Seit dem 28.5.2022 gelten mit § 5b Abs. 3 UWG neue Informationspflichten bei Bewertungen. Danach muss der Unternehmer darüber informieren, ob und wie er sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von Verbrauchern stammen, die die Waren tatsächlich genutzt oder erworben haben. Das LG Berlin (Urt. v. 29.8.2024 – 52 O 254/23) entschied nun, dass es sich hierbei um eine wesentliche Information handle, die der Verbraucher im Zeitpunkt der Anzeige der Bewertung benötige.
Im App-Store der Apple Distribution International Ltd erscheint bei Klick auf die entsprechende App die Beschreibung, die gleich zu Beginn eine Sternebewertung enthält. Durch Anklicken der Sternebewertung oder Scrollen gelangen Nutzer in der Produktbeschreibung zu der Überschrift „Bewertungen & Rezensionen“, unter der die Sternebewertung, der Durchschnittswert, die Anzahl der abgegebenen Bewertungen und eine Grafik zur Verteilung der Sternebewertung angezeigt werden. Über den Link „Alle anzeigen“ können alle abgegebenen Bewertungen eingesehen und sortiert werden.
Am Ende der Übersichtsseite über die angebotenen Apps sind die Nutzungsbedingungen des App Stores verlinkt, die die Nutzer akzeptieren müssen, um eine Apple-ID anzulegen und die Dienste der Beklagten nutzen zu können. In den Nutzungsbedingungen heißt es unter „Deine Beiträge zu Diensten“ im Rahmen der Richtlinien für das Einreichen und veröffentlichen von Beiträgen: „Apple überwacht oder prüft nicht, ob du einen Dienst genutzt oder Inhalte konsumiert hast, bevor du einen Kommentar, eine Bewertung oder eine Rezension zu diesem Dienst oder Inhalt abgibst.“
Der Kläger, der Bundesverband der Verbraucherzentralen vzbv, fordert Apple erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ab. Es erfolge im Rahmen der Werbung mit Bewertungen keine Information darüber, ob und wie die Beklagte sicherstelle, dass die veröffentlichten Bewertungen von solchen Verbrauchern stammen, die die Apps tatsächlich genutzt oder erworben haben, oder zumindest ein Hinweis darauf, wo diese Information gefunden werden könne.
Das LG Berlin entschied, dass dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zustehe. Es handle sich um eine wesentliche Information, die der Verbraucher im Zeitpunkt der Anzeige der Bewertung benötige. Der vzbv hat die Entscheidung veröffentlicht.
Das Gericht stellte klar, dass diese Informationen zu Bewertungen wesentlich seien, wenn solche zugänglich gemacht werden. Dies sei hier der Fall.
Bei der Information darüber, ob und wie ein Unternehmer sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von solchen Verbrauchern stammen, die die Waren oder Dienstleistungen tatsächlich genutzt oder erworben haben, handelt es sich gemäß § 5b Abs. 3 UWG um eine wesentliche Information i.S.d. § 5a Abs. 1 UWG, die erteilt werden muss, wenn Bewertungen zugänglich gemacht werden, die Verbraucher im Hinblick auf Waren oder Dienstleistungen vorgenommen haben.
Dies ist hier der Fall. Die Beklagte macht in ihren App-Angeboten Bewertungen zugänglich, die Verbraucher im Hinblick auf Waren vorgenommen haben
Ein Zugänglichmachen liegt vor, wenn der Unternehmer es Verbraucherinnen ermöglicht, ihre Produktbewertungen in seine Webseite oder eine sonstige Veröffentlichung einzustellen und damit von interessierten Verbrauchern wahrgenommen werden können (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 42. Aufl. 2024, UWG § 5b Rn. 4.3).
Die Beklagte habe ihre Informationspflicht nicht erfüllt. In der Produktbeschreibung fehle die entsprechende Information.
Die Beklagte hat ihren Nutzerlnnen eine wesentliche Information vorenthalten, indem sie nicht in der in Anlage K 4 abgebildeten Produktbeschreibung darüber informiert, ob und wie sichergestellt wird, dass die veröffentlichten Bewertungen von solchen Verbraucherinnen stammen, die die Dienstleistungen tatsächlich genutzt haben, oder zumindest in der Produktbeschreibung darauf hinweist, wo diese Information zu finden ist,
Ein Vorenthalten einer wesentlichen Information i.S.d. S 5a UWG liegt vor, wenn der Marktteilnehmer die Information nicht so enthält, dass er sie bei seiner geschäftlichen Entscheidung i.S.d. § 2 Abs. 7 Nr. 1 UWG berücksichtigen kann (BGH GRUR 2016, 1076 Rn. 27 -LGA tested; BGH GRUR 2018, 438 Rn. 32 f.- Energieausweis). Dem Vorenthalten gleichgestellt ist nach § 5a Abs 2 UWG ein verstecktes, verspätetes, unklares, unverständliches oder zweideutiges Bereithalten der Information,
Hieran gemessen liegt ein Vorenthalten vor. Vorliegend sind die Kundenbewertungen in der Produktbeschreibung der jeweiligen App angezeigt. Ein Hinweis darauf, ob und wie die Beklagte sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von solchen Verbrauchern stammen, die die Apps tatsächlich genutzt oder erworben haben, findet sich darin nicht.
