Der Abmahnverein IDO (Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V.) gehört zu den Institutionen, die mit am häufigsten Online-Händler abmahnen. So war nach dem Trusted-Shops-Abmahnradar von Dezember 2019 der IDO mit 35% der Abmahnungen der häufigste Abmahner.
Viele Internethändler sind daher in der Vergangenheit Opfer des IDO geworden. Nicht wenige Internethändler sind Mitglied beim IDO geworden in der Hoffnung, dann vom IDO nicht abgemahnt zu werden. Diesen „Abmahnschutz“ hat der IDO nach unserer Kenntnis zwar seinen Mitgliedern nicht zugesagt, in der Praxis jedoch durchaus gelebt, wie eine aktuelle Entscheidung des Landgerichtes Heilbronn (LG Heilbronn, Urteil vom 20.12.2019, Az.: 21 O 38/19 KFH (nicht rechtskräftig)) zeigt.
Der Abgemahnte wurde in diesem Verfahren durch die Kanzlei Schmid & Stillner vertreten.
IDO handelt rechtsmissbräuchlich, da er seine eigenen Mitglieder verschont
In dem Verfahren war ein Internethändler vom IDO wegen verschiedener Verstöße in seinem Internetauftritt wettbewerbsrechtlich abgemahnt worden.
Der Abgemahnte hatte gegen den IDO daraufhin eine negative Feststellungsklage eingereicht, woraufhin der IDO die Unterlassungsansprüche in diesem Verfahren im Wege einer Widerklage geltend gemacht hatte. Aus diesem Grund wird der IDO in diesem Verfahren als Widerkläger bezeichnet. Das Gericht hatte es sich mit seiner Entscheidung nicht leicht gemacht: Unter anderem wurde die Geschäftsführerin des IDO als Zeugin vernommen.
IDO mahnt eigene Mitglieder nicht ab
Das Landgericht Heilbronn kam zu dem Ergebnis, dass der IDO seine eigenen Mitglieder zielgerichtet nicht abmahnt. In Fällen, in denen es Beschwerden über Mitglieder des IDO bzw. zu Beschwerden zwischen Mitgliedern untereinander gegenüber dem IDO kam, wurde durch den IDO keine Abmahnung ausgesprochen. Vielmehr erteilte der IDO dem betroffenen Mitglied entsprechende Hinweise zur Beseitigung der Verstöße.
Der Sachverhalt stellte sich dabei etwas anders dar, als im Verfahren vom IDO vorgetragen. Im Rahmen der Beweiswürdigung führt das Landgericht Heilbronn aus:
„So hat der Widerkläger nicht allein behauptet, er weise seine Mitglieder auf Verstöße hin, sondern er setze eine Frist zur Beseitigung des jeweiligen Verstoßes bzw. nach fruchtlosem Fristablauf werde er auch gegen das Mitglied tätig, d. h. spreche Abmahnungen aus und setze seine Ansprüche auch gegen Mitglieder gerichtlich durch, seien es Unterlassungs- oder Vertragsstrafenansprüche.
Diese Behauptungen sind nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unzutreffend. Der Widerkläger hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung kein gerichtliches Verfahren benennen können, dass einen Unterlassungsanspruch gegen ein Mitglied betraf. Der von ihm als Nachweis für gegen Mitglieder geführte Verfahren in Bezug genommenen Entscheidungen des Landgerichtes Mönchengladbach und Osnabrück betreffen ausweislich der Textauszüge Vertragsstrafenansprüche.
Die ferner als Beleg für einen gegen ein Mitglied geltend gemachten Unterlassungsanspruch angeführte Verfügung des Landgerichtes Berlin vom 12.09.2016 ist nicht aussagekräftig, insbesondere deswegen nicht, weil nicht bekannt ist, unter welchen Umständen welcher Anspruch mit welchem Ergebnis Gegenstand des Verfahrens gewesen sei, das im Übrigen mit großer Wahrscheinlichkeit mittlerweile abgeschlossen sein dürfte, so dass Gegenstand und Art der Erledigung unschwer zu reflektieren gewesen sein würden.
