Bestimmte Waren sind momentan heiß begehrt – hierzu zählen auch Desinfektionsmittel. Die Nachfrage stieg in den letzten Wochen auf das Achtfache des üblichen Niveaus. Bei Desinfektionsmitteln handelt es sich allerdings um Produkte, für deren Vertrieb neben speziellen Kennzeichnungsvorschriften momentan auch Besonderheiten bei der Preisgestaltung zu beachten sind.
Desinfektionsmittel sind Biozidprodukte
Bei Desinfektionsmitteln handelt es sich um Biozidprodukte. Sie fallen daher in den Anwendungsbereich der Biozid-VO (VO [EU] Nr. 528/2012). Anhang V der Verordnung enthält eine Liste der unter diese Verordnung fallenden Arten von Biozidprodukten mit ihrer Beschreibung. Zur Hauptgruppe 1 zählen Desinfektionsmittel.
Erfasst werden u.a.
- Desinfektionsmittel zur menschlichen Hygiene (Produktart 1),
- Desinfektionsmittel und Algenbekämpfungsmittel, die nicht für eine direkte Anwendung bei Menschen und Tieren bestimmt sind (Produktart 2),
- Produkte für die Hygiene im Veterinärbereich (Produktart 3),
- Produkte zur Desinfektion im Lebens- und Futtermittelbereich (Produktart 4) und
- solche zur Desinfektion von Wasser (Produktart 5).
Hinweis in jeder Werbung
Bei jeder Werbung für ein Biozid-Produkt muss gem. Art. 72 Abs. 1 Biozid-VO folgender Hinweis hinzugefügt werden:
Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformationen lesen.
Diese Sätze müssen sich von der eigentlichen Werbung deutlich abheben und gut lesbar sein. Zudem darf das Wort „Biozidprodukte“ in dem Hinweis durch den eindeutigen Verweis auf die beworbene Produktart, z.B. „Desinfektionsmittel“ ersetzt werden.
Keine Verharmlosung
Weitere Anforderungen an die Werbung für Biozide enthält Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO. Danach darf das Produkt nicht in einer Weise dargestellt werden, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist und diese verharmlost.
(3) In der Werbung für Biozidprodukte darf das Produkt nicht in einer Art und Weise dargestellt werden, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist. Die Werbung für ein Biozidprodukt darf auf keinen Fall die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise enthalten.
Weitere Kennzeichnung
Zudem enthält die Biozid-VO in Art. 69 Abs. 2 Vorgaben, die auf dem Produktetikett eingehalten werden müssen. Diese betreffen zwar die physische Kennzeichnung, aber auch ohne besondere Kennzeichnungsvorgaben besteht für Unternehmer im Fernabsatz die Pflicht, über die wesentlichen Eigenschaften der Ware zu informieren. Hierzu gehören jedenfalls die folgenden Punkte
- Bezeichnung jedes Wirkstoffs und seine Konzentration in metrischen Einheiten,
- der Hinweis, ob das Produkt Nanomaterialien enthält sowie auf mögliche sich daraus ergebende Risiken und nach jedem Hinweis auf Nanomaterialien das Wort „Nano“ in Klammern,
- Name und Anschrift des Zulassungsinhabers,
- die Anwendungen, für die das Biozidprodukt zugelassen ist,
- Gebrauchsanweisung, Häufigkeit der Anwendung und Dosierung,
- Besonderheiten möglicher unerwünschter, unmittelbarer oder mittelbarer Nebenwirkungen,
- die Kategorie von Verwendern, die das Biozidprodukt verwenden dürfen.
Angabe der Gefahreigenschaften
Neben der Biozid-VO muss zudem die CLP-VO (VO [EG] Nr. 1272/2008; CLP = Regulation on Classification, Labelling und Packing of Substances and Mixtures) beachtet werden. Hiernach muss zwischen als gefährlich eingestuften Stoffen und als gefährlich eingestuften oder durch die Verordnung besonders geregelten Gemischen unterschieden werden.
Nach Art. 48 Abs. 2 CLP-VO besteht die Pflicht, bei als gefährlich eingestuften oder durch Art. 25 Abs. 6 geregelten Gemischen die auf dem Kennzeichnungsetikett angegebenen Gefahreneigenschaften anzugeben.
(2) Jegliche Werbung für als gefährlich eingestufte oder durch Artikel 25 Absatz 6 geregelte Gemische, die es einem privaten Endverbraucher ermöglicht, ohne vorherige Ansicht des Kennzeichnungsetiketts einen Kaufvertrag abzuschließen, muss die auf dem Kennzeichnungsetikett angegebene(n) Gefahreneigenschaft(en) nennen.
Hierzu zählen
- die Gefahrenpiktogramme gem. Art. 18 CLP-VO,

Bsp. für entzündbare Flüssigkeiten
- die Signalwörter gem. Art. 20 CLP-VO,
Das relevante Signalwort „Achtung“ oder „Gefahr“ muss entsprechend der Einstufung angegeben werden.
