Bei Desinfektionsmitteln handelt es sich um Produkte, für die neben speziellen Kennzeichnungsvorschriften auch besondere Vorgaben für die Werbung gelten. Eine falsche Kennzeichnung ist häufig ein Grund für Abmahnungen. Das LG Essen (Urt. v. 19.5.2022 – 43 O 51/21) entschied nun, dass es irreführend und nach der Biozid-VO unzulässig sei, ein Desinfektionsmittel als „hautfreundlich“, „natürlich“ und „hautpflegend“ zu bewerben. Zudem sei es unlauter, wenn der für Biozide erforderliche Warnhinweis fehle.

Die Beklagte bewarb in ihrem Online-Shop das Desinfektionsmittel „hand sanitizer“ u.a. als „I – wirkt gegen viren und bakterien, pflegt die haut und spendet feuchtigkeit. 99,6 % natürliche inhaltsstoffe. mit 70 % bioethanol. (6+45 ml)“, als „feuchtigkeitsspendend“ und als „natürlichen feuchtigkeitsspender“. Die Klägerin, die Wettbewerbszentrale, mahnte sie wegen dieser Darstellung ab. Die Beklagte zahlte weder die Abmahngebühren noch gab sie die geforderte Unterlassungserklärung ab.

Das LG Essen hat die Beklagte zur Unterlassung verurteilt. Es fehle der für Biozide erforderliche Warnhinweis und die beanstandeten Werbeaussagen verstoßen gegen die Biozid-VO.

Rechtlicher Hintergrund

Bei Desinfektionsmitteln handelt es sich um Biozidprodukte. Sie fallen daher in den Anwendungsbereich der Biozid-VO (VO [EU] Nr. 528/2012). Anhang V der Verordnung enthält eine Liste der unter diese Verordnung fallenden Arten von Biozidprodukten mit ihrer Beschreibung. Zur Hauptgruppe 1 zählen Desinfektionsmittel.

Neben den allgemeinen Vorschriften gelten mit Art. 72 Biozid-VO zusätzliche Anforderungen an die Werbung für Biozide. Nach Abs. 1 ist folgender Hinweis bei jeder Werbung erforderlich: „Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformationen lesen.

Nach Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO darf das Produkt nicht in einer Weise dargestellt werden, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist und diese verharmlost.

(3) In der Werbung für Biozidprodukte darf das Produkt nicht in einer Art und Weise dargestellt werden, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist. Die Werbung für ein Biozidprodukt darf auf keinen Fall die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise enthalten.

Kein Kosmetikprodukt

Das Gericht stellte zunächst klar, dass es sich bei dem beworbenen Produkt um ein Biozid- und nicht um ein Kosmetikprodukt handle.

Der ausschließliche und überwiegende Zweck des Produkts der Beklagten besteht nicht darin, die menschliche Haut an den Händen zu reinigen, zu parfümieren, zu schützen oder sie in gutem Zustand zu halten. Der “hand sanitizer” (engl. Handdesinfetionsmittel/Händedesinfektinsmittel) enthält nach den werblichen Aussagen den “Hauptinhaltsstoff’ Bioethanol, welcher in seiner Wirkung die Viren und Bakterien beseitigt. Diese desinfizierende Wirkung geht über eine bloße Reinigung der Hände (etwa mit Seife), über eine Parfümierung, einen Schutz oder eine Pflege der Hände hinaus. Der überwiegende Zweck des Produkts ist insoweit kein kosmetischer. Die Ausnahme des Art. 72 Abs. 2 S. 1 lit. j) Biozid-VO ist deshalb nicht einschlägig. Das Produkt ist nach dem Vorstehenden auch nicht als dualuse Produkt zu klassifizieren, sondern als reines Biozidprodukt.

Fehlender Biozid-Hinweis

Bei Biozidprodukten ist nach Art. 72 Abs. 1 Biozid-VO bei jeder Werbung der Hinweis „Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformationen lesen.“ erforderlich. Dieser fehlte.

Die in Rede stehende Werbung verstößt gegen Art. 72 Abs. 1 S. 1 Biozid-VO. Nach der genannten Vorschrift ist jeder Werbung für Biozidprodukte folgender Hinweis hinzuzufügen: “Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformation lesen.” Diese Sätze müssen sich von der eigentlichen Werbung deutlich abheben und gut lesbar sein, Art. 72 Abs. 1 S. 2 Biozid.-VO. Einen solchen Hinweis enthält die Werbung der Beklagten nicht.

Irreführung über die Risiken des Biozids

Zudem sieht die Biozid-VO in Art. 72 Abs. 3 für die Werbung ausdrücklich vor, dass Biozidprodukte nicht in einer Art und Weise dargestellt werden, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist. Die Werbung für ein Biozidprodukt darf auf keinen Fall die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise enthalten. Dasselbe gilt nach Art. 69 Abs. 2 Biozid-VO für die Angaben auf dem Etikett. Auch hiergegen habe die Beklagte verstoßen.

Darüber hinaus verstößt die Werbung gegen Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO. Die Vorschrift bestimmt, dass das Produkt nicht in einer Art und Weise dargestellt werden darf, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist. Die Werbung für ein Biozidprodukt darf auf keinen Fall die Angaben “Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotential”, “ungiftig”, “unschädlich”, “natürlich”, “umweltfreundlich”, “tierfreundlich” oder ähnliche Hinweise enthalten, Art. 72 Abs. 3 S. 2 Biozid-VO.

Die in der Werbung der Beklagten enthaltenen Angaben

– „natürlicher, hautpflegender hand sanitizer”

– „99,6% natürliche inhaltsstoffe”

– „… und pflegt zugleich die hände (etest: sehr gut), natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin regenerieren beanspruchte hände und sorgen für ein zartes und seidenweiches hautgefühl.”

– „unser handsanitizer besteht zu 99,7% aus natürlichen inhaltsstoffen, wobei der hauptinhaltsstoff (bioethanol) aus nachhaltiger landwirtschaft gewonnen wird”

– „99,6% natürliche inhalte: natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin wirken dem austrocknen der haut entgegen, ätherische öle sorgen für zusätzliche hautpflege.”

– „99,6% natürliche inhaltsstoffe, vegane formulierung”

– „natürliche feuchtigkeitsspender wie aloe vera und pflanzliches glycerin”

– „feuchtigkeitsspendend”

– „vegane formulierung”

– „pflegend”

stellen “ähnliche Hinweise” im Sinne von Art. 72 Abs. 3 S. 2 Biozid-VO dar. Sie relativieren die Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch und Umwelt.

Abmahnung entsprach den gesetzlichen Anforderungen

Mit dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs wurde mit § 13 UWG eine Vorschrift eingeführt, die gesetzliche Anforderungen an Abmahnungen vorsieht. § 13 Abs. 2 UWG regelt die inhaltlichen Vorgaben an die Gestaltung. U.a. muss der Verstoß klar und verständlich angegeben werden. Die Klägerin hatte in der Abmahnung versehentlich eine falsche Website der Beklagten angegeben. Hiermit versuchte sich die Beklagte zu verteidigen. Das Gericht stellte jedoch klar, dass für sie ohne Weiteres ersichtlich gewesen sei, welcher Verstoß ihr vorgeworfen werde.

Gem. § 13 Abs. 2 UWG muss in der Abmahnung klar und verständlich der Name des Abmahnenden, die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 UWG, ob und in welcher Höhe ein Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht wird und wie sich dieser berechnet sowie die Rechtsverletzung unter Angabe der tatsächlichen Umstände angegeben werden. Dabei muss der Sachverhalt, der den Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens begründen soll, genau angegeben und der darin erblickte Verstoß so klar und eindeutig bezeichnet wird, dass der Abgemahnte die gebotenen Folgerungen ziehen kann (BGH, GRUR 2021, 752). Die Abmahnung des Klägers vom 21.05.2021 genügt diesen Anforderungen. Zwar ist darin die Internetseite der Beklagten mit “www…de” und nicht mit “www…de” bezeichnet worden. Dennoch war für die Beklagte aufgrund der detaillierten weiteren Angaben zu der beanstandeten Werbung (insbesondere der Beschreibung der bildlichen Darstellung) und dem betroffenen Produkt ohne weiteres ersichtlich, dass es sich um eine versehentliche Falschbezeichnung der Internetseite handelte. Aus dem objektiven Empfängerhorizont heraus war für die Beklagte eindeutig ersichtlich, welches wettbewerbswidrige Verhalten ihr vorgeworfen wird.

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