OLG Stuttgart: Werbung mit nicht ernsthaft geforderter UVP irreführend

Für die Werbung mit einer Preisersparnis wird häufig die UVP des Herstellers herangezogen. Diese muss allerdings auch der Wahrheit entsprechen. Das OLG Stuttgart (Urt. v. 6.3.2025 – 2 U 142/23) entschied nun, dass es unzulässig sei, mit einer UVP zu werben, die dauerhaft und deutlich von Hersteller oder einem mit ihm in Verbindung stehenden Unternehmen unterboten wird. Eine solche UVP stehe einer ernsthaften Kalkulation entgegen und habe nur die Funktion, eine attraktive Preiswerbung zu ermöglichen.

Die Beklagte bietet unter ihrer Internetadresse das von der Streithelferin gelieferte Ergometer „Christopeit“, Typ „AL 2 Black Edition“ zu einem Kaufpreis von 303,05 € unter Bezugnahme auf eine unverbindliche Preisempfehlung in Höhe von 649,00 € an. Der Kläger, die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, hält die Werbung für wettbewerbswidrig und hat die Beklagte abmahnen sowie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung mit der Begründung auffordern lassen, „Christopeit“ biete das Gerät selbst zu einem Kaufpreis von EUR 299,00 an.

Die Vorinstanz, das LG Heilbronn (Urt. v. 4.7.2023 – 21 O 11/23), hatte die Klage abgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers.

Das OLG Stuttgart entschied nun, dass dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zustehe. Es sei dass es unzulässig, mit einer UVP zu werden, die dauerhaft und deutlich von Hersteller oder einem mit ihm in Verbindung stehenden Unternehmen unterboten wird. Eine solche UVP stehe einer ernsthaften Kalkulation entgegen und habe nur die Funktion, eine attraktive Preiswerbung zu ermöglichen. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat die Entscheidung veröffentlicht.

Kein Verstoß gegen § 11 PAngV

Zunächst stellte das Gericht jedoch klar, dass die Beklagte nicht gegen § 11 PAngV verstoßen habe. Danach ist gegenüber Verbrauchern bei jeder Bekanntgabe einer Preisermäßigung für eine Ware der niedrigste Gesamtpreis anzugeben, der innerhalb der letzten 30 Tage vor Anwendung der Preisermäßigung gegenüber dem Verbraucher angewendet wurde. Vorliegend handle es sich bei der Preisgegenüberstellung mit einer UVP jedoch nicht um eine Preisermäßigung.

Die Bezugnahme auf die unverbindliche Preisempfehlung war im Begehungszeitpunkt nicht gem. § 3a UWG i. V. m. § 11 PAngV unzulässig. Die Beklagte verstieß nicht gegen die anwendbare Marktverhaltensregelung des § 11 PAngV. Bei den Vorschriften der §§ 1 ff. PAngV handelt es sich zwar um Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG (BGH, Urteil vom 15. Januar 2004 – I ZR 180/01 = GRUR 2004, 435, 436 – FrühlingsgeFlüge; OLG Stuttgart, Urteil vom 7. Juni 2018 – 2 U 156/17, Rn. 13, juris – Null-Gebühren-Girokonto), wie das Landgericht richtig gesehen hat. Aber der Verweis auf eine unverbindliche Preisempfehlung stellt keine Preisermäßigung i. S. v. § 11 Abs. 1 PAngV dar (BR-Drs. 669/21, S. 40; Köhler, in: ders./Feddersen, UWG, 43. Aufl. 2025, § 11 PAngV, Rn. 9).

Grundsätze der Werbung mit einer UVP

Die beanstandete Werbung sei jedoch nach § 5 Abs. 1 S. 1 UWG irreführend. Danach handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Sodann legte das OLG Stuttgart noch einmal die Grundsätze für die Werbung mi einer UVP dar.

Die Bezugnahme auf eine kartellrechtlich zulässige unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers ist auch wettbewerbsrechtlich grundsätzlich zulässig. Sie ist dann als irreführend anzusehen, wenn nicht klargestellt wird, dass es sich bei der Herstellerempfehlung um eine unverbindliche Preisempfehlung handelt, wenn die Empfehlung nicht auf der Grundlage einer ernsthaften Kalkulation als angemessener Verbraucherpreis ermittelt worden ist oder wenn der vom Hersteller empfohlene Preis im Zeitpunkt der Bezugnahme nicht als Verbraucherpreis in Betracht kommt […]. Der Verkehr versteht unter einer unverbindlichen Preisempfehlung eine solche eines Dritten, insbesondere des Herstellers oder eines Vorlieferanten (vgl. Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl. 2025, § 5 Rn. 3.82 UWG, beck-online). Darüber hinaus ist eine Preisgegenüberstellung auch dann irreführend, wenn der in Bezug genommene Preis mehrdeutiger Herkunft ist […]. Eine unrichtige Bezugnahme auf eine unverbindliche Preisempfehlung ist regelmäßig irreführend […].

Die Werbung mit einer unverbindlichen Herstellerpreisempfehlung ist nur dann zulässig, wenn die unverbindliche Preisempfehlung für den Verkehr eine marktgerechte Orientierungshilfe darstellