Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist für die Klagebefugnis eines Interessenverbands u.a. erforderlich, dass es ihm bei der Rechtsverfolgung um eine ernsthafte Wahrnehmung der Mitgliederinteressen geht. Diese Voraussetzung sah das LG Hildesheim (Urt. v. 24.11.2020 – 11 O 5/19) beim IDO nicht als erfüllt an. Vielmehr entstehe der Eindruck, dass durch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen Einnahmen generiert werden sollen.
Der Beklagte vertreibt auf eBay Münzen. Im Mai 2017 fehlten in dem Angebot einer Münze in der Widerrufsbelehrung der Hinweis auf das Muster-Widerrufsformular, ein Link zur OS-Plattform und ein Hinweis zur Vertragstextspeicherung. Daraufhin mahnte der IDO den Beklagten ab. Die geforderte Unterlassungserklärung gab er jedoch nicht ab. Der IDO hatte den Beklagten daraufhin im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Unterlassung in Anspruch genommen. Nachdem der Beklagte keine Abschlusserklärung abgegeben hatte, erhob der IDO Klage.
Das LG Hildesheim entschied nun, dass dem IDO die Unterlassungsansprüche zwar grundsätzlich zustehen, die Klage jedoch rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig sei.
Das Gericht sah den IDO zwar grundsätzlich nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung dazu in der Lage, seine satzungsmäßigen Aufgaben wahrzunehmen. Auch die Frage, ob dem IDO eine erhebliche Zahl von Mitgliedern angehört, die ebenfalls Handel mit Münzen, Schmuck und Silberwaren betreiben, konnte das Gericht vorliegend offenlassen. Die Klage sei nämlich rechtsmissbräuchlich. Hierfür spreche, dass der IDO die Unternehmen, deren Interessen er nach seiner Satzung fördern will, typischerweise nur als passive Mitglieder aufnimmt und damit ohne ersichtlichen sachlichen Grund gezielt von der Willensbildung des Vereins ausschließt.
Dass die zu fördernden Unternehmen ausschließlich als passive Mitglieder aufgenommen werden, ergibt sich dabei aus den – von dem Beklagten vorgelegten und auf der Homepage abrufbaren– Nutzungsbedingungen des Klägers. […] Nach den – nicht näher substantiierten – Angaben des Klägers verfügt er über 30 bis 50 aktive Mitglieder, denen passive Mitglieder in einer Größenordnung von 2395 bis zu 2600 Mitgliedern – zu denen auch die 29 streitgegenständlichen Mitglieder der Branche Münzen, Schmuck und Silberwaren gehören – gegenüberstehen. Damit entscheidet ein Prozentsatz von maximal etwa 2% der Mitglieder über sämtliche Belange des Vereins, sowohl in tatsächlicher und rechtlicher als auch in finanzieller Hinsicht, so auch über die Vergütung der Vorsitzenden und der Angestellten Mitarbeiterinnen.
Der IDO hatte vorgetragen, dass diese Mitgliederstruktur ausdrücklich beabsichtigt sei, da die Vereinsziele bei der Anzahl der Mitglieder „nicht mit kostspieligen Versammlungen und endlosen Debatten mit juristischen Laien“ zu erreichen seien. Diese Struktur zeige deutlich, dass die Durchsetzung der Interessen einzelner im Vordergrund stehe, so das Gericht.
Soweit der Kläger vorträgt, dass diese Struktur gerade gewollt sei, weil die Vereinsziele des Klägers bei ca. 2600 Mitgliedern nicht mit kostenpflichtigen Versammlungen und endlosen Debatten mit juristischen Laien zu erreichen seien, zeigt dies deutlich, dass die Durchsetzung der Interessen einzelner im Vordergrund steht, nicht aber die Meinungsbildung aus der Mitgliederversammlung als Willensbildungsorgan eines Vereins heraus. Soweit der Kläger weiter vorträgt, dass die passiven Mitglieder bei der Willensbildung nicht komplett außen vor seien und alle passiven Mitglieder anderweitige Möglichkeiten hätten das Vereinsgeschehen zu beeinflussen, reicht dies als aktive Teilhabe an der Gestaltung der Willensbildung des Klägers nicht aus.
Für das Gericht entstehe damit der Eindruck, dass die Tätigkeit des IDO vorrangig dazu diene, Abmahnungen auszusprechen, um hierüber und die spätere Geltendmachung von Vertragsstrafen Einnahmen generieren zu können, und nicht der Förderung der Mitgliederinteressen. Hierzu verwies das Gericht auf ein Urteil des OLG Celle. Das OLG Celle konnte die Frage des Rechtsmissbrauchs in diesem Fall jedoch offenlassen, da der Anspruch aus einem anderen Grund unbegründet war.
Ein sachlicher Grund, warum die Online-Unternehmen, deren Interessen der Kläger nach seiner Satzung gerade und ausschließlich fördern will, von der Willensbildung des Klägers ausgeschlossen werden, ist danach nicht ersichtlich. Insgesamt entsteht dadurch der Eindruck, dass der Vorstand den Kläger vor allem zu dem Zweck unterhält, durch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen Einnahmen zu generieren, und dass die zur Erlangung der Aktivlegitimation und Prozessführungsbefugnis gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG notwendigen Mitglieder gezielt von der Willensbildung ausgeschlossen werden, um diese Einnahmequelle nicht zu gefährden.
Auch das LG Hildesheim findet deutliche Worte zum IDO. Ihm gehe es nicht um die Wahrnehmung von Mitgliederinteressen. Entsprechend entschieden zuletzt auch das LG Darmstadt und das LG Bonn, dass es dem IDO um die Generierung von Gebühren und Vertragsstrafen gehe, die dann letztendlich einigen wenigen Mitarbeitern zugutekommen. Auch hier sowie in Verfahren vor dem OLG Koblenz und dem LG Rostock war es dem IDO nicht gelungen, seine Aktivlegitimation nachzuweisen.
Nach dem Anti-Abmahngesetz müssen Abmahnvereine künftig auf einer Liste der sogenannten qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen sein. Die genauen Voraussetzungen für die Eintragung soll die Verordnung zu qualifizierten Einrichtungen und qualifizierten Wirtschaftsverbänden regeln. Danach werden bestimmte Angaben zu den Mitgliedern erforderlich sein, u.a. auch zu der Art der Mitgliedschaft, wenn verschiedene Formen vorgesehen sind. Den Referentenentwurf hierzu hat das BMJV kürzlich veröffentlicht.
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