Update: Das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs hat heute am 9.10.2020 unverändert den Bundesrat passiert. Nach der Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten kann es im Bundesgesetzblatt verkündet werden.

Gestern wurde im Bundestag das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs in der Ausschussfassung mit der Mehrheit der von CDU/CSU und SPD angenommen. Grüne und AFD stimmten dagegen, die FDP und Linke enthielten sich. Mit dem Gesetz wird das Problem der Abmahnungen zwar angegangen, aber nicht zu Ende gedacht. An vielen Stellen schießt das Gesetz über das Ziel hinaus, ist unklar und schafft neue Probleme.

Klagebefugnis

  • Mitbewerber, die abmahnen, müssen künftig nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG-E tatsächlich geschäftlich tätig sein und in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich ähnliche Waren oder Dienstleistungen vertreiben oder nachfragen.
  • Die Anspruchsberechtigung der Wirtschaftsverbände wird davon abhängig gemacht, dass sie auf einer Liste der so genannten qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen sind. Ihnen muss zukünftig eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt. Hiermit soll sichergestellt werden, dass die Verbände auch tatsächlich einen erheblichen Anteil der Unternehmen auf dem spezifischen Markt repräsentieren. Die Voraussetzungen der Eintragung und deren weitere Erfüllung werden vom Bundesamt für Justiz (BfJ) überprüft.

Durch diese Regelung steht zu befürchten, dass Verbände, wegen derer u.a. das Gesetz auf den Weg gebracht wurde, in diese Liste eingetragen werden und quasi mit staatlicher Anerkennung weitermachen. So hat z.B. der umstrittene IDO-Verband in den letzten Jahren rund 600 Mitglieder “gewonnen”, kleine seriöse Handwerksverbände werden die Schwelle von 75 Unternehmen hingegen evtl. nicht erreichen und als Korrektiv wegfallen. Auch werden sämtliche Verbände während der einjährigen Übergangsfrist noch einmal “Vollgas” bei Abmahnungen geben, um ihre Aktivlegitimation zu verbessern und die Chance auf Eintrag in die Liste zu erhöhen.

Unzulässigkeit missbräuchlicher Abmahnungen

  • Mit § 8c Abs. 2 UWG-E werden bestimmte Fallgestaltungen missbräuchlicher Abmahnungen in Gesetz aufgenommen. Ihnen kommt jedoch nur Indizwirkung für einen Missbrauch zu. Erforderlich soll eine umfassende Würdigung der Gesamtumstände sein.
  • Im Falle einer missbräuchlichen Geltendmachung steht dem Abgemahnten ein Gegenanspruch zu und er kann Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen fordern, § 8 Abs. 3 UWG-E.

Hier wurde der Regierungsentwurf verwässert. Ursprünglich gab es eine Art Beweislastumkehr in § 8b Abs. 2 UWG-RegE, wonach es hieß “eine missbräuchliche Abmahnung liegt insbesondere vor, wenn”. Nun wurde abgeschwächt formuliert “Eine missbräuchliche Geltendmachung ist im Zweifel anzunehmen, wenn” (§ 8c Abs. 2 UWG-neu) Demnach muss der Abgemahnte sehr viel mehr Umstände darlegen als er es nach der 2019er Formulierung hätte tun müssen.

Vorgaben an die Gestaltung von Abmahnungen

  • 13 Abs. 2 UWG-E stellt bestimmte Anforderungen an den Inhalt der Abmahnungen. Für den Abgemahnten soll aus der Abmahnung ohne weiteres zu erkennen sein, welches ganz konkrete Verhalten ihm vorgeworfen wird und warum dieses zu einer Rechtsverletzung führt.

Werden diese formalen Anforderungen nicht erfüllt, sind die Folgen weitreichend – der Abmahnende kann nur Ersatz verlangen, wenn die Abmahnung berechtigt ist und diese formalen Anforderungen erfüllt werden. Die Prüfung durch einen spezialisierten Anwalt erhöht bereits die Chance, dass der Ersatzanspruch des Abmahners bereits aus diesem Grund nicht besteht.

Diese auch schon im RegE vorhandene Vorgabe ist sinnvoll, dürfte in der Praxis Abmahner jedoch nicht zurückhalten, die ein Geschäftsmodell entwickelt haben und sich dabei natürlich an die formalen Vorgaben halten werden.

