Noch immer sind Desinfektionsmittel stark nachgefragt. Hierbei handelt es sich jedoch um Produkte, für die neben speziellen Kennzeichnungsvorschriften auch besondere Vorgaben für die Werbung gelten. Im Juni hatte der EuGH auf Vorlage des BGH entschieden, dass es unzulässig sei, Desinfektionsmittel als „hautfreundlich“ zu bewerben. Nun hat der BGH (Urt. v. 10.10.2024 – I ZR 108/22) in dieser Frage entschieden.
Die Beklagte, eine Drogeriemarktkette, bewarb auf ihrer Internetseite ein Desinfektionsmittel mit der Aussage „ökologisches Universal-Breitband-Desinfektionsmittel“. Neben dieser Aussage waren zudem auf dem Etikett die Angabe „Hautfreundlich“ und „Bio“ zu lesen. Die Klägerin, die Wettbewerbszentrale, mahnte sie wegen dieser Darstellung ab. Die Beklagte zahlte weder die Abmahngebühren noch gab sie die geforderte Unterlassungserklärung ab. Der Hersteller des Produkts ist dem Streit im Laufe des Verfahrens als Nebenintervenient beigetreten.
Das LG Karlsruhe hatte die Beklagte zur Unterlassung verurteilt. Die beanstandeten Werbeaussagen seien irreführend und verstießen gegen die Biozid-VO. Auf die Berufung der Beklagten hin hatte das OLG Karlsruhe entschieden (Urt. v. 6.2.2022- 6 U 95/21), dass der Begriff „hautfreundlich“ kein „ähnlicher“ und damit ein zulässiger Begriff im Sinne des Art. 72 Abs. 3 S. 2 Biozid-VO sei und wies die eingelegte Berufung zurück.
Mit ihrer anschließenden Revision verfolgt die Klägerin ihren Unterlassungsantrag hinsichtlich der Werbeaussage „hautfreundlich“ weiter. Der BGH (Vorlagebeschluss v. 20.4.2023 – I ZR 108/22) hatte das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die entsprechende Frage zur Auslegung des Art. 72. Abs. 3 Biozid-VO dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Bei Desinfektionsmitteln handelt es sich um Biozidprodukte. Sie fallen daher in den Anwendungsbereich der Biozid-VO (VO [EU] Nr. 528/2012). Anhang V der Verordnung enthält eine Liste der unter diese Verordnung fallenden Arten von Biozidprodukten mit ihrer Beschreibung. Zur Hauptgruppe 1 zählen Desinfektionsmittel.
Neben den allgemeinen Vorschriften gelten mit Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO zusätzliche Anforderungen an die Werbung für Biozide. Danach darf das Produkt nicht in einer Weise dargestellt werden, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist und diese verharmlost.
(3) In der Werbung für Biozidprodukte darf das Produkt nicht in einer Art und Weise dargestellt werden, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist. Die Werbung für ein Biozidprodukt darf auf keinen Fall die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise enthalten.
Der EuGH entschied, dass die Bewerbung eines Biozidprodukts als „hautfreundlich“ dazu geeignet sei, etwaige schädliche Nebenwirkungen zu relativieren bzw. sogar andeute, dass das entsprechende Produkt für die Haut sogar nützlich sein könne. Eine solche Angabe sei nach Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO irreführend und unzulässig.
Der BGH schließt sich der Entscheidung des EuGH an. Das Urteil ist noch nicht im Volltext verfügbar, das Gericht hat jedoch bereits eine Pressemitteilung veröffentlicht. Die Revision der Klägerin vor dem BGH hatte Erfolg. Das Gericht hat das Berufungsurteil des OLG Karlsruhe aufgehoben, soweit es zum Nachteil der Klägerin ausgefallen war und die stattgebende Entscheidung des LG Karlsruhe wiederhergestellt. Die Angabe „hautfreundlich“ zur Bezeichnung eines Desinfektionsmittels falle als „ähnlicher Hinweis“ unter das Verbot des Art. 72 Abs. 3 S. 2 Biozid-VO. Die Angabe „hautfreundlich“ hebe eine positive Eigenschaft des beworbenen Desinfektionsmittels hervor und sei dadurch geeignet, die Risiken des Biozidprodukts zu verharmlosen.
Die Revision hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben, soweit es zum Nachteil der Klägerin ausgefallen war und die stattgebende Entscheidung des Landgerichts wiederhergestellt. Die Angabe "Hautfreundlich" zur Bezeichnung eines Desinfektionsmittels fällt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts als "ähnlicher Hinweis" unter das Verbot des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Biozidverordnung. Der Klägerin steht daher unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1, § 3a UWG ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu. Die Angabe "Hautfreundlich" hebt eine positive Eigenschaft des beworbenen Desinfektionsmittels hervor und ist dadurch geeignet, die Risiken des Biozidprodukts zu verharmlosen. Die Betonung der positiven Eigenschaft steht zudem im Widerspruch zu dem von der Biozidverordnung verfolgten Ziel, den Einsatz von Biozidprodukten zu minimieren.
Kundinnen und Kunden unserer Legal Produkte finden in Ihrem Legal Account zu allen rechtlich problematischen und abmahnanfälligen Themen praxisorientierte Handbücher, Schulungen und verständliche Whitepaper, selbstverständlich auch zum Vertrieb von Bioziden.
OLG Hamburg: Kündigungsbutton bei Dauerschuldverhältnissen mit Einmalzahlung nicht erforderlich
OLG Hamburg: „Kündigungsabsicht abschicken“ als Beschriftung für Kündigungsbutton unzureichend
LG Flensburg: Kein verlängertes Widerrufsrecht wegen fehlender Telefonnummer in Belehrung