OLG Hamburg: Nur bei Missbrauchsgefahr kein fliegender Gerichtsstand

Seit dem 2.12.2020 gilt bereits das neue Anti-Abmahngesetz, das auch den fliegenden Gerichtsstand bei Verstößen einschränkt, die in Telemedien oder im elektronischen Geschäftsverkehr begangen werden. Die Auslegung beschäftigt die Gerichte jedoch weiterhin. Das OLG Hamburg (Beschl. v. 22.5.2025 – 5 W 10/25) entschied nun, dass die Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands gem. § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht für solche Fälle gelte, in denen von einer besonderen Gefahr des Missbrauchs in Form eines massenhaften Vorgehens nicht auszugehen ist.

Die Antragstellerin macht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegenüber der Antragsgegnerin die Unterlassung eines im Online-Auftritt der Berliner Morgenpost veröffentlichten Artikels geltend, der einen Test von Matratzen zum Gegenstand hat. Das LG Hamburg (Beschl. v. 30.4.2025 – 416 HKO 52/25) hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der Begründung zurückgewiesen, dass eine örtliche Zuständigkeit in Hamburg nicht begründet sei. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde.

Das OLG Hamburg entschied, dass das LG Hamburg seine örtliche Zuständigkeit zu Unrecht verneint habe.

Vorinstanz entschied anders

Das LG Hamburg habe zutreffend entschieden, dass bei über das Internet verbreiteten Inhalten der Erfolgsort überall dort sei, wo der Inhalt abgerufen werden könne. Während sich das LG Hamburg dann allerdings auf § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG berief, der besagt, dass der fliegende Gerichtsstand nicht für Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäfts-verkehr oder in Telemedien gilt, und die Auffassung vertrat, dass diese Vorschrift sämtliche im Internet begangenen Verstöße erfasse, sprach sich das OLG Hamburg nun für eine einschränkende Auslegung des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG aus. Es nahm damit die örtliche Zuständigkeit an.

Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass mit dem Begehungsort i.S.d. § 14 Abs. 2 S. 2 UWG sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort gemeint ist (vgl. Feddersen in Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl., § 14 Rn. 16). Der Erfolgsort ist vorliegend auch Hamburg. Erfolgsort ist der Ort, an dem das durch die fragliche Norm geschützte Rechtsgut nach dem Vortrag des Anspruchstellers verletzt wurde. Bei über das Internet verbreiteten Inhalten ist der Erfolgsort überall dort, wo der Inhalt abgerufen werden kann (vgl. Senat Urt. v. 07.09.2023 – 5 U 65/22, GRUR-RS 2023, 27442 Rn. 26; Scholz in BeckOK UWG, 28. Ed., § 14 Rn. 51). Ob es darüber hinaus auf den bestimmungsgemäßen Abruf ankommt (vgl. BGH GRUR 2018, 935 Rn. 18 f. – goFit; BGH GRUR 2016, 1048 Rn. 18 – An Evening with Marlene Dietrich), kann offenbleiben, da sich der streitgegenständliche Artikel an ein bundesweites und nicht nur an ein regional begrenztes Publikum richtet.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts greift vorliegend nicht die Ausnahme des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG. Gem. § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG gilt § 14 Abs. 2 S. 2 UWG nicht für Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in digitalen Diensten nach § 1 Abs. 4 Nr. 1 des Digitale-Dienste-Gesetzes, es sei denn, der Beklagte hat im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand.

Einschränkende Auslegung geboten

Nach Ansicht des Gerichts sei § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG dahingehend auszulegen, dass von der Beschränkung des aus § 14 Abs. 2 S. 2 UWG resultierenden Wahlrechts jedenfalls diejenigen Fälle ausgenommen seien, in denen nicht von einer besonderen Gefahr des Missbrauchs in Form eines massenhaften Vorgehens auszugehen sei.

§ 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG ist dahingehend auszulegen, dass von der Beschränkung des Wahlrechts aus § 14 Abs. 2 S. 2 UWG im elektronischen Geschäftsverkehr und in digitalen Diensten diejenigen Fälle ausgenommen sind, in denen nicht von einer besonderen Gefahr des Missbrauchs in Form eines massenhaften Vorgehens auszugehen ist (vgl. Senat Urt. v. 07.09.2023 – 5 U 65/22, GRUR-RS 2023, 27442 Rn. 29; OLG Hamburg Beschl. v. 14.05.2024, Az. 3 U 78/23). Hieran ist auch mit Blick auf die geltende Fassung des § 14 Abs. 2 UWG festzuhalten. Die - vom Landgericht noch nicht berücksichtigte - Änderung des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG durch Artikel 21 des Gesetzes vom 06.05.2024 (BGBl. 2024 I Nr. 149), durch das der Begriff der „Telemedien“ durch den Begriff der „digitalen Diensten nach § 1 Absatz 4 Nummer 1 des Digitale-Dienste-Gesetzes“ ersetzt wurde, dient lediglich der Anpassung an die Terminologie des Gesetzes über digitale Dienste (DDG), das im Zuge der Durchführung der VO (EU) 2022/2065 (DSA) an die Stelle des Telemediengesetzes getreten ist (vgl. BT-Drs. 20/10031, S. 96; Feddersen in Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl., § 14 Rn. 7). Diese redaktionelle Folgeänderung führt zu keiner anderen Auslegung.

Diese besondere Gefahr des Missbrauchs in Form eines massenhaften Vorgehens sei vorliegend jedoch nicht gegeben.

Die besondere Gefahr des Missbrauchs in Form eines massenhaften Vorgehens ist vorliegend nicht gegeben. Die Antragstellerin macht geltend, dass bestimmte Angaben in einem Online-Artikel (Anlage K 1) irreführend i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4, § 5a UWG seien. Ob eine Irreführung über Testergebnisse vorliegt, bedarf einer Beurteilung des konkreten Einzelfalls (vgl. OLG Hamburg GRUR-RR 2019, 535 Rn. 54 ff.; Senat Urt. v. 15.11.2024, Az. 5 U 65/24; Bornkamm/Feddersen in Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl., § 5 Rn. 2.280 ff.).

Fazit

Das OLG Hamburg nimmt wie in einer bereits zuvor ergangenen Entscheidung an, dass die Regelung einschränkend auszulegen sei und der fliegende Gerichtsstand daher nicht für sämtliche im Internet begangenen Verstöße ausgeschlossen werde, sondern nur für solche, die eine besondere Missbrauchsgefahr in Form eines massenhaften Vorgehens aufweisen. Damit liegt es auf einer Linie mit dem OLG FrankfurtLG DüsseldorfLG Frankfurt und dem LG Hamburg. Eine andere Ansicht vertreten hingegen das OLG Düsseldorf und das LG Stuttgart.

10.06.25