Die Beklagte versuchte sich damit zu verteidigen, dass der entsprechende Hinweis in ihren Nutzungsbedingungen ausreiche, um der Verpflichtung zur Information des Verbrauchers über die Maßnahmen zur Sicherstellung der Echtheit der Bewertungen zu erfüllen. Dieser Auffassung folgte das Gericht nicht. Auch ohne genaue gesetzliche Vorgabe zum Ort der Angabe, müsse sie vor Treffen der geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers erfolgen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Hinweis in den Nutzungsbedingungen nicht ausreichend, um die Informationspflicht zu erfüllen.
Dies folgt zum einen aus der Systematik der Vorschriften des §§ 5a, 5b UWG. Es kann entgegen der Auffassung der Beklagten nicht überzeugen, dass der Gesetzgeber im Rahmen des § 5b Abs. 3 UWG bewusst darauf verzichtet hat, klarzustellen, wo der Hinweis zu erteilen ist. Zwar ist anders als in § 5b Abs 2 UWG in § 5b Abs. 3 UWG nicht angegeben, dass der Hinweis über das Ob und Wie der Maßnahmen zur Sicherstellung der Echtheit der Bewertungen unmittelbar und leicht zugänglich sein muss. Aufgrund des Fehlens von Informationen im Gesetzestext ist aber nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass diese bewusst weggelassen wurden, sondern vielmehr davon, dass diese durch den umstehenden ergänzenden Gesetzestext entsprechend ausgefüllt werden. Aus der Verbindung mit § 5a Abs. 1, 2 UWG, in dessen Rahmen der Hinweis eine wesentliche Information darstellt, geht eindeutig hervor, dass der Hinweis vor Treffen der geschäftlichen Entscheidung zu erfolgen hat. § 5b Abs. 3 UWG verdrängt dabei auch nicht als lex specialis die Regelung des § 5a Abs 1, 2 UWG, denn § 5b Abs. 3 UWG stellt nur klar, was im Rahmen des § 5a Abs. 1 UWG als wesentliche Information anzusehen ist.
Der Verbraucher benötige die Information im Zeitpunkt der Anzeige der Kundenbewertung. Entscheidend sei die jeweilige Beschreibung der App und nicht die Nutzungsbedingungen. Diese müssten die Nutzer zwar akzeptieren, allerdings sei nicht davon auszugehen, dass Verbraucher diese umfassend studieren.
Zum anderen folgt dies aus dem Zweck der Vorschrift. § 5b UWG dient der Umsetzung des Art. 7 IV UGP-RL und ist dementsprechend richtlinienkonform auszulegen. Die Vorschrift bezweckt den Schutz des Verbrauchers. Die darin geregelten Informationspflichten des Unternehmers sollen es dem Verbraucher ermöglichen, eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen(§ 5a Abs. 7 Nr. 1 UWG), und ihn davor bewahren, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (§ 5a Abs. Nr. 2 UWG) (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Kohler/Feddersen, 42. Auf. 2024, UWG § 5b Rn. 2.2). Entsprechend ist für die Informationsübermittlung auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Marktteilnehmer die Information für die jeweils zu treffende informierte geschäftliche Entscheidung benötigt (BeckOK IT-Recht/Janal, 14. Ed. 1.4.2024, UWG § 5a Rn. 8). Im Falle des § 5b Abs. 3 UWG ist der Zeitpunkt der Anzeige der Kundenbewertungen entscheidend (BeckOK IT-Recht/Janal, 14. Ed. 1,4.2024, UWG § 5a Rn. 8). Entsprechend ist auf Anzeige der Kundenbewertungen in den jeweiligen Beschreibungen der App und nicht auf die Nutzungsbedingungen der Beklagten abzustellen. Zwar müssen die NutzerInnen die Nutzungsbedingungen der Beklagten akzeptieren, bevor sie den App-Store der Beklagten nutzen können. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass durchschnittlich aufmerksame, verständige und informierte VerbraucherInnen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen umfassend studieren, vielmehr werden sie in der Regel gar nicht gelesen (vgl. LG Berlin, Urteil vom 27.1.2022 - 16 O 62/21, MMR 2022, 799 Rn. 37, 46). Es ist – entgegen der Auffassung der Beklagten – VerbraucherInnen auch nicht zuzumuten, in solchen Rubriken nach wesentlichen Informationen zu suchen, weil damit nicht zu rechnen ist (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 7. Februar 2023-- 6 U 55/22-, Rn. 42, juris; LG Berlin, Urteil vom 27.1.2022 -16 O 62/21, MMR 2022, 799 Rn. 37).
