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OLG Koblenz: IDO konnte Aktivlegitimation nicht nachweisen

Für die Aktivlegitimation nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG muss ein Interessenverband u.a. nachweisen, dass ihm eine erhebliche Zahl an Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen auf demselben Markt wie der Beklagte vertreiben. Das OLG Koblenz (Beschl. v. 3.2.2020 – 9 W 356/19) entschied nun, dass dem IDO-Verband für die Branche „Schmuck“ diese Aktivlegitimation fehlt.

Im konkreten Fall ging es um eine Kostenbeschwerde. Die Beklagte und der IDO hatten den Rechtsstreit einvernehmlich für erledigt erklärt. In diesem Fall richtet sich die Kostentragungspflicht gem. § 91a ZPO nach billigem Ermessen. Hierfür ist es entscheidend, wem die Kosten aufzuerlegen gewesen wären, wenn der Rechtsstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden wäre. Das LG Mainz hatte in der Vorinstanz entschieden, dass die Beklagte die Kosten tragen müsse. Gegen diese Entscheidung legte sie Beschwerde ein. Das OLG Koblenz gab ihr Recht. Eine Klage des IDO wäre voraussichtlich ohne Erfolg geblieben, denn er habe weder seine Aktivlegitimation noch seine Prozessführungsbefugnis hinreichend dargelegt.

Voraussetzungen der Aktivlegitimation

Das Gericht hob zunächst die Voraussetzungen der Aktivlegitimation und Prozessführungsbefugnis hervor. Voraussetzung hierfür ist, dass dem Kläger eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Diese Voraussetzung konnte der IDO nicht beweisen.

Voraussetzung sowohl der Prozessführungsbefugnis als auch der Aktivlegitimation (sog. Lehre von der Doppelnatur […]) ist im Streitfall gemäß §§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, 4a Abs. 2 Satz 1, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UKlaG unter anderem, dass dem Kläger eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür obliegt allein dem Kläger (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen-Köhler/Feddersen, a.a.O., Rdnr. 3.66 i.V.m. § 3 UKlaG, Rdnr. 5; Ohly/Sosnitza-Ohly, UWG, 7. Aufl. 2016, § 8, Rdnr. 90). Dem ist dieser nicht gerecht geworden.

Keine jahrelange Anerkennung der Klagebefugnis

Aus der jahrelangen Anerkennung eines Verbandes als klagebefugt könne zwar eine tatsächliche Vermutung dafür folgen, dass diese Voraussetzungen noch immer vorliegen. Die Beklagte konnte jedoch etliche Urteile anführen, die im Hinblick auf den IDO anders lauteten.

Von einer derartigen jahrelangen Anerkennung des Klägers als klagebefugt kann in Anbetracht der hier beklagtenseits angeführten Gerichtsentscheidungen gegenteiligen Inhalts indes keine Rede sein.

Was ist eine erhebliche Zahl?

Zentraler Streitpunkt in dieser Angelegenheit war der Begriff der „erheblichen Anzahl an Unternehmen“ nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Hierdurch soll ein Missbrauch durch den Verband ausgeschlossen werden.

Erheblich im Sinne der hier maßgeblichen Vorschriften ist die Zahl der Mitglieder des Verbands auf dem einschlägigen Markt nämlich nur dann, wenn diese Mitglieder als Unternehmer – bezogen auf den maßgeblichen Markt – in der Weise nach Anzahl und/oder Größe, Marktbedeutung oder wirtschaftlichem Gewicht (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 2. Mai 2019 – 6 U 58/18 -, juris, Rdnr. 24) repräsentativ sind, dass ein missbräuchliches Verhalten des Verbands ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH, GRUR 2015, 1240, 1240 f., Rdnr. 14 – Der Zauber des Nordens; 2007, 809, 810, Rdnr. 15 – Krankenhauswerbung; 610, 611, Rdnr. 18 – Sammelmitgliedschaft; Ullmann-Seichter, jurisPK-UWG, 4. Aufl., Stand: 17. Dezember 2019, § 8, Rdnr. 178). In Zweifelsfällen ist darauf abzustellen, ob die Zahl und wirtschaftliche Bedeutung der branchenzugehörigen Verbandsmitglieder den Schluss darauf zulässt, dass nicht lediglich Individualinteressen Einzelner, sondern objektiv gemeinsame („kollektive“) gewerbliche Interessen der Wettbewerber wahrgenommen werden (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 2. Mai 2019 – 6 U 58/18 -, juris, Rdnr. 24; Köhler/Bornkamm/Feddersen-Köhler/Feddersen, UWG, 38. Aufl. 2020, § 8, Rdnr. 3.42a).