Gegenanspruch des Abgemahnten

  • Wenn die Abmahnung unberechtigt ist oder nicht die formalen Anforderungen erfüllt, steht dem Abgemahnten nach § 13 Abs. 5 UWG-E ein Gegenanspruch zu. Abgemahnte haben in diesem Fall einen Anspruch auf Ersatz der ihnen entstandenen Kosten gegen den Abmahnenden.

Auf ein missbräuchliches Motiv des Abmahnenden kommt es hierbei nach der Gesetzesbegründung nicht an. Es ist ausreichend, dass kein Rechtsverstoß vorliegt oder die Abmahnung nicht den formalen Anforderungen genügt. Der Anspruch ist jedoch auf die Höhe des Anspruchs beschränkt, die der Abmahnende geltend macht, und ist zudem ausgeschlossen, wenn die fehlende Berechtigung der Abmahnung für den Abmahner zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht zu erkennen war.

Auch diese Regelung ist begrüßenswert. Es wird allerdings nicht immer leicht zu beantworten sein, ob eine Abmahnung missbräuchlich war, so dass der Gegenanspruch vermutlich nur nach einem weiteren Rechtsstreit, der wiederum Geld kostet, durchgesetzt werden kann.

Auch zu beachten: Verbände veranschlagen geringere Kosten. Die Rechtsanwaltskosten des Abgemahnten werden diese Gebühren wahrscheinlich übersteigen, weshalb der Abgemahnte einen Teil dieser Kosten in einem solchen Fall selbst tragen müsste oder er seinen Anspruch gar nicht erst geltend machen wird. Diese Einschränkung wurde „zum Schutz der qualifizierten Wirtschaftsverbände und qualifizierten Einrichtungen, die lediglich einen Anspruch auf eine Aufwendungspauschale besitzen“ hinzugefügt. Ursprünglich sollte dieser Gegenanspruch dazu führen, die finanziellen Anreize zu reduzieren und sicherstellen, dass Abmahner ihren Anspruch sorgfältig prüfen. Diesen Zweck erfüllt die Vorschrift nicht mehr.

Kein Aufwendungsersatz bei bestimmten Verstößen

  • Wenn ein Mitbewerber abmahnt, kann er keinen Ersatz der Aufwendungen für seine Abmahnung verlangen, wenn es sich um Verstöße gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien handelt. Dasselbe gilt für Verstöße gegen die DSGVO oder das BDSG, in diesem Fall ist der Ausschluss jedoch auf Unternehmen oder Vereine beschränkt, die in der Regel weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen.

Zu solchen Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten sollen nach der Gesetzesbegründung z.B. Verstöße gegen die Impressumspflicht, Informationspflichten im Fernabsatz, die Pflicht zur Widerrufsbelehrung oder Vorschriften der PAngV gehören. Unklar ist jedoch, ob nur das komplette Fehlen der entsprechenden Informationen hiervon erfasst wird oder auch falsche, also irreführende Angaben. Nach der Gesetzesbegründung muss es sich nicht um spezielle Pflichten im Online-Handel oder auf Webseiten handeln, sondern es soll genügen, dass die Verstöße in diesem Bereich auftreten. Es darf sich nicht um Warnhinweise oder die grundsätzliche Pflicht zur Kennzeichnung geschäftlicher Handlungen handeln.

An dieser Stelle schießt das Gesetz über den Zweck hinaus. Ursprünglich haben wir einmal vorgeschlagen, dass Petitessen wir der Link auf die OS-Plattform oder fehlende Vertragstextspeicherung nicht mehr kostenpfichtig abgemahnt werden können. Dass nun sämtliche Verstöße gegen Informationspflichten (z.B. auch fehlende Allergene bei Lebensmitteln, fehlende Energiekennzeichnung oder fehlende Grundpreise) von Mitbewerbern nur noch auf eigene Kosten beseitigt werden können, wird zu einem Wildwuchs in diesem Verbraucherschutz-relevanten Bereich führen, den niemand beabsichtigt hat.

Abmahnen können Wettbewerber jedoch weiterhin, sie können nur keine Erstattung hierfür anfallender Kosten verlangen. Ebenso bleiben sie weiterhin dazu berechtigt, Klage zu erheben.

Qualifizierte Wirtschaftsvereine z.B. bleiben weiterhin zum Ersatz auch bei oben genannten Verstößen berechtigt. Damit wird sich das Problem der missbräuchlichen Abmahnungen zukünftig auf diesen Bereich verlagern.

Vertragsstrafe

  • Mitbewerber dürfen nach § 13a Abs. 2 UWG-E keine Vereinbarung einer Vertragsstrafe fordern, wenn erstmalig eine Unterlassungsverpflichtung gefordert wird. Dieser Ausschluss gilt, wenn der Abgemahnte in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt.

