein Grund für Abmahnungen. Sie müssen nicht nur die Vorgaben aus der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) beachten, sondern auch die HCVO, wenn Sie mit gesundheitsbezogenen Angaben werben. Bei diesen Vorschriften handelt es sich um Marktverhaltensregelungen i.S.v. § 3a UWG, die bei Verstößen abgemahnt werden können. Nicht nur für alkoholische Getränke (EuGHOLG StuttgartLG Frankfurt [Oder]LG Ravensburg), sondern auch für andere Lebensmittel haben die Gerichte bereits entschieden, dass es sich bei dem Begriff „bekömmlich“ um eine gesundheitsbezogene Angabe handelt (LG Düsseldorf, LG Dessau-Roßlau).

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11.04.25