Die Beklagte versuchte ebenfalls, einen Vergleich zu Empfehlungssystemen nach dem Digital Services Act (VO [EU] 2022/2065; DSA) zu ziehen, wonach die entsprechenden Parameter in den AGB angegeben werden müssen. Das Gericht stellte jedoch klar, dass es sich vorliegend um Werbung und nicht um ein Empfehlungssystem i.S.d. DSA handle.
Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang auf Art. 27 der Verordnung (EU) 2022/1065 (Digiial Services Act, DSA) verwiesen hat, ist dies auf die hiesige Situation nicht übertragbar, weil es sich vorliegend um Werbung handelt, auf die Art. 27 DSA nicht anwendbar ist.
Der europäische Gesetzgeber differenziert zwischen Werbung (Art. 3 lit. r) DSA) und Empfehlungssystemen (Art. 3 lit. s) DSA). Art. 27 DSA, wonach Anbieter von Online-Plattformen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen in klarer und verständlicher Sprache die wichtigsten Parameter, die in ihren Empfehlungssystemen verwendet werden, darlegen müssen, gilt nur für Empfehlungssysteme i.S.d. Art. 3 lit s) DSA, während Werbung auf Online-Plattformen in, Art. 26 DSA geregelt ist. Art. 26 DSA sieht im Gegensatz zu Art 27 DSA vor, dass Anbieter von Online-Plattformen für jede einzelne Werbung, die den Nutzern dargestellt wird, „in klarer, präziser und eindeutiger Weise in Echtzeit (...) aussagekräftige, über die Werbung direkt und leicht zugängliche Informationen über die wichtigsten Parameter zur Bestimmung der Nutzer, denen die Werbung angezeigt wird, und darüber, wie diese Parameter unter Umständen geändert werden können". Bei Werbung – wie hier – ist ein Hinweis in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen – im Gegensatz zu Art. 27 DSA – auch nach dem DSA nicht ausreichend.
Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass ein Hinweis in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen grundsätzlich ausreichend wäre, wäre der Hinweis unter der Überschrift „Deine Beiträge zu Diensten“ nicht ausreichend. Denn dort werden die VerbraucherInnen angesprochen, die Beiträge erstellen, nicht hingegen die Verbraucherlnnen, die eine App erwerben möchten. Diese rechnen nicht damit, die Information über das Ob und Wie der Maßnahmen der Beklagten in einem Abschnitt über das Verfassen von Beiträgen zu finden.
Das LG Berlin sieht das Fehlen der Informationen auch als geeignet an, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte. Bewertungen anderer Nutzer seien für viele Verbraucher eine wichtige Informationsquelle. Gerade der Hinweis auf eine fehlende Überprüfung der Beiträge erwecke bei Durchschnittsverbrauchern eine kritische Grundeinstellung in Bezug auf die abgegebenen Bewertungen.
Im Wege der richtlinienkonformen Auslegung sind dabei alle Umstände des konkreten Falles zu berücksichtigen und zu fragen, ob der Verbraucher die Information benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und ob er voraussichtlich eine andere geschäftliche Entscheidung getroffen hätte, wenn er über die betreffende Information verfügt hätte (Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 42. Aufl. 2024, § 5a UWG, Rn. 246f.). Hierbei ist auf den Durchschnittsverbraucher abzustellen, der angemessen gut unterrichtet und angemessen aufmerksam und kritisch bzw. verständig ist (ygl. EuGH, Urteil v. 26. Oktober 2016- C-611/14-, juris Rn. 57- Canal Digital). Der Hinweis darauf, dass die Beiträge nicht gesondert überprüft werden und somit auch Mitarbeitende oder Inhaber der Unternehmen Beiträge verfassen können, ist eine notwendige Information, die Verbraucherlnenn benötigen, um eine informierte Entscheidung zu treffen. Bewertungen und Erfahrungen anderer Nutzerlnnen mit einem Unternehmen sind für viele Verbraucherlnnen eine wichtige Informationsquelle. Positive oder negative Bewertungen fließen in nicht unerheblichem Umfang in die Entscheidung über den Erwerb einer App ein. Der Hinweis auf die Nicht-Prüfung der Beiträge erweckt bei Durchschnittsverbraucherinnen eine kritische Grundeinstellung in Bezug auf die abgegebenen Bewertungen und halt diese unter Umständen von dem Erwerb einer App ab.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
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