Noch immer sind Desinfektionsmittel stark nachgefragt. Hierbei handelt es sich jedoch um Produkte, für die neben speziellen Kennzeichnungsvorschriften auch besondere Vorgaben für die Werbung gelten. Das LG Karlsruhe (Urt. v. 25.3.2021 – 14 O 61/20 KfH) entschied nun, dass es irreführend und nach der Biozid-VO unzulässig sei, ein Desinfektionsmittel als „ökologisch“, „Bio“ und „hautfreundlich“ zu bewerben.
Die Beklagte, eine Drogeriemarktkette, bewarb auf ihrer Internetseite ein Desinfektionsmittel mit der Aussage „ökologisches Universal-Breitband-Desinfektionsmittel“. Neben dieser Aussage waren zudem auf dem Etikett die Angabe „Hautfreundlich“ und „Bio“ zu lesen. Der Kläger, ein Wettbewerbsverein, mahnte sie wegen dieser Darstellung ab. Die Beklagte zahlte weder die Abmahngebühren noch gab sie die geforderte Unterlassungserklärung ab. Der Hersteller des Produkts ist dem Streit im Laufe des Verfahrens als Nebenintervenient beigetreten.
Das LG Karlsruhe hat die Beklagte zur Unterlassung verurteilt. Die beanstandeten Werbeaussagen seien irreführend und verstoßen gegen die Biozid-VO.
Bei Desinfektionsmitteln handelt es sich um Biozidprodukte. Sie fallen daher in den Anwendungsbereich der Biozid-VO (VO [EU] Nr. 528/2012). Anhang V der Verordnung enthält eine Liste der unter diese Verordnung fallenden Arten von Biozidprodukten mit ihrer Beschreibung. Zur Hauptgruppe 1 zählen Desinfektionsmittel.
Neben den allgemeinen Vorschriften gelten mit Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO zusätzliche Anforderungen an die Werbung für Biozide. Danach darf das Produkt nicht in einer Weise dargestellt werden, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist und diese verharmlost.
(3) In der Werbung für Biozidprodukte darf das Produkt nicht in einer Art und Weise dargestellt werden, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist. Die Werbung für ein Biozidprodukt darf auf keinen Fall die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise enthalten.
Nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware enthält. Die Bezeichnungen „bio“ und „ökologisch“ weisen sowohl einen Gesundheits- als auch Umweltbezug auf und seien irreführend.
Der Gesundheitsbezug ist irreführend. Die Bezeichnung “bio” wird – insbesondere in Zusammenhang mit der Bezeichnung als “haufreundlich” mit dem Attribut “gesund” assoziiert (vgl. OLG Hamm GRUR 1990, 639 LG Berlin NJW-RR 1989, 1203) bzw. damit, dass der Verbraucher- abseits der eigentlichen Desinfektionswirkung – durch die Verwendung eine gesundheitliche Verbesserung erfährt, und sei es nur durch Pflege der Haut. Solche Eigenschaften schreibt auch die Beklagte dem Produkt nicht zu, sie beschreibt es lediglich als hautneutral. Dass das Produkt im Vergleich zu herkömmlichen Desinfektionsmitteln die Haut nicht angreifen oder austrocknen soll etc., also lediglich “unschädlich” ist, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn das, was die Beklagte mit dem Begriff “bio” zum Ausdruck bringt, geht über die Wertung, im Vergleich zu anderen Produkten nicht schädlich zu sein, hinaus. Der Verbraucher erwartet – insbesondere in Verbindung in Zusammenhang mit “hautfreundlich” einen positiven Effekt und nicht lediglich die Abwesenheit von unerwünschten Nebenwirkungen.
Auch der durch die Verwendung dieser Begriffe vermittelte Umweltbezug sei sowohl hinsichtlich der Zusammensetzung des Produkts als auch hinsichtlich seiner Abbaubarkeit irreführend.