- die Gefahrenhinweise nach Art. 21 CLP-VO,
Bsp. H226: Flüssigkeit und Dampf entzündbar
- die Sicherheitshinweise nach Art. 22 CLP-VO und
Bsp. P210: Von Hitze, heißen Oberflächen, Funken, offenen Flammen und anderen Zündquellen fernhalten. Nicht rauchen.
- wo zutreffend ergänzende Informationen gem. Art. 25 CLP-VO.
Welche konkreten Gefahreneigenschaften anzugeben sind, hängt von dem angebotenen Produkt ab.
Wie müssen diese Angaben erfolgen?
Diese Informationen müssen dem Verbraucher vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung stellen. Die entsprechenden Informationen sollten Sie daher direkt auf der Produktseite erteilen.
Zudem bestimmt § 4 Abs. 3 GefStoffV, dass die Kennzeichnung von Stoffen und Gemischen, die in Deutschland in den Verkehr gebracht werden, in deutscher Sprache erfolgen muss.
Verbot von Wucherpreisen
Zunächst einmal sind Sie in Ihrer Preisgestaltung frei. Ihre Grenze findet diese Freiheit jedoch in § 138 Abs. 2 BGB, dem Tatbestand des Wuchers.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
Von dem Begriff der Zwangslage wird u.a. das zwingende Bedürfnis nach einer Leistung wegen einer erheblichen Bedrängnis erfasst. Hierunter fallen auch gesundheitliche Gefährdungen. Diese Anforderungen könnte auch die gesundheitliche Gefährdung der Bevölkerung durch die Corona-Pandemie erfüllen.
Wann genau dieses „auffällige Missverhältnis“ zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt, lässt sich nicht starr bestimmen. Es ist darauf abzustellen, ob dieses Missverhältnis im konkreten Fall so groß ist, dass die Grenze dessen, was sich nach den Gesamtumständen noch rechtfertigen lässt, überschritten ist (OLG München, Urt. v. 19.3.2014 – 20 U 5031/13). Dies ist in der Regel der Fall, wenn der objektive Wert von Leistung und Gegenleistung um etwa mehr als 100 % voneinander abweichen (Wendtland, in: BeckOK BGB, § 138 BGB, Rn. 47). Entscheidend ist jedoch auch hier der konkrete Einzelfall.
Rechtsfolge eines wucherischen Rechtsgeschäfts ist grundsätzlich seine Nichtigkeit.
Gleichzeitig begründet ein Verstoß gegen § 138 Abs. 2 BGB einen Wettbewerbsverstoß und kann abgemahnt werden.
Vorsicht auf Verkaufsplattformen
Was Sie zudem bei einem Verkauf auf eBay, Amazon oder anderen Plattformen beachten müssen: Die Richtlinien der Verkaufsplattformen legen meist fest, dass Angebote mit überteuerten und unfairen Preisen nicht erlaubt sind. Als mögliche Sanktionen der Plattformbetreiber kommen in solchen Fällen z.B. das Beenden von Angeboten, weniger Sichtbarkeit in den Suchergebnissen, Einschränkungen beim Kaufen und Verkaufen bis hin zur Kontosperrung in Betracht.
Fazit
Für Desinfektionsmittel bestehen zahlreiche Kennzeichnungs- und Informationspflichten, die Sie beachten müssen. Zudem ist die Versuchung, einen hohen Preis zu verlangen, momentan sehr hoch. Hierbei müssen Sie darauf achten, dass Sie nicht die Grenze des Wuchers überschreiten. In einem solchen Fall ist nicht nur der Vertrag nichtig, sondern Sie handeln zugleich wettbewerbswidrig und laufen Gefahr, dass auf Verkaufsplattformen Ihr Konto gesperrt wird.
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Wucher: (…) verlangt 8 Euro für eine Flasche 100ml. Normal sind 1 Euro. Wucher?
Der offenbar neue Shop wird mit Ihnen “Rechtstexter in Kooperation mit FÖHLISCH Rechtsanwälte.” Schon komisch
Offensichtliche Fälle von Corona -Wucher können Verbraucher hier melden – der vzbv prüft und geht ggf dagegen vor: https://www.marktwaechter.de/mitmachen/beschwerdeformular. Der Hinweis auf den Rechtstexter und meine Kanzlei ist keine Werbung, sondern ein Urheberrechtshinweis bei kostenfreier Nutzung des Rechtstexters, die jedem freisteht (www.rechtstexter.de) Es wird nicht kontrolliert, ob jeder, der sich solche Texte generiert, alle rechtlichen Bestimmungen einhält, dies ist bei einem kostenfreien Angebot leider nicht möglich.
Da steht bei einem Desinfektionsmittel, es sei trinkbar, bestehe ja nur aus einem Salzgemisch. Markenname Solvid, (…). Der verkauft munter mit Hinweis: Lieferung Ende April bis Mitte Mai. Und schreibt mir, er brauche keine Genehmigungen. Ist das so?