Abgesehen von der unnötigen Komplexität der Vorschrift (Prüfung der Mitarbeiterzahl, andere Schwelle als bei Datenschutz-Verstößen) stellt sich die Frage, wie es nach Abgabe einer Unterlassungserkärung ohne Vertragsstrafe weitergeht. Das OLG Hamm (U. v. 22.8.2013, 4 U52/13) nimmt z.B. an, dass eine Unterlassungserklärung ohne Vertragsstrafe selbstständige Grundlage eines Vollstreckungszwangs nach § 890 ZPO sein kann. Wird weiterhin gegen die Unterlassungspflicht verstoßen, was sich häufig nicht ausschließen lässt, wird sicher auch die zweite Stufe (strafbewährt) folgen.

Erfolgt die erstmalige Abmahnung des Verstoßes dagegen durch einen Wirtschaftsverband, eine qualifizierten Einrichtung, eine Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer oder Gewerkschaft, besteht auch weiterhin die Möglichkeit, zur Streitbeilegung unmittelbar die Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung zu verlangen.

  • In einfach gelagerten Fällen soll die Vertragsstrafe bei Verstößen auf maximal 1.000 € begrenzt werden. Diese Begrenzung gilt nur für Abgemahnte , die in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigen.

Ähnlich wie bei dem Gesetz zur Eindämmung von Abmahnungen gegen Privatpersonen wegen Urheberrechtsveretzungen aus dem Jahr 2013 steht zu befürchten, dass die Vielzahl der Fälle als nicht einfach gelagert dargestellt und auch von den Gerichten so beurteilt werden. Einen Versuch ist es aber wert.

Fliegender Gerichtsstand

  • Mit § 14 Abs. 2 UWG-E wird der fliegende Gerichtsstand bei Verstößen eingeschränkt, die auf Telemedien oder im elektronischen Geschäftsverkehr begangen werden.

Diese Regelung ist das rote Tuch der Anwaltschaft und hat dazu geführt, dass geschlossen gegen das gesamte Gesetz Stimmung gemacht und das bestehende Missbrauchsproblem geleugnet wurde. M.E. ist dies eher ein poitisches als ein praktisches Thema. Ich glaube nicht, dass die teilweise Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes den Missbrauch eindämmt, sondern eher Nachteile mit sich bringt. Jedoch hat die Fokussierung auf diesen Nebenschauplatz dazu geführt, dass die restlichen Regelungen des Gesamtpaketes nun handwerklich suboptimal sind, da sich niemand inhaltlich qualifiziert damit auseinandergesetzt hat. Gleiches gilt auch für die Begrenzung von Abmahnungen bei Datenschutzverstößen: die Abmahnwelle gibt es seit 2018 nicht, nur stritten sich CDU/CSU und SPD erbittert um dieses Politikum. Der Fokus darauf hat den Blick von den wesentlichen Themen abgelenkt.

Begrenzung des Streitwerts

  • Der Streitwert im Fall eines gerichtlichen Verfahrens im Anschluss an eine Abmahnung wird verringert. Bei Zuwiderhandlungen, die angesichts ihrer Art, ihrer Schwere, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern in nur unerheblichem Maße beeinträchtigen, gilt der Auffangwert von 1.000 €.

Fazit

Dr. Martin Hohlweck, Richter am OLG Köln, bezeichnete den Gesetzentwurf bereits in der WRP 2020, 266 als „Heilmittel, das geeignet ist, einige Symptome zu lindern, das zugrundeliegende Problem aber nur ansatzweise bekämpft und erhebliche Risiken und Nebenwirkungen hat.“ Leider haben die Anpassungen des Ausschusses hieran nichts geändert, sondern eher verschlimmbessert. Es bleibt abzuwarten, ob das “Lex IDO” den umstrittenen Abmahnverein und weitere fragwürdige Akteure nicht eher stärkt und dafür unbeabsichtigte Kollateralschäden bei zahlreichen seriösen Akteuren anrichtet.

Aber wie in der Vergangenheit konnte es auch nicht bleiben, daher ist es ein positives Signal, dass der Gesetzgeber sich des Themas annimmt. Das Gesetz muss Anfang Oktober noch den Bundesrat passieren, bevor es geltendes Recht ist.

Den ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung finden Sie hier, die vom Rechtsausschuss geändert und letztlich angenommene Fassung können Sie hier abrufen.

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