Nach § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB müssen Unternehmer Verbrauchern mindestens eine gängige und zumutbare kostenlose Zahlungsart bereitstellen. Das OLG Hamburg (Urt. v. 12.11.2020 – 15 U 79/19) entschied nun, dass die Zahlungsarten „Visa Entropay“ oder „Viabuy Prepaid MasterCard“ nicht hierzu zählen. Es sei daher nicht ausreichend, wenn es sich hierbei um die einzigen kostenlosen Zahlungsarten handle.
Die Beklagte vermittelt Flugreisen auf Ihrer Webseite. Nach Auswahl der Flugleistung konnten Verbraucher zwischen verschiedenen Zahlarten wählen. Anschließend wurden je nach ausgewähltem Zahlungsmittel unterschiedliche Gesamtpreise angezeigt. Wurde die Zahlungsart „Visa Entropay“ oder „Viabuy Prepaid MasterCard“ ausgewählt, war der Gesamtpreis niedriger. Bei den Zahlungsarten MasterCard Kreditkarte, Visa Kreditkarte fiel ein „Entgelt pro Kartentyp“ i.H.v. 13,70 € an und eine zusätzliche „Servicepauschale“ i.H.v. 23,80 €. Bei Zahlung mittels Sofortüberweisung und Paypal fielen neben der „Servicepauschale“ zusätzlich Entgelte in Höhe von 13,70 € bzw. 15,70 € an, so dass sich Gesamtpreis entsprechend erhöhte.
Nach erfolgloser Abmahnung hatte das LG Hamburg (Urt. v. 25.4.2017 – 406 HKO 201/16) die Beklagte zur Unterlassung verurteilt und entschieden, dass die Beklagte dem Verbraucher zum Zwecke der Zahlung wenigstens ein gängiges und zumutbares Zahlungsmittel zur Verfügung stellen müsse, das keine mit der Zahlung verbundenen Kosten auslöst. Diese Entscheidung wurde nun in der Berufung vor dem OLG Hamburg bestätigt.
Gemäß § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB sind Vereinbarungen zwischen Unternehmern und Verbrauchern unzulässig, durch die ein Verbraucher verpflichtet wird, ein Entgelt dafür zu bezahlen, dass er für die Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten ein bestimmtes Zahlungsmittel nutzt, wenn für den Verbraucher keine gängige, zumutbare Zahlungsmöglichkeit besteht.
Seit dem 13.1.2018 gilt zudem § 270a BGB, wonach Vereinbarungen über zusätzliche Gebühren für eine Zahlung per SEPA-Lastschrift, SEPA-Überweisung oder Zahlungskarte unwirksam sind. Die beiden Vorschriften gelten eigenständig nebeneinander.
Das Gericht stellte zunächst fest, dass die Beklagte gegen § 312a Abs. 4 BGB verstoßen habe, da sie eine unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit nur bei Nutzung der Zahlungsmittel „Visa Entropay“ und „Viabuy Mastercard“ angeboten hat. Beide Kreditkarten seien nicht allgemein verbreitet und somit kein gängiges Zahlungsmittel im Sinne des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB.
Beide genannten Kreditkarten sind nicht „gängig“ i.S.v. § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB. Gängig in diesem Sinne ist eine Zahlungsmöglichkeit nur dann, wenn sie hinreichend allgemein verbreitet ist (OLG Dresden, 11.02.2020, 14 U 1885/19, GRUR-RS 2020, 6067 Rn. 27). Das ist nicht der Fall. Es ist unstreitig geblieben, dass die Karten jede für sich einen Verbreitungsgrad unter den Kunden der Beklagten von unter 5% aufweisen.
Die Beklagte versuchte sich damit zu verteidigen, dass es sich bei den für die anderen Zahlarten erhobenen Kosten nicht um Zahlungskosten, sondern um „Serviceentgelte“ handle, die von der Vorschrift nicht erfasst werden. Dieser Ansicht folgte das Gericht nicht. Maßgeblich sei insofern das Preisverständnis eines durchschnittlichen Verbrauchers, der Flugleistungen buche und regelmäßig annehme, der Preis erhöhe sich aufgrund der Wahl des Zahlungsmittels.
Für das Preisverständnis ist abzustellen auf den Empfängerhorizont (OLG Dresden, 03.02.2015, 14 U 1489/14 - juris Rn. 29; 11.02.2020, 14 U 1885/19, GRUR-RS 2020, 6067 Rn. 25) . Angesprochen ist hier der allgemeine Verkehr, der sich für die Buchung einer Flugreise im Internet interessiert. Dazu gehören auch die Mitglieder des Senats, so dass sie das Verkehrsverständnis selbst beurteilen können. Ein Zahlungsmittelentgelt im Sinne von § 312a Abs. 4 BGB liegt vor, wenn sich aus Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers der Preis während des Bestellvorgangs gerade wegen der Wahl eines anderen Zahlungsmittels erhöht […].
