Anti-Abmahngesetz passiert den Bundesrat

Nachdem das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs im September im Bundestag angenommen wurde, hat es heute in dieser Fassung den Bundesrat passiert. Zuvor hatte der Rechtsausschuss dem Bundesrat empfohlen, keinen Antrag auf Einberufung des Vermittlungsausschusses zu stellen. Damit ist das Gesetzgebungsverfahren beinahe abgeschlossen. Nach der Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten kann es im Bundesgesetzblatt verkündet werden.

Wir haben alle Änderungen und Auswirkungen bereits für Sie zusammengefasst. Nachfolgend finden Sie noch einmal einen Überblick.

Anforderung an die Klagebefugnis

  • Mitbewerber, die abmahnen, müssen künftig nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG-E tatsächlich geschäftlich tätig sein und in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich ähnliche Waren oder Dienstleistungen vertreiben oder nachfragen.

Schon bislang haben Schein-Mitbewerber mit unseriösen Anwälten abgemahnt. Auch künftig wird es noch unseriöse Akteure geben, die – gegen das neu geltende Recht – abmahnen und darauf spekulieren, dass einige sich nicht wehren, was sich dann schon als Geschäftsmodell rechnet. Eine Beratung durch einen auf Abmahnungen im E-Commerce spezialisierten Anwalt ist dringend zu empfehlen.

  • Abmahnvereine wie der IDO müssen künftig auf einer Liste der so genannten qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen sein.

Damit Abmahnvereine in die neue Liste eingetragen werden, müssen sie nachweisbar aktiv sein und eine bestimmte Anzahl an Mitgliedern haben. Bis es soweit ist, dass nur noch eingetragene Vereine abmahnen dürfen, gibt es eine Übergangsfrist von einem Jahr, also voraussichtlich bis Oktober 2021. Wir vermuten, dass sämtliche Verbände in dieser Übergangsphase noch einmal besonders aktiv sind, um durch nachweisbare Aktivitäten und steigende Mitgliederzahlen ihre Chance zu erhöhen, auf der Liste eingetragen zu werden.

Gegenansprüche des Abgemahnten

  • Bei missbräuchlichen Abmahnungen steht dem Abgemahnten ein Gegenanspruch zu (§ 8c Abs. 3 UWG-E)

Im Falle einer missbräuchlichen Geltendmachung steht dem Abgemahnten ein Gegenanspruch zu und er kann Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen fordern.

  • Bei formalen Fehlern oder unberechtigten Abmahnungen steht dem Abgemahnten ebenfalls ein Gegenanspruch zu (§ 13 Abs. 5 UWG-E ) und der Betroffene hat u.U. einen Anspruch auf Ersatz der ihnen entstandenen Kosten gegen den Angreifer.

Wenn die Abmahnung unberechtigt ist oder nicht die formalen Anforderungen erfüllt, steht dem Abgemahnten nach § 13 Abs. 5 UWG-E ein Gegenanspruch zu. Abgemahnte haben in diesem Fall einen Anspruch auf Ersatz der ihnen entstandenen Kosten gegen den Abmahnenden, in diesem Fall jedoch auf die Höhe des geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruchs beschränkt. Diese Einschränkung wurde „zum Schutz der qualifizierten Wirtschaftsverbände und qualifizierten Einrichtungen, die lediglich einen Anspruch auf eine Aufwendungspauschale besitzen“ hinzugefügt. Ursprünglich sollte dieser Gegenanspruch dazu führen, die finanziellen Anreize zu reduzieren und sicherstellen, dass Abmahner ihren Anspruch sorgfältig prüfen. Diesen Zweck erfüllt die Vorschrift nicht mehr.

Kein Aufwendungsersatz bei bestimmten Verstößen

  • Ein Mitbewerber kann keinen Ersatz der Aufwendungen für seine Abmahnung verlangen, wenn es sich um Verstöße gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien handelt. Dasselbe gilt für Verstöße gegen die DSGVO oder das BDSG, in diesem Fall ist der Ausschluss jedoch auf Unternehmen oder Vereine beschränkt, die in der Regel weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen.

Bei vielen häufig abgemahnten Verstößen geht es um Informationspflichten im E-Commerce. Hier müssen Mitbewerber künftig auf eigene Kosten abmahnen, d.h. können an den Abgemahnten keine Anwaltsrechnung schicken. Abmahnen können sie jedoch weiterhin. Ebenso bleiben sie weiterhin dazu berechtigt, Klage zu erheben.

