Der IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. spricht nach unserer Einschätzung mit am häufigsten  wettbewerbsrechtliche Abmahnungen in Deutschland aus. Betroffen sind in erster Linie Shopbetreiber, Verkäufer bei eBay sowie bei Amazon.

Langsam dreht sich der Wind vor den Gerichten: Nachdem der IDO in einer mittlerweile rechtskräftigen Entscheidung des Landgerichtes Rostock (LG Rostock, Urteil vom 14.02.2018, Az.: 5a HKO 120/18) im einstweiligen Verfügungsverfahren seine Aktivlegitimation nicht nachweisen konnte, hat der IDO nunmehr auch in dem Hauptsacheverfahren seine Aktivlegitimation ebenfalls nicht nachweisen können.

Wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche werden in der Regel im Wege eines Eilverfahrens, der sogenannten einstweiligen Verfügung geltend gemacht. Die Beweismittel in einem einstweiligen Verfügungsverfahren sind eingeschränkt. In einem Hauptsacheverfahren, sozusagen einer normalen Klage, stehen dem Kläger die üblichen Beweismittel, wie bspw. Vernehmung von Zeugen, zur Verfügung. In einer aktuellen Entscheidung des Landgerichtes Rostock (LG Rostock, Urteil vom 29.10.2019, Az.: 6 HKO 2/19) war es dem IDO ebenfalls nicht gelungen, seine Aktivlegitimation, d.h. die Berechtigung abmahnen zu dürfen, nachzuweisen. Wir hatten auch in diesem Verfahren die Beklagte vertreten.

Der IDO hatte Unterlassungsansprüche geltend gemacht, da ein TV-Gerät und eine Kaffeemaschine eines eBay-Verkäufers bei eBay beworben worden waren, mit der Angabe „bei voller Garantie“. Der IDO forderte ein, dass in diesem Fall über den Inhalt der Garantie und weitere Garantieinformationen zu informieren sein sollte.

Keine Prozessführungsbefugnis des IDO

Das Landgericht war nicht überzeugt davon, dass dem IDO eine erhebliche Anzahl von Mitgliedsunternehmen im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 UWG zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung angehörten.

Der IDO hatte eine entanonymisierte Mitgliederliste zu den Branchen Multimediahändler, Elektro- und Elektronikhändler und Haushaltsgerätehändler eingereicht. Nach Ansicht des Gerichtes hatte der IDO die konkrete Mitgliedschaft einiger angeblicher Mitglieder nicht belegen können und zwar zum Zeitpunkt der Abmahnung.

Keine Bestätigung durch Vernehmung einer Mitarbeiterin des IDO

Das Landgericht hatte eine Mitarbeiterin des IDO als Zeugin vernommen. Die Aussage war jedoch für den IDO wenig ergiebig:

Die Mitgliedschaft zum Zeitpunkt der Abmahnung ist auch nicht durch die dazu vernommene Zeugin S. bestätigt worden. Zu den konkreten Einträgen hat die Zeugin keine Aussage treffen können. Sie hat vielmehr nur generelle Aussagen zur Mitgliedschaft, zur Entstehung der Listen und deren Prüfung getroffen und bezüglich des Beginns der Mitgliedschaft erklärt, dass das in den Mitgliederlisten angegebene Aufnahmedatum automatisch im Zeitpunkt der Online-Anmeldung des Unternehmens auf der Internetseite des Klägers durch das System hinterlegt werde. Damit mag zwar ein gewisser Anschein dafür sprechen, dass die Mitgliedschaft mit dem angegebenen Datum auch begonnen hat. Den entsprechenden Nachweis hat der Kläger damit jedoch nicht geführt.