Im Zweifel sollten Sie so ein Angebot bei der Plattform melden, zB hier https://www.ebay.de/help/policies/prohibited-restricted-items/reporting-price-gouging-ebay?id=5105
Sehr geehrter Dr. Föhlisch,
sehr geehrter Fragensteller,
als Hersteller des Produktes SOLVID ist uns bewusst, dass sich gerade auf ebay unseriöse Wiederverkäufer unseres Produktes ihr Unwesen treiben. Das Proukt ist in der Tat nicht toxisch, jedoch ist eine solche Aussage kritisch gesehen werden. Es handelt sich bei dem Produkt jedoch nicht um “nur ein Salzgemisch”, die genauen Inhaltsstoffe können im Sicherheitsdatenblatt in der FAQ Sektion unseres Onlineshops solvid.eu eingesehen werden. Um sicher zu gehen, sollten Sie das Produkt nur dort beziehen, da bei Ebay nicht sichergestellt ist, ob Sie auch tatsächlich unser Produkt erhalten.
Mit freundlichem Gruß
Ihr ecabiotec Team
Gut zu wissen! Danke für die Hinweise!
Vielen Dank für den tollen Artikel! Vieles war mir nicht bewusst. Ich finde es schrecklich, wie gerade versucht wird, an der Panik der Menschen Geld zu verdienen. Man muss nur mal auf ebay nach “Sterillium” suchen! Selbst nutze ich Desinfektionsmittel, da ich in einem Krankenhaus in der Verwaltung arbeite. Von daher bin ich zum Glück nicht auf solche Händler angewiesen. Das sollte man unterbinden! LG, Sabine
Leider werden in Deutschland und in der EU Wucherpreise nicht wirklich verfolgt. Gestern habe ich in einem Geschäft gesehen: 500ml Desinfekionsmittel 53 Euro. Wo ist in diesem Fall der Staat und ahndet ein solches Verhalten.
Hallo Herr Dr. Fröhlich,
wäre es erlaubt Desinfektionsmittel selbst zu mischen (nach Rezeptur der WHO) und dieses zu verschenken? Oder benötigt man in diesem Fall bereits eine Zulassung?
Würde mich über eine Antwort sehr freuen!
Das wäre erlaubt, nur muss man gleichwohl die Gefahrstoffkennzeichnung vornehmen.
Wenn man als gewerblicher Verkäufer hierzulande aus Asien importiertes Desinfektionsmittel auf Ethanolbasis in Verkehr bringen will, muss man dieses dann zuvor über das BAuA zulassen bzw. registrieren lassen?
Bevor ein Biozidprodukt auf dem Markt bereitgestellt und verwendet werden, darf muss es grundsätzlich zugelassen werden. Für sog. „Altwirkstoffe“, die im Anhang II der VO (EU) Nr. 1062/2014 aufgelistet sind, gelten unter Umständen Übergangsregelungen. Sie dürfen bis zur Entscheidung über die Genehmigung oder Nichtgenehmigung der enthaltenen Wirkstoffe ohne Zulassung in den Verkehr gebracht und verwendet werden. Wenn ihr Produkt hiervon erfasst wird, ist eine Meldung nach der Biozid-Meldeverordnung und eine Meldung beim Bundesinstitut Für Risikobewertung (BfR) für die Giftinformationsdatenbank erforderlich. Daneben muss das Produkt natürlich korrekt eingestuft, verpackt, gekennzeichnet und beworben werden. Eine Liste genehmigter und nicht genehmigter Wirkstoffe hält das die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (baua) auf ihren Seiten bereit.
Am 9.4.2020 wurde zudem eine Allgemeinverfügung erlassen, die Ausnahmen von der Zulassung für bestimmte Hände- und Flächendesinfektionsmittel vorsieht, um die starke Nachfrage zu decken, u.a. auch zu Ethanol-haltigen Produkten. Dort werden auch die erfassten Rezepturen aufgelistet und ihr Produkt könnte hierunter fallen.
Wenn ihr Produkt nicht von diesen Regelungen erfasst wird, ist für die Zulassung die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (baua) zuständig.
Hallo Herr Föhlisch,
meines Wissens fallen nur die nach der geltenden Ausnahmeregelung der BAUA hergestellten Händedesinfektionsmittel unter die Biozidverordnung.
Regelhaft hergestellte Desinfektionsmittel (z.B. das typische blaue St…. von Bo…) sind Arzneimittel gemäß AMG und unterliegen demnach schärferen Regelungen.
Sehe ich das richtig?
Grüße und bleiben Sie gesund!
Es ist wichtig zu wissen, dass Desinfektionsmittel aufgrund der Coronavirus-Pandemie derzeit stark nachgefragt werden, aber es gibt besondere Vorschriften und Preisanforderungen, die für ihren Verkauf befolgt werden müssen. Desinfektionsmittel fallen unter die Biozid-Verordnung, in der verschiedene Arten von Biozid-Produkten aufgeführt sind, darunter solche für die menschliche Hygiene, die Veterinärmedizin und die Desinfektion in verschiedenen Branchen. Die Einhaltung dieser Vorschriften ist entscheidend für die sichere und wirksame Verwendung von Desinfektionsmitteln.