Nicht nur Waren werden online gekauft, auch Werkverträge werden geschlossen, z.B. über den Einbau oder die Installation. Der Gedanke liegt nahe, dass es sich um “Maßanfertigungen” handelt, die vom Widerufsrecht ausgenommen sind. Dieser Ansicht hat der BGH nun eine Absage erteilt.

Der Kläger des Verfahrens hatte die Beklagte damit beauftragt, an der Außenfassade des von ihm bewohnten Wohnhauses einen Senkrechtlift anzubringen. Den Vertrag hatten sie im Wohnhaus des Klägers geschlossen. Die Montage sollte “innerhalb von ca. 10 Wochen nach Bauaufmaß und geklärter Bestellung” erfolgen. Dazu schickte die Beklagte die Planungsunterlagen zur Freigabe an den Kläger.

Anstatt die Planung freizugeben, verlangte er Nachbesserung der Konstruktionszeichnung. Kurze Zeit darauf, am 9.6.2015 widerrief der Kläger dann den Vertrag gegenüber dem Beklagten. Als dieser sich nicht meldete forderte der Kläger dann die Rückzahlung der als Vorschuss gezahlten 12.435 Euro. Statt der Rückzahlung des Vorschusses erhielt der Kläger dann am 3.9.2015 eine Berechnung der Werklohnkosten wegen der aus Sicht der Beklagten erfolgten Kündigung.

Mit seiner Klage verfolgte der Kläger seinen Rückzahlungsanspruch über die gezahlten 12.435 Euro weiter.

Keine Umbaumaßnahme

Zunächst musste der BGH (Urteil v. 30.8.2018, VII ZR 243/17) feststellen, ob der Anwendungsbereich des § 312g BGB überhaupt eröffnet war. Die Vorschriften über Verbraucherverträge sind nämlich gem. § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht auf Verbraucherbauverträge anwendbar, die erhebliche Umbaumaßnahmen an bereits bestehenden Gebäuden zum Inhalt haben.

Allerdings sei der Begriff der erheblichen Umbaumaßnahmen im Einklang mit den zugrundeliegenden EU-Richtlinien eng auszulegen, sodass hierunter nur solche Umbaumaßnahmen zu verstehen seien, die mit dem Bau eines neuen Gebäudes vergleichbar seien. Die bloße Errichtung von Anbauten sei nicht davon erfasst.

Somit stand der grundsätzlichen Anwendung der §§ 312 ff. BGB nichts entgegen.

Vertragstyp maßgeblich

Der Ansicht der Beklagten, dass das Widerrufsrecht des Klägers in diesem Fall ausgeschlossen sei, widersprach der BGH ebenso wie schon die beiden Vorinstanzen:

“Das Widerrufsrecht des Klägers ist nicht nach § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB ausgeschlossen.

Vorbehaltlich anderweitiger Vereinbarungen besteht nach dieser Norm kein Widerrufsrecht bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind.”

Insofern kam es darauf an, um welche Art von Vertrag es sich hier handelte.

Schwerpunkt liegt auf Herstellung

Statt eines Vertrages über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen (Werklieferungsvertrag) nahm der BGH in diesem Fall einen Werkvertrag iSd. § 631 BGB an.

“Für die Abgrenzung von Kauf- und Werklieferungsverträgen einerseits und Werkverträgen andererseits ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblich, auf welcher der Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt.”

Hier lag unabhängig vom großen wertigen Unterschied zwischen Montage und Material (Kosten für letzteres etwa vier mal so hoch) der Schwerpunkt auf der Herstellung eines funktionstauglichen Werks in Form des Außenlifts.

Damit handelte es sich nach Ansicht des BGH um einen Werkvertrag.

Widerrufsrecht besteht

Dieser Falle aber nicht in den Anwendungsbereich der Ausnahme nach § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB.

“Diese Regelung findet keine Anwendung, da der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag nicht als Vertrag über die Lieferung von Waren im Sinne des § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB einzustufen ist.

Dem Wortlaut nach umfasst § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB Verträge, die auf die Lieferung von Waren gerichtet sind. […]

In Abgrenzung zum ‘Kaufvertrag’ ist dagegen ein ‘Dienstleistungsvertrag’ jeder Vertrag, der kein Kaufvertrag ist und nach dem der Unternehmer eine Dienstleistung für den Verbraucher erbringt oder deren Erbringung zusagt und der Verbraucher hierfür den Preis zahlt oder dessen Zahlung zusagt, Art. 2 Nr. 6 Verbraucherrechterichtlinie.

Nach dieser Definition sind Werkverträge (§ 631 BGB) jedenfalls regelmäßig nicht als auf die Lieferung von Waren gerichtete Verträge einzustufen.”

Wertersatz statt Ausschluss des Widerrufsrechts

Diese Auslegung stimme auch mit der Systematik der Regelungen zu Verbraucherverträgen überein.

Demnach sei der Schutz eines Unternehmers, der Werkleistungen erbringt, nicht durch § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB gewährleistet, sondern durch § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB.

“Nach dieser Vorschrift schuldet der Verbraucher dem Unternehmer unter den weiteren Voraussetzungen von § 357 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Dienstleistung, wenn der Verbraucher von dem Unternehmer ausdrücklich verlangt hat, dass dieser mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt.

Der in § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB benutzte Begriff der “Dienstleistung” entspricht der Definition in Art. 2 Nr. 6 Verbraucherrechterichtlinie und erfasst damit jedenfalls regelmäßig auch Werkverträge.”

Widerruf auch neben Kündigung möglich

Zudem hatte der Kläger den Widerruf auch rechtzeitig sowie eindeutig erklärt. Weil der Beklagte nicht die Informationspflichten bezüglich des Widerrufsrechts erfüllt hatte, galt die verlängerte Widerrufsfrist von 12 Monaten und 14 Tagen. Diese hatte der Kläger gewahrt.

Außerdem habe der Kläger auch noch neben der vermeintlichen Kündigung, die die Beklagte angenommen hatte, sein Widerrufsrecht geltend machen können.

“Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es Sinn des Widerrufsrechts, dem Verbraucher ein an keine materiellen Voraussetzungen gebundenes, einfach auszuübendes Recht zur einseitigen Loslösung vom Vertrag in die Hand zu geben, das neben und unabhängig von den allgemeinen Rechten besteht, die jedem zustehen, der einen (Werk-)Vertrag schließt.

Der Verbraucher kann deshalb (innerhalb der Widerrufsfrist) frei wählen, ob er das Widerrufsrecht geltend macht.

Dem Kläger war es daher unbenommen, nach einer etwaigen Kündigung gemäß § 649 BGB sein Widerrufsrecht auszuüben.”

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