Wie die Zuordnung von Branchen beim IDO erfolgt

Auch zu dieser Thematik hat das Gericht die Mitarbeiterin des IDO als Zeugin befragt:

Dass die Zuordnung in die jeweilige Branchenliste bereits aufgrund einer sehr geringen Anzahl an Angeboten erfolgt, hat die Zeugen S. in ihrer Vernehmung auch bestätigt. Sie erklärte auf Nachfrage, nach welchem Maßstab die Kategorisierung der Unternehmen erfolge:

„Die Mitarbeiterin schaut sich die im Shop angebotenen Artikel an. Daran sind ja die Warengruppen erkennbar. Für die Entscheidung ist maßgeblich, dass es eine gewisse Anzahl an Artikeln einer Warengruppe gibt. Dafür reichen ein/zwei Artikel nicht aus. Es ist so, dass zwischen sieben und zehn, in der Regel zehn Artikel pro Warengruppe vorhanden sein müssen, um eine Einkategorisierung in der Branche zu treffen. “

Unabhängig davon, ob man diese Zahlen für ausreichend erachten wollte, erreichen die vorgenannten Unternehmen nach den eingereichten Anlagen bereits diese Produktzahlen nicht. Damit ist die Mitbewerbereigenschaft nicht belegt.

Dass die Mitglieder tatsächlich ein größeres Warenangebot aus den genannten Branchen haben, hat die Beweisaufnahme nicht ergeben.

Nur noch 9 Mitglieder in den Branchen Multimedia, Haushaltsgeräte und Elektronikartikel

Im Ergebnis kommt das Gericht nur noch auf 9 Mitglieder in diesen drei Branchen:

Berücksichtigt man die vorstehenden Aspekte, verbleiben nur noch 9 Mitglieder in den genannten drei Branchen. Dieses reicht für die Bejahung einer erheblichen Zahl i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in keinem Fall aus.

Selbst 19 Mitglieder sind keine erhebliche Zahl

Selbst wenn man von 19 Mitgliedern als potentielle Mitbewerber ausgehen würde, reicht dies dem Landgericht Rostock nicht aus.

Begründet wird dies mit der Struktur des Online-Handels:

Es ist an die vorstehende Beurteilung der Kammer anzuknüpfen. Die sich vom stationären Handel deutlich unterscheidende Struktur des Online-Handels wird zum einen durch die erheblich größere Gesamtzahl der zu berücksichtigenden Händler bestimmt. Insoweit kann auch auf die Ausführungen des OLG Frankfurt, Urteil vom 02.05.2019, Az.: 6 U 58/18 (OLG Frankfurt, WRP 2019, 908) verwiesen werden. Umso erheblicher sind die Marktbedeutung und das wirtschaftliche Gewicht der Mitglieder für die Bejahung der Klagebefugnis des Verbandes.

Hinsichtlich der von der herkömmlichen Mitgliederstruktur eines Wettbewerbsverbandes abweichenden Mitgliederstruktur des Klägers ist ergänzend zu den Erwägungen in der vorstehenden Entscheidung festzuhalten, dass die Mitgliederstruktur des Klägers eine deutlich geringere Konstanz aufweist, was unmittelbare Auswirkungen darauf hat, wie die Wahrnehmung dieser Mitgliederinteressen erfolgen kann. Von den in den Mitgliederlisten mit Stand 23.04.2019 aufgeführten 36 Mitgliedern sind in den Mitgliederlisten mit Stand 12.08.2019 lediglich noch 19 Mitglieder verzeichnet. Zwar hat sich die Gesamtzahl an Mitgliedern nicht reduziert. Jedoch ist nur knapp vier Monate später fast die Hälfte der Mitglieder nicht mehr als Händler in den genannten Branchen aufgeführt. Dies ist jedoch regelmäßig nicht auf die Beendigung der Mitgliedschaft zurückzuführen, wie ein Abgleich mit den eingereichten Beitragsrechnungen zeigt. Erklärbar ist dies damit nur vor dem Hintergrund, dass die Prüfung des Klägers ergeben hat, dass die Kriterien für die Listung in den entsprechenden Branchen nicht mehr vorliegen. Die Zeugin hat bestätigt, dass laufend überprüft werde, ob die Mitglieder noch als Händler (in den jeweiligen Branchen) tätig sind und wenn dies nicht mehr der Fall sein sollte, aus den branchenbezogenen Mitgliedslisten gestrichen werden.

Der Mitgliedsbestand des Klägers unterliegt offenkundig starken Änderungen. Diese sind im Wesen und den umfangreichen Möglichkeiten des Online-Handels begründet. Nachdem keine großen Erstinvestitionen benötigt werden, steht der Online-Handel quasi jedermann offen. Die Nutzung entsprechender Online-Plattformen erleichtert den Zugang erheblich. Umgekehrt ist auch die Einstellung einer entsprechenden Handelstätigkeit problemlos möglich. Hinzu kommt der bereits ausgeführte Aspekt der Einbindung von Händlern in fremde Warenwirtschaftssysteme. Insofern ist auch der Wechsel des Sortiments und damit der Wechsel zwischen den Branchen mit relativ geringem Aufwand möglich. Nachdem die potentiellen Kunden regelmäßig nach Waren und Produkten suchen, ist ein Online-Händler nicht zwingend darauf angewiesen, dass er bzw. die Firma bekannt sind.