Durch die Bezeichnung “bio/ökologisch” verbindet der angesprochene Verbraucher eine rein natürliche, keine chemische Substanzen enthaltende Beschaffenheit des betreffenden Produkts (vgl. KG Berlin, GRUR 1993, 766; OLG Düsseldorf, GRUR 1988, 55; Helm/Sonntag/Burger in Gloy/Loschelder/Danckwerts, Wettbewerbsrecht 5. Aufl. § 59 zu § 5 UWG, Rn. 223; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Weidert, 4. Aufl. 2016, UWG § 5 Abs. C Rn. 161). Auch dem wird das streitgegenständliche Produkt nicht gerecht. Ausweislich der angegebenen Inhaltsstoffe sind rund 10 % (0,49 g/1000g) der neben der Trägerflüssigkeit Wasser (995 g/1000 g) verwendeten, zur Desinfektion wirksamen Stoffe (zusätzlich 4,5 g NaCI elektrochemisch aktiviertes Salz, 0,008 g O2 Sauerstoff, 0,004 g 03 Ozon) Natriumhypochlorit Na+OCI.
Ferner dürfte der Verbraucher mit den Bezeichnungen “bio” und “ökologisch” eine umweltschonende und umweltfreundliche Abbaubarkeit des Stoffes verbinden, die bei einem Desinfektionsmittel ausgeschlossen sein dürfte, nachdem es gerade Zweck des Produkts ist, Mikroorganismen abzutöten.
Das Gericht stellte klar, dass die Beklagte darüber hätte aufklären müssen, auf welche Teilbereiche und Eigenschaften genau sich die Begriffe „bio“ und „ökologisch“ beziehen. Dieser Pflicht sei sie nicht nachgekommen.
Hinzukommt, dass die Beklagte ihrer Pflicht, aufgrund der regelmäßig nur in Teilbereichen gegebenen besonderen Umweltfreundlichkeit oder Förderung der Gesundheit darzustellen, auf welche Eigenschaften genau sich “bio” und “ökologisch” bezieht, nicht nachgekommen ist. Der Verbraucher wird mit den Schlagworten konfrontiert, ohne Anknüfungspunkte zu haben. Fehlen die danach gebotenen aufklärenden Hinweise in der Werbung oder sind sie nicht deutlich sichtbar herausgestellt, besteht im besonders hohen Maße die Gefahr, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen irrige Vorstellungen über die Beschaffenheit der angebotenen Ware hervorgerufen werden und sie dadurch in ihrer Kaufentscheidung beeinflusst werden (vgl. BGH NJW1989, 711 – Umweltengel).
Auch der Begriff „hautfreundlich“ sei irreführend. Der Verbraucher erwarte hierbei eine positive Auswirkung auf seine Haut.
Der Verbraucher erwartet bei einer derartigen Bezeichnung, dass sich das Produkt auf seine Haut positiv auswirkt und nicht nur unschädlich ist. Andernfalls hätte die Beklagte den gängigen und dem durchschnittlichen Verbraucher bekannten Begriff “hautneutral” verwenden können. Bereits aufgrund der Abweichung von “neutral” zu “freundlich” wird beim Verbraucher der Eindruck geweckt, er fördere – in welcher Form auch immer – das Wohlbefinden seiner Haut.
Zudem sieht die Biozid-VO in Art. 72 Abs. 3 für die Werbung ausdrücklich vor, dass Biozidprodukte nicht in einer Art und Weise dargestellt werden, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist. Die Werbung für ein Biozidprodukt darf auf keinen Fall die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise enthalten. Dasselbe gilt nach Art. 69 Abs. 2 Biozid-VO für die Angaben auf dem Etikett. Auch hiergegen habe die Beklagte verstoßen.
Daneben verstößt die Beklagte auch gegen Art. 72 Abs. 3 und Art. 69 Abs. 2 BiozidVO. Die Bezeichnungen “bio” und “ökologisch” sind – wie oben ausgeführt – gleichzusetzen mit den beispielhaft aufgeführten Begriffen “unschädlich”, “natürlich” und “umweltfreundlich”. Gleiches gilt für den Begriff “hautfreundlich”, der über den Begriff “unschädlich” hinausgeht.
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