Seit Januar 2016 sind Online-Händler dazu verpflichtet, auf die Online-Streitbeilegungsplattform zu verlinken. Diese Verpflichtung ist Grund unzähliger Abmahnungen wie auch unser Abmahnradar immer wieder zeigt. Der BGH (Beschl. v. 10.9.2020 – I ZR 237/19) entschied nun, dass ein Verstoß gegen eine abgegebene Unterlassungserklärung bereits dann vorliege, wenn diese zur Verlinkung auf die OS-Plattform verpflichte, ein angegebener Link aber nicht anklickbar sei.
Der Beklagte bietet auf der Handelsplattform eBay Möbel an. Im Zusammenhang mit dort veröffentlichten Angeboten mahnte ihn der Kläger, ein Verband von Online-Handelsunternehmen, wegen verschiedener Verstöße ab. Der Beklagte verpflichtete sich daraufhin in einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr eine Webseite zu betreiben, ohne auf der Webseite dem Verbraucher Informationen über die OS-Plattform und in klarer und verständlicher Weise an leicht zugänglicher Stelle einen klickbaren Link zur OS-Plattform zur Verfügung zu stellen. In der Folgezeit wies der Beklagte in seinen Angeboten am Ende des Muster-Widerrufsformulars auf die http-Variante des Links zur OS-Plattform hin. Der Link war jedoch nicht klickbar, was an dieser Stelle bei eBay technisch auch nicht vorgesehen war. Der Kläger hat daraufhin die Verurteilung des Beklagte zur Zahlung einer Vertragsstrafe verlangt.
Das LG Osnabrück (Urt. v. 24.5.2019 – 14 O 11/19) hatte die Klage abgewiesen. Das OLG Oldenburg (Urt. v. 29.11.2019 – 6 U 192/19) gab ihr hingegen statt und ließ die Revision zu, um vom BGH klären lassen zu können, ob der Begriff „Website“, der in der ODR-VO 524/2013 verwendet wird, auch Auftritte auf Verkaufsplattformen erfasse.
Der BGH konnte diese Frage jedoch offenlassen. Er teilte die Auffassung des Klägers und nahm an, dass der Beklagte gegen die Unterlassungsverpflichtungserklärung verstoßen habe und somit zur Zahlung der Vertragsstrafe verpflichtet sei.
Die grundsätzliche Frage, ob ein Angebot von Waren auf Handelsplattformen wie eBay unter den Begriff „Website“ im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 1 der ODR-VO fällt, hat das Gericht offengelassen. Sie sei nicht entscheidungserheblich. Ebenso wenig überprüfte der BGH, ob der Beklagte gegen die Verpflichtung verstieß, auf die OS-Plattform zu verlinken. Grundlage der Entscheidung sei nicht die gesetzliche Norm, sondern der Unterlassungsvertrag zwischen den Parteien.
Die in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstrittene Frage, ob das Angebot von Waren auf einer Handelsplattform wie eBay unter den Begriff „Website“ i.S.v. Art. 14 Abs. 1 S. 1 VO (EU) Nr. 524/2013 fällt, ist nicht entscheidungserheblich. Der Kläger macht keinen gesetzlichen Unterlassungsanspruch wegen eines Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 u. S. 2 VO (EU) Nr. 524/2013 geltend, wonach in der Union niedergelassene Unternehmer, die Online-Kaufverträge oder Online-Dienstleistungsverträge eingehen, und in der Union niedergelassene Online-Marktplätze auf ihren Websites einen für Verbraucher leicht zugänglichen Link zur OS-Plattform einstellen. Vielmehr ist die Klage auf eine Verletzung der vom Bekl. abgegebenen Unterlassungsverpflichtungserklärung gestützt. Dieser vertragliche Anspruch hängt nicht davon ab, ob die Abmahnung, mit der der Kläger den Beklagten veranlasst hat, die Erklärung abzugeben und für Zuwiderhandlungen eine Vertragsstrafe zu versprechen, wegen eines Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 u. S. 2 VO (EU) Nr. 524/2013 berechtigt war. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung deshalb ausdrücklich „unabhängig von der allgemeinen rechtlichen Bewertung“ auf eine Auslegung der Unterlassungsverpflichtungserklärung nach §§ 133, 157 BGB gestützt
Anschließend stellte der BGH nochmals klar, dass Unterlassungsverträge nach den auch sonst für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen auszulegen seien. Maßgeblich sei der wirkliche Wille beider Parteien, zu dessen Auslegung beiderseits bekannte Umstände zu berücksichtigen seien.