Diese Strukturunterschiede im Online-Handel sind für die Frage, wann eine erhebliche Anzahl an Mitgliedern i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG vorliegt, natürlich von entscheidender Bedeutung. Wenn nicht erkennbar ist, dass den zu berücksichtigenden Mitgliedern eine nicht nur unerhebliche Marktbedeutung zukommt, kann nicht von einer erheblichen Anzahl ausgegangen werden.

Der Kläger hat zwar zu einzelnen Mitgliedern vorgetragen und versucht, anhand deren Angebotsumfang deren Marktbedeutung abzuleiten. Allerdings ist dieser Schluss aus Sicht der Kammer untauglich. Er berücksichtigt die vom stationären Handel erheblich abweichenden tatsächlichen Vertriebsstrukturen des Online-Handels nicht. Für einen Online-Vertrieb werden regelmäßig keine eigenen Warenwirtschaftssysteme mehr benötigt, d.h. der Händler ist nicht darauf angewiesen, konkrete Waren zu ordern, ggf. in Vorkasse zu gehen und anschließend zu veräußern. Vielmehr können Online-Händler — entsprechende vertragliche Regelungen vorausgesetzt — auf die Warensysteme von Herstellern und/oder Großhändlern zugreifen, d.h. über ihre Verkaufsplattformen die Waren aus diesen umfangreichen Systemen anbieten. Damit ist ein umfangreiches Angebot unterschiedlichster Waren möglich, ohne diese selbst (zuvor) einkaufen zu müssen. Damit ist die Marktbedeutung der Mitglieder des Klägers ungeklärt.

Kapitalgesellschaften lassen keine Rückschlüsse auf die Marktbedeutung zu

Nach Ansicht des Landgerichtes Rostock macht es auch nichts aus, wenn eine Kapitalgesellschaft Mitglied beim IDO ist:

An dieser Einschätzung ändern die Ausführungen des Klägers dazu, dass zu den Mitgliedern mehrere Kapitalgesellschaften gehören, nichts. Auch die Ausführungen zum Angebotsumfang lassen keine Rückschlüsse auf die Marktbedeutung zu. Es ist nochmals darauf zu verweisen, dass die Koppelung von Online-Händlern mit Großhändlern und Herstellern im Online-Handel dazu führt, dass das Warenangebot im Regelfall gerade nicht auf die wirtschaftliche Bedeutung des Händlers schließen lässt. Anders, als in anderen Branchen ist der Verkauf von Technik im Internet — mit Ausnahme weniger Marken — auch kein exklusiver Bereich. Deshalb ist es praktisch jedem Händler möglich, einen entsprechenden Online-Handel zu eröffnen, ohne dass die wirtschaftliche Leistungskraft dem Warenangebot entsprechen müsste. Anders, als beim stationären Handel, bei dem eine gewisse Bonität (und damit Marktbedeutung) notwendig ist, um Waren zum Weiterverkauf zu beziehen, wird die Sicherung der Lieferanten im Internet durch die technische und tatsächliche Ausgestaltung der Zahlungs- und Lieferwege erreicht.

Es ist bemerkenswert, dass es dem IDO auch in einem Hauptsacheverfahren mit ganz anderen Beweismitteln und einer Zeugenvernehmung einer Mitarbeiterin des IDO nicht gelungen war, seine Aktivlegitimation nachzuweisen. Die Entscheidung des Landgerichtes Rostock ist noch nicht rechtskräftig. Es ist davon auszugehen, dass das letzte Wort in dieser Angelegenheit beim OLG Rostock gesprochen wird.

Über Rechtsanwalt Johannes Richard

Rechtsanwalt Johannes Richard ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Partner der Kanzlei Richard & Kempcke. Er betreibt die Internetseite internetrecht-rostock.de und berät seit vielen Jahren Shopbetreiber und Abgemahnte.

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