Wirtschaftliche Bedeutung der Mitglieder erforderlich

Die Verbandsmitglieder müssten nach ihrer Zahl und wirtschaftlichem Gewicht zwar nicht im Verhältnis zu allen anderen auf dem Markt tätigen Unternehmen repräsentativ sein. Um jedoch einen Rechtsmissbrauch durch den Verband ausschließen zu können, müsse den angehörigen Unternehmen eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung zukommen.

Für die Frage, ob ein missbräuchliches Verhalten eines Verbandes ausgeschlossen werden kann, kommt es aber durchaus auch darauf an, ob die ihm angehörigen Unternehmen zumindest eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung haben (vgl. Ullman-Seichter, a.a.O., Rdnr. 178.2). Andernfalls könnte ein Verband recht leicht alle Branchen abdecken, indem er gezielt einzelne kleine Online-Händler aus verschiedenen Branchen als Mitglieder wirbt (vgl. Ullmann-Seichter, a.a.O.).

Kleinere Onlinehändler als Mitglieder weniger gewichtig

Hierbei komme Verbandsmitgliedern mit stationären Ladengeschäften, die schon länger am Markt tätig sind, aufgrund der hiermit verbundenen größeren Investitionen ein höheres Gewicht zu als Mitgliedern mit kleinen Online-Shops, insbesondere auf Verkaufsplattformen, so das Gericht.

Verfügt der klagende Verband auf dem einschlägigen Markt über eine Mitgliederstruktur, die ganz überwiegend aus Betreibern solcher Online-Shops besteht, dann kommt der reinen Zahl an Mitgliedern nach dem Vorstehenden keine gewichtige Bedeutung für Klagebefugnis und Anspruchsberechtigung mehr zu (vgl. OLG Frankfurt am Main, a.a.O., Rdnr. 27). Vielmehr sind die Kriterien der Marktbedeutung und des wirtschaftlichen Gewichts in der Vordergrund zu stellen (vgl. OLG Frankfurt am Main, a.a.O.). So liegt der Fall hier.

20 Mitglieder sind keine erhebliche Zahl

Im Bereich „Schmuck“ kommt das Gericht nur auf 20 Mitglieder, die zu berücksichtigen sind. Die Identität einer entsprechenden Anzahl von Mitgliedern, allesamt Onlinehändler und ganz überwiegend auf eBay tätig, hatte der IDO offengelegt. Zur Marktbedeutung und zum wirtschaftlichen Gewicht hatte er jedoch nichts vorgetragen. Im Übrigen wurde nur eine anonymisierte Mitgliederliste vorgelegt, die nicht zu berücksichtigen war.

Dabei sind ohnehin lediglich 20 Mitglieder des Bereichs „Schmuck“ zu beachten, da der Kläger die Identität lediglich einer entsprechenden Zahl von Mitgliedern des vorbezeichneten Bereichs offengelegt hat; im Übrigen hat er sich auf die Vorlage anonymisierter Mitgliederlisten beschränkt. Mithin können vorliegend auch nur 20 Mitglieder des Bereichs „Schmuck“ Berücksichtigung finden, da anderenfalls das berechtigte Interesse der Beklagten daran, selbst zumindest durch Stichproben beispielsweise der Frage nachgehen zu können, ob alle genannten Unternehmen (noch) Mitglieder sind und ob die Angabe des klagenden Verbandes zur Branchenzugehörigkeit, zur Marktstärke und zum örtlichen Betätigungsfeld der Mitgliedsunternehmen (noch) Gültigkeit haben, (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) nicht gewahrt wäre (vgl. BGH, GRUR 1997, 934, 936 – 50 % Sonder-AfA; 1996, 217, 218 – Anonymisierte Mitgliederliste). […] Die danach in die Betrachtung einzubeziehenden Mitglieder des Klägers vertreiben ihre Waren allesamt online und dabei ganz überwiegend über eBay. Dennoch hat der Kläger zur Marktbedeutung und zum wirtschaftlichen Gewicht der betreffenden Mitglieder keinerlei Vortrag gehalten. Dies geht nach den oben dargestellten Grundsätzen zu seinen Lasten.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Koblenz ist nicht die erste dieser Art. Bereits in einem anderen Verfahren vor dem LG Rostock war es dem IDO nicht gelungen, seine Aktivlegitimation nachzuweisen. Mit dem Thema Aktivlegitimation des IDO haben sich bisher noch nicht viele Gerichte intensiver befasst. Zu einem Rechtsmissbrauch durch den IDO äußerten sich zuletzt jedoch das LG Heilbronn und das OLG Celle.

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