Wird eine Ware geliefert und eingebaut, liegt der Gedanke nahe, dass es sich um „Maßanfertigungen” handelt, die vom Widerrufsrecht ausgenommen sind. Für Werkverträge gilt diese Ausnahme jedoch nicht, für Werklieferungsverträge hingegen schon. Das OLG Köln (Beschl. v. 13.5.2020 – 6 U 300/19) entschied, dass es für die Bestimmung des Vertragstyps auf den Schwerpunkt des Vertrags ankomme.
Die Beklagte vertreibt Treppenlifte in verschiedenen Varianten. Darunter gibt es Modelle, die mit Standardbauteilen zusammengebaut werden, aber auch ein Kurventreppenlift-System, das mit individuell angefertigten Schienen auf die Gegebenheiten der einzelnen Treppenhäuser angepasst wird. Bei den Treppenliften mit Standardbauteilen wurde über das Widerrufsrecht informiert, für individuelle Kurventreppenlifte wurde es hingegen ausgeschlossen.
Die Klägerin verlangte Unterlassung der Werbung gegenüber Verbrauchern, soweit das gesetzliche Widerrufsrecht ausgeschlossen werde. Sie war der Auffassung, die Beklagte informiere fehlerhaft und täusche über die Rechtslage, wenn sie bei Kurventreppenliften das Widerrufsrecht per se - mit Ausnahme des Modells A – ablehne. Es handle sich um einen Werkvertrag und nicht einen Kauf- oder Werklieferungsvertrag, sodass ein gesetzliches Widerrufsrecht gemäß §§ 312d, 312g, 355 BGB bestehe.
Die Beklagte hingegen verteidigte sich damit, dass es sich um einen Werklieferungsvertrag handle, der gem. § 650 BGB wie ein Kaufvertrag zu behandeln sei. Für diesen sei wegen der individuellen Anfertigung gem. § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB das Widerrufsrecht ausgeschlossen.
Das LG Köln hatte in der Vorinstanz die Klage abgewiesen (Urt. v. 3.12.2019 – 81 O 72/19). Gegen diese Entscheidung wendete sich die Klägerin mit der Berufung.
Das OLG Köln folgte ebenfalls der Ansicht der Beklagten und wies die Berufung zurück. Es handle sich vorliegend um einen Werklieferungsvertrag, für den die Ausnahme vom Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB greife.
Die Beklagte habe nicht gegen die Pflicht zur Belehrung über das Widerrufsrecht verstoßen, da vorliegend kein Widerrufsrecht bestand.
Die Pflicht zur Information besteht indes dann nicht, wenn gemäß § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB ein Vertrag zur Lieferung von Waren abgeschlossen ist, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind.
Die Beklagte hatte sich bereits in der Vorinstanz erfolgreich damit verteidigt, dass es sich bei der Lieferung und dem Einbau des Treppenlifts um einen Werklieferungsvertrag handle. Dieser Ansicht folgte auch das OLG Köln. Werklieferungsverträge sind gem. § 650 BGB wie Kaufverträge zu behandeln und können unter die Ausnahmen des Widerrufsrechts fallen.
Art. 1 Abs. 4 RL 1999/44/EG, auf den der Inhalt des § 650 zurückgeht, bestimmt, dass als Kaufverträge im Sinne dieser Richtlinie auch Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Verbrauchsgüter gelten. Art. 1 Abs. 2 lit. b RL 1999/44/EG definiert dabei den Begriff der „Verbrauchsgüter“ als „bewegliche körperliche Gegenstände“ mit Ausnahme von in der Richtlinie näher bezeichneten Gütern (Art. 1 Abs. 1 lit. b RL 1999/44/E). Danach gelten als Verbrauchsgüter lediglich solche nicht als bewegliche körperlichen Gegenstände, die aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder anderen gerichtlichen Maßnahmen verkauft werden, Wasser und Gas sowie […]. Verträge, die allein die Lieferung von herzustellenden beweglichen Bau- oder Anlagenteilen zum Gegenstand haben, sind nach Maßgabe des § 650 BGB nach Kaufrecht zu beurteilen. Die Zweckbestimmung der Teile, in Bauwerke eingebaut zu werden, rechtfertigt keine andere Beurteilung (vgl. BGH, Urteil vom 23.07.2009 - VII ZR 151/08, NJW 2009, 2877).
Das Gericht stellte klar, dass es bei der Abgrenzung der Vertragsarten auf den Schwerpunkt des Vertrags ankomme und bezog sich auf ein Urteil des BGH.