Darüber hinaus prüfte das Gericht, ob durch die Entgelterhöhung durch die Servicepauschale bei bestimmten Zahlungsmitteln das Verbots nach § 312a Abs. 4 Nr.1 BGB umgangen wird. Eine solche Umgehung sei ebenfalls unzulässig.
Zu prüfen ist aber darüber hinaus, ob nicht die Vorgaben von § 312a Abs. 4 BGB durch eine anderweitige Gestaltung umgangen werden, indem ein nicht so bezeichnetes, verdecktes Zahlungsmittelentgelt erhoben wird. Eine Umgehung der Vorgaben von § 312a BGB ist nach § 312k Abs. 1 Satz 2 BGB unzulässig.
Anlass zu dieser Prüfung bestehe bei Vorliegen einer Preisdifferenz, das heißt, wenn der Unternehmer für dieselbe Leistung bei Nutzung verschiedener Zahlungsmittel verschiedene Preise verlangt. Dies sei hier der Fall.
Wird ein erhöhtes Entgelt, unabhängig von seiner Bezeichnung, nur bei Zahlung mit bestimmten Zahlungsmitteln erhoben, muss der Verbraucher davon ausgehen, dass das zusätzliche Entgelt wegen der Benutzung dieser Zahlungsmittel anfällt. Das gilt auch dann, wenn mehrere Entgeltbestandteile abhängig von der Wahl des Zahlungsmittels sind. So liegt der Fall hier, denn bei Bezahlung mit einem anderen Zahlungsmittel als „Visa Entropay“ und „Viabuy Prepaid MasterCard“ fallen nicht nur ein zusätzliches „Entgelt pro Kartentyp“ bzw. ein „Entgelt für Sofortüberweisung“ jeweils in Höhe von 13,70 € (s. Anlage K6 Seite 3) bzw. zusätzlich 15,70 € für die Zahlung mittels „PayPal“ (s. Anlage K6 Seite 6) an, sondern außerdem eine „Servicepauschale“ in Höhe von jeweils 23,80 € (s. Anlage K3 Seite 2 und Anlage K6 Seite 9).
Der Einwand der Beklagten, dass die Zahlung mit VISA Entropay und Viabuy Prepaid MasterCard lediglich um die Servicepauschale rabattiert sei, überzeugte das Gericht indessen nicht. Zwar dürfe der Unternehmer Preisnachlässe gewähren. Würden die Mehrkosten jedoch erst nach Auswahl des Zahlungsmittels angezeigt, liege aus Verbrauchersicht keine Rabattierung vor.
Das ändert aber nichts am Eindruck des Verbrauchers, dass auch die „Servicepauschale“ abhängig vom Einsatz des Zahlungsmittels anfällt, wenn der zunächst angegebene günstigste Preis nur bei Zahlung mittels „Visa Entropay“ und „Viabuy Prepaid MasterCard“ zu erzielen ist. Zwar bleiben Preisnachlässe, die der Unternehmer dem Verbraucher im Falle der Nutzung bestimmter Zahlungsmittel gewährt, im Grundsatz von § 312a Abs. 4 BGB unberührt. Dabei muss aber sichergestellt werden, dass dem Verbraucher zunächst der höhere Preis, also der Preis ohne Einrechnung des Nachlasses, angezeigt wird […]. Wird hingegen wie hier zunächst der niedrigere Preis angezeigt und kommt es dann während des Bestellvorgangs zu „Mehrkosten“ bei Nutzung eines anderen Zahlungsmittels, liegt aus Sicht des angesprochenen Verbrauchers kein Rabatt vor, sondern ein (zusätzliches) Entgelt für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsmittels.
Das Gericht stellte klar, dass die Erhebung einer Servicepauschale nicht per se verboten sei. Vorliegend handle es sich aus Sicht der Verbraucher jedoch um ein Zahlungsmittelentgelt. Unabhängig davon liege bereits ein Verstoß gegen §312a Abs. 4 Nr. 1 BGB vor, da bei allen weiteren Zahlungsmitteln ein Entgelt anfalle.
Entgegen dem Verständnis der Beklagten in der Berufungsbegründung steht nicht in Rede, ihr die Erhebung einer „Servicepauschale“ per se zu untersagen. Es geht vielmehr darum, dass eine in Abhängigkeit vom gewählten Zahlungsmittel anfallende „Servicepauschale“ aus Sicht des angesprochenen Verbrauchers tatsächlich keine solche ist, sondern ein (zusätzliches) Zahlungsmittelentgelt. Im Übrigen ist § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB schon deshalb und unabhängig von der „Servicepauschale“ verletzt, weil bei allen anderen von der Beklagten angebotenen Zahlungsmitteln als den beiden genannten nicht gängigen Kreditkarten Zahlungsmittelentgelte anfallen.
Das Gericht prüfte auch einen möglichen Verstoß gegen Art. 19 der Verbraucherrechterichtlinie (VRRL). Nach Art. 19 VRRL haben die Mitgliedstaaten den Unternehmern zu verbieten, von Verbrauchern für die Nutzung von Zahlungsmitteln Entgelte zu verlangen, die über die Kosten hinausgehen, die dem Unternehmer für die Nutzung solcher Zahlungsmittel entstehen. Fraglich sei in diesem Zusammenhang, ob der deutsche Gesetzgeber es Unternehmern verbieten dürfe, bei Entstehung erhöhter Zahlungsentgelte diese Kosten an den Verbraucher weiterzugeben. Genau dies schreibt aber § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB vor, da er Unternehmern verbietet, für ein gängiges Zahlungsmittel ein Entgelt zu verlangen, und zwar unabhängig von der Frage, ob dem Unternehmer dafür Kosten entstehen oder nicht. Auch wenn dem Unternehmer für alle (gängigen) Zahlungsmittel Kosten entstehen, darf er diese in einem Fall nicht an den Verbraucher weitergeben, sofern er nicht gegen § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB verstoßen will.
Dennoch nahm das OLG Hamburg keinen Verstoß gegen Art. 19 VRRL an, da nach Art. 62 Abs. 5 RL (EU) 2015/2366 (PSD II-RL) die Mitgliedstaaten dem Zahlungsempfänger die Erhebung von Entgelten untersagen oder dieses Recht begrenzen können. Hinter diese Regelung trete die VRRL zurück.
Jedenfalls aber tritt die VRRL für den hier betroffenen Regelungsbereich gemäß ihrem Art. 3 Abs. 2 zurück, so dass kein Verstoß vorliegen kann. Nach Art. 3 Abs. 2 VRRL gilt im Fall der Kollision einer Bestimmung der VRRL mit einer Bestimmung eines anderen Unionsrechtsakts, der spezifische Sektoren regelt, dass die Bestimmung dieses anderen Unionsrechtsakts Vorrang hat und auf diese spezifischen Sektoren Anwendung findet. Gemäß Art. 62 Abs. 5 PSD II können die Mitgliedstaaten dem Zahlungsempfänger die Erhebung von Entgelten untersagen oder dieses Recht begrenzen. Auch die Beklagte zählt gemäß der Legaldefinition in Art. 4 Nr. 9 PSD II zu den Zahlungsempfängern in diesem Sinn. Die Vorschrift des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB begrenzt das Recht der Beklagten als Unternehmer und Zahlungsempfänger i.S.v. Art. 62 Abs. 5 PSD II, Entgelte für die Nutzung von Zahlungsinstrumenten zu erheben. Denn danach muss sie mindestens ein gängiges und zumutbares Zahlungsinstrument unentgeltlich zur Verfügung stellen. Art. 62 Abs. 5 PSD II ist die gegenüber der VRRL speziellere Regelung für die hier berührte Frage danach, ob für den Empfang einer Zahlung mithilfe eines bestimmten Zahlungsmittels ein Entgelt erhoben werden darf.
In Umsetzung der PSD II-RL gilt zudem seit dem 13.1.2018 § 270a BGB, der es Unternehmern untersagt, ein Entgelt für die Nutzung einer SEPA-Basislastschrift, einer SEPA-Firmenlastschrift, einer SEPA-Überweisung oder einer Zahlungskarte zu erheben. Die beiden Vorschriften gelten eigenständig nebeneinander. Ein nach § 312a Abs. 4 BGB gängiges und zumutbares unentgeltliches Zahlungsmittel müsse nicht zwingend auch von § 270a BGB erfasst sein.
Durch den zum 13.01.2018 zur Umsetzung von Art. 62 Abs. 4 PSD II in Kraft getretenen § 270a BGB ändert sich nichts. Die Norm untersagt Zahlungsentgelte für die dort aufgezählten Zahlungsmittel, wohingegen gemäß § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB eine gängige und zumutbare unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit bestehen muss, die nicht zwingend eine solche gemäß § 270a S. 1 BGB sein muss.
Die Entscheidung des OLG Hamburg ist nicht rechtskräftig, die Revision ist beim BGH anhängig.
Auch wenn seit Inkrafttreten des § 270a BGB Zahlungsentgelte für die Nutzung einer SEPA-Basislastschrift, einer SEPA-Firmenlastschrift, einer SEPA-Überweisung oder einer Zahlungskarte gegenüber Verbrauchern weitestgehend nicht mehr erhoben werden dürfen, können andere Zahlungsmittel von der Regelung des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB betroffen sein. Dass es sich bei den Kreditkarten „Visa Entropay“ und „Viabuy Prepaid MasterCard“ nicht um gängige Zahlungsarten handelt, haben bereits mehrere Gerichte entschieden (LG Hamburg, Urt. v. 1.10.2015 – 327 O 166/15; LG Hamburg, Urt. v. 18.11.2016 – 315 O 28/16; LG Berlin, Urt. v. 12.1.2016 – 15 O 557/14). Dass die Vorschrift auch nicht durch Preisnachlässe umgangen werden darf, entschied bereits das LG Berlin.
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