Unterlassungsverträge sind nach den auch sonst für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen auszulegen. Maßgebend für die Reichweite einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtung ist der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB), zu dessen Auslegung neben dem Inhalt der Vertragserklärungen auch die beiderseits bekannten Umstände, insb. die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, ihr Zweck und die Interessenlage der Vertragschließenden heranzuziehen sind.
Weiterhin stellte das Gericht fest, dass für die Auslegung der Unterlassungserklärung die Gesamtumstände heranzuziehen seien. Dies sei von besonderer Bedeutung für die Feststellung, welcher Verstoß einer Abmahnung zugrunde gelegt werde. Gegenstand sei gerade der eBay-Auftritt gewesen.
Das Berufungsgericht hat für die Auslegung zutreffend auf die Gesamtumstände abgestellt und insbesondere berücksichtigt, dass die vorangegangene Abmahnung des Kläger gerade die Veröffentlichungspraxis des Beklagten auf eBay zum Gegenstand hatte. Der Frage, was der Gläubiger im Abmahnschreiben beanstandet hat, kann für die Auslegung der Unterlassungsverpflichtungserklärung maßgebliche Bedeutung zukommen. Zutreffend hat das Berufungsgericht außerdem berücksichtigt, dass der Beklagte selbst die Abmahnung und insbesondere seine Unterlassungsverpflichtung offensichtlich in dem Sinne verstanden hat, dass sie (auch) für seine Angebote auf der Handelsplattform eBay gilt. Nach Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung hat er in seine Angebote auf dieser Handelsplattform einen, wenn auch nicht klickbaren Link auf die OS-Plattform aufgenommen.
Der Beklagte selbst habe die Abmahnung und insbesondere seine Unterlassungsverpflichtung offensichtlich in dem Sinne verstanden, dass sie auch für Angebote auf der Handelsplattform eBay gelte. Dies beweise die Tatsache, dass der Beklagte nach Abgabe der verpflichtenden Unterlassungserklärung seine Angebote auf der Handelsplattform mit einem, wenn auch nicht klickbaren, Link auf die OS-Plattform versehen habe, so das Gericht. Eine Unterlassungserklärung bezwecke regelmäßig, auch kerngleiche Verstöße zu erfassen.
Schon die damit verbundene Behauptung, die Formulierung in der Erklärung „eine Webseite zu betreiben“ erfasse eindeutig nicht das Angebot auf einer Handelsplattform wie eBay, ist nicht zwingend. Unabhängig davon bildet ein klarer und eindeutiger Wortlaut keine Grenze für die Auslegung anhand der Gesamtumstände […] Der von der Revision geforderten wortlautgetreuen Auslegung steht zudem entgegen, dass der Zweck eines Unterlassungsvertrags erfahrungsgemäß dafür spricht, dass die Vertragsparteien durch ihn regelmäßig auch im Kern gleichartige Verletzungsformen erfassen wollten […].
Weiterhin führte der BGH aus, dass es unerheblich sei, ob ein klickbarer Link zur OS-Plattform am Ende des Muster-Widerrufsformulars aus technischen Gründen nicht eingefügt werden konnte. Daraus folge nicht, dass eine Integration an anderer Stelle nicht möglich gewesen wäre.
Die Revision wendet sich weiter ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Bekl. habe schuldhaft gegen die Unterlassungsverpflichtung verstoßen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sei es technisch überhaupt nicht möglich gewesen, auf der Handelsplattform eBay einen klickbaren Link zu setzen. Entgegen der Auffassung der Revision fehlt es an einer solchen Feststellung. Das Berufungsgericht hat lediglich festgestellt, dass an der Stelle, an der im beanstandeten Angebot des Bekl. auf die http-Variante des Links zur OS-Plattform hingewiesen wurde, nämlich am Ende des Muster-Widerrufsformulars, ein klickbarer Link technisch nicht vorgesehen war. Die Revisionserwiderung weist zutreffend darauf hin, dass daraus entgegen der Auffassung der Revision nicht folgt, dass ein klickbarer Link an keiner Stelle des Angebots des Bekl. technisch möglich war.
Fehlende oder fehlerhafte Angaben zur OS-Plattform werden sehr häufig abgemahnt. Dass diese Pflicht auch auf Verkaufsplattformen erfüllt werden muss und diese vom Begriff der „Website“ erfasst werden, ist grundsätzlich auch anerkannt (z.B. OLG Koblenz, OLG Hamm; OLG München; OLG Hamburg). Hier vertritt nur das OLG Dresden eine andere Auffassung, nämlich dass nicht der Händler selbst, sondern nur der Plattformbetreiber dazu verpflichtet sei.
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