Ganz im Sinne dieser Parallelität hat die Zeugin S. in ihrer Vernehmung die Behauptungen des Widerklägers sinngemäß wiederholt, es erfolge nach einem Ersthinweis eine Aufforderung zur Beseitigung mit Fristsetzung, sodann eine allerletzte Aufforderung, dann werde gegen das Mitglied vorgegangen. Auf konkrete Nachfrage hin zeigte sich die Zeugin indes nicht in der Lage, hierzu konkrete Beispiele zu benennen bzw. auch nur eine Anzahl entsprechender Fälle anzuführen oder auch nur zu den nach der vorgetragenen Stringenz in der Vorgehensweise notwendigen Aktenführungen Ausführungen zu machen, obwohl ihr als durch den Widerkläger universell benannte Zeugin entsprechende Fähigkeiten angesonnen seien müssten.“
Selektives Vorgehen ausschließlich gegen Nicht-Mitglieder führt zu Rechtsmissbrauch
Im Ergebnis kommt das Landgericht Heilbronn zu dem Schluss, dass das selektive Vorgehen des IDO ausschließlich gegenüber Nicht-Mitgliedern sowie weitere Aspekte zur Folge haben, dass die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen des IDO rechtsmissbräuchlich ist:
„Im Ergebnis stellt sich die Vorgehensweise des Widerklägers als Missbrauch unter Würdigung der Begleitumstände des vorprozessualen und prozessualen Vorgehens dar.
Zwar ergibt sich ein noch unvollständiges Bild hinsichtlich der Vorgehensweise des Widerklägers und grundsätzlich darf ein Wettbewerbsverband – wie ausgeführt – die Adressaten seines satzungsmäßigen Handelns und seine Vorgehensweise frei bestimmen. Die Möglichkeit des planmäßigen Aussparens von Mitgliedern bei der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen, die auch keinesfalls von der Treuepflicht im Verein gedeckt sein kann, da sich diese niemals gegen satzungsmäßige Verpflichtungen richten kann, ist indes greifbar.
Bereits auf dieser Basis greift die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast, wie sie das OLG Hamm in dem vom Widerbeklagten angeführten Urteil vom 13.06.2013 – 4 U 26/13 – zutreffend gesehen hat. Demnach obläge es nach alledem bereits aus diesen Gründen dem Widerkläger, den gegen ihn sprechenden Anschein zu entkräften.
Hinzukommt der oben dargelegte weitergehende Anschein einer Verquickung privater und öffentlicher Interessen. Besonders aber im Zusammenwirken mit dem dargestellten Prozessverhalten ergibt sich ein Gesamtbild, dass die Durchsetzung etwa gegebener Unterlassungsansprüche im vorliegenden Verfahren ausschließt.
Fazit
Aus der Entscheidung des Landgerichtes Heilbronn wird deutlich, dass es beim IDO eine besondere Form des „Abmahnschutzes“ gab. Eigene Mitglieder des IDO konnten so gut wie sicher sein, vom IDO nicht abgemahnt zu werden. Die Entscheidung des Landgerichtes Heilbronn ist ein gutes Argument, um im Einzelfall gegen Abmahnungen des IDO mit dem Argument des Rechtsmissbrauches vorzugehen.
Über Rechtsanwalt Johannes Richard
Rechtsanwalt Johannes Richard ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Partner der Kanzlei Richard & Kempcke. Er betreibt die Internetseite internetrecht-rostock.de und berät seit vielen Jahren Shopbetreiber und Abgemahnte.
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Hat das eine Auswirkung auf die bereits geschädigten?
egal was hier alles beanstandet wurde. Ich finde es aber gut, das der IDO seine Mitglieder vorher warnt, bevor er zuschlägt. Das sollte mal gesetzlich verankert werden, das es vorher erst eine Warnung geben muss. So kann es nicht passieren, das versehentlich Mini-Fehler auftreten.
Ich kann mir auch vorstellen, das es kaum einen Verkäufer gibt, der dann nicht handelt und die Fehler entfernt. Wer möchte schon freiwillig Unsummen bezahlen?
Viele neue kleine Händler, die noch kaum Erfahrungen haben, laufen in solche Fallen.
Ich habe erst gestern einen Verkäufer von Schmuck darauf hingewiesen, das er das Wort nickelfrei nicht benutzen darf. Er hat sofort reagiert.
Ich werde immer sofort die Verkäufer anschreiben, bei denen ich solche Fehler sehe – und ich würde mich freuen, wenn Andere das auch so machen würden. Vielleicht halten wir auf diese Weise die Abmahnung etwas auf. Ein Gesetz ist ja immer noch nicht auf dem Wege, obwohl es schon letztes Jahr verabschiedet werden sollte.
Hallo,
für mich haben solche Abmahnvereine etwas von einer mafiösen Struktur.
„Zahle an uns oder wir zünden Dir dein Geschäft an!“
Sie nennen es halt:
„Tritt unserem Verein bei und sonst lassen wir dich nicht zufrieden!“