Ist Gegenstand des Vertrages nicht nur die Lieferung eines Gegenstandes, sondern auch dessen Montage, kommt es für die rechtliche Einordnung des Vertragsverhältnisses als Kaufvertrag (mit Montageverpflichtung) oder als Werkvertrag darauf an, auf welcher der beiden Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt. Liegt der Schwerpunkt des Vertrags auf der mit dem Warenumsatz verbundenen Übertragung von Eigentum und Besitz, liegt ein Kauf- oder Werklieferungsvertrag vor. Liegt der Schwerpunkt des Vertrags dagegen nicht auf dem Warenumsatz, sondern schuldet der Unternehmer die Herstellung eines funktionstauglichen Werks, ist ein Werkvertrag anzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 30.08.2018 - VII ZR 243/17, NJW 2018, 3380 - Senkrechtlift). Für die Beurteilung des Schwerpunkts der Leistung sind vor allem die Art des zu liefernden Gegenstands, das Wertverhältnis von Lieferung und Montage sowie Besonderheiten des geschuldeten Ergebnisses zu berücksichtigen (vgl. Molt in BeckOGK aaO, § 650 Rn. 21, mwN). Maßgeblich ist letztlich die Verkehrsanschauung.
Vorliegend sei der Vertrag als Werklieferungsvertrag einzuordnen. Nach der Verkehrsanschauung liege der Schwerpunkt auf der Lieferung des individuell angefertigten Lifts und nicht auf dessen Montage und Planung. Eine Montage könne durch jede Fachfirma mit geringem Aufwand erfolgen.
Zutreffend hat das Landgericht dabei auch darauf abgestellt, dass die Lieferung des individuell angefertigten Liftsystems maßgeblich ist und nicht dessen Montage und Planung. Diese stellen sich insgesamt als bloße Ergänzung der Erstellung des Liftsystems dar.
Mit Recht hat das Landgericht in diesem Zusammenhang auch die Leistungen der Beklagten betrachtet, die diese neben der Planung und Montage erbracht hat. Diese sind nach der Verkehrsanschauung der Lieferung des Systems zuzuordnen, ohne dass es darauf ankäme, ob die Beklagte hier das Produkt (individuell) hergestellt oder erworben hat. Kann ein Treppenlift, was dem Publikum auch bekannt ist, mit geringem Aufwand durch ein Fachunternehmen montiert werden, steht die Lieferung des Produkts und nicht dessen Planung und Montage im Vordergrund. Denn in diesem Fall liegt der Schwerpunkt des Geschäfts auf der Übertragung des Eigentums an dem Liftsystem und nicht auf der als Nebenleistungen anzusehenden Montage oder Planung. Eine Unterscheidung zur Lieferung und Montage eines nicht individuell angefertigten Liftsystems, der als Kaufvertrag einzuordnen ist, ist nicht begründet.
Die Beklagte hatte sich zudem mit dem Argument verteidigt, dass die individuelle Erstellung der Laufschiene des Treppenlifts im Vordergrund stehe. Dies sei jedoch nicht entscheidend.
Diese Herstellung ist zwar unstreitig ein wesentlicher Bestandteil der Leistung der Beklagten, so dass auch diese Voraussetzung des § 312g Abs. 1 Nr. 1 BGB erfüllt ist, weil es sich um die Lieferung einer Ware handelt, die nicht vorgefertigt ist und die eindeutig auf die persönlichen Verhältnisse des Verbrauchers zugeschnitten ist. Dies stellt aber kein taugliches Abgrenzungskriterium zum Werkvertrag dar, weil - wie dargelegt - auch die Lieferung einer angefertigten Sache dann als Werkliefervertrag im Sinne des BGB und als Kaufvertrag im Sinne der Richtlinie anzusehen ist, wenn die Lieferung im Vordergrund steht, unabhängig davon, ob das vertraglich zugesagte Produkt zunächst noch hergestellt werden muss. Die Tatsache, dass die Erstellung individuell erfolgt, ändert nichts an der Einordnung als Werkliefervertrag.
Für Kauf- und Werklieferungsverträge, die gem. § 650 BGB wie Kaufverträge behandelt werden, kann die Ausnahme vom Widerrufsrecht für individualisierte Ware nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB Anwendung finden, für Werkverträge gilt die Ausnahme nicht. Das OLG Köln hat nun noch einmal klargestellt, dass es für eine Abgrenzung der Vertragstypen auf den Schwerpunkt der Leistung ankommt. Liegt dieser in der Lieferung, auch wenn im Zusammenhang Planung und Montage erbracht werden, liegt grundsätzlich ein Werklieferungsvertrag vor, der von einem möglichen Ausschluss des Widerrufsrechts erfasst wird.
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