An dieser Stelle schießt das Gesetz jedoch über seinen Zweck hinaus. Ursprünglich ging unser Vorschlag dahin, dass Bagatellen wie der fehlende Link auf die OS-Plattform oder fehlende Informationen zur Vertragstextspeicherung nicht mehr abgemahnt werden können. Dass nun sämtliche Verstöße gegen Informationspflichten (z.B. auch fehlende Allergene bei Lebensmitteln, fehlende Energiekennzeichnung oder fehlende Grundpreise) von Mitbewerbern nur noch auf eigene Kosten beseitigt werden können, wird zu einem unkontrollierten Informationsverlust in diesem für den Verbraucherschutz relevanten Bereich führen, den niemand beabsichtigt hat.

Nach der Gesetzesbegründung muss es sich nicht um spezielle Pflichten im Online-Handel oder auf Webseiten handeln, sondern es soll genügen, dass die Verstöße in diesem Bereich auftreten. Schon jetzt wird aber diskutiert, ob z.B. auch falsche Informationen mit fehlenden Informationen gleichzusetzen sind. Es darf sich nicht um Warnhinweise oder die grundsätzliche Pflicht zur Kennzeichnung geschäftlicher Handlungen handeln.

Vertragsstrafe

  • Mitbewerber dürfen nach § 13a Abs. 2 UWG-E keine Vereinbarung einer Vertragsstrafe fordern, wenn erstmalig eine Unterlassungsverpflichtung gefordert wird.

Auch wenn Konkurrenten bei der ersten Abmahnung keine Vertragsstrafe mehr in der Unterlassungserklärung verlangen dürfen, kann eine Unterlassungserklärung verwendet werden, um ein sog. Ordnungsgeldverfahren einzuleiten, d.h. nach § 890 ZPO kann ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 € verhängt werden. Daher wird auch künftig genau zu prüfen sein, ob mitgeschickte Unterlassungserklärungen unterschrieben werden sollten oder nicht, weil sie häufig viel zu weit formuliert werden und zu „Fallen“ führen. Wird weiterhin gegen die Unterlassungspflicht verstoßen, was sich häufig nicht ausschließen lässt, wird sicher auch die zweite Stufe (strafbewehrt) folgen. Dass Verstöße künftig „nichts mehr kosten“, täuscht also.

Erfolgt die erstmalige Abmahnung des Verstoßes dagegen durch einen Wirtschaftsverband, eine qualifizierten Einrichtung, eine Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer oder Gewerkschaft, besteht auch weiterhin die Möglichkeit, zur Streitbeilegung unmittelbar die Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung zu verlangen.

  • In einfach gelagerten Fällen ist die Vertragsstrafe bei Verstößen auf maximal 1.000 € begrenzt, ebenso der Streitwert des Gerichtsverfahrens.

Schon 2013 hat der Gesetzgeber bei Privatpersonen im Urheberrecht versucht, den Streitwert bei „einfach gelagerten“ Fällen zu begrenzen. Dies führte dazu, dass Angreifer viel Energie darauf verwendet haben zu begründen, warum ihr Fall gerade nicht einfach ist. Die Gerichte haben häufig zugunsten der Abmahner entschieden. Dies wird auch bei dem neuen Gesetz nicht anders sein, so dass „geringe“ Vertragsstrafen und Gegenstandswerte i.H.v. 1.000 € eher selten sein werden und ein hohes finanzielles Risiko weiterhin bestehen bleibt.

Fliegender Gerichtsstand

  • Mit § 14 Abs. 2 UWG-E wird der fliegende Gerichtsstand bei Verstößen eingeschränkt, die auf Telemedien oder im elektronischen Geschäftsverkehr begangen werden

Die Anwaltschaft hat sich im Gesetzgebungsverfahren vor allem gegen die Abschaffung des sog. fliegenden Gerichtsstandes im Internet gewehrt. Diese teilweise Abschaffung wird den Missbrauch jedoch nicht eindämmen, sondern eher Nachteile mit sich bringen. Wenn unerfahrene Gerichte nicht im Sinne der Abmahner entscheiden, werden diese sich künftig nicht scheuen, durch mehrere Instanzen zu prozessieren, um doch mit der Abmahnung durchzudringen. Die Fokussierung auf diesen Nebenschauplatz hat jedoch von den wesentlichen Themen abgelenkt.

Den ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung finden Sie hier. Die vom Rechtsausschuss geänderte und letztlich angenommene Fassung können Sie hier abrufen und hier die BR-Drucksache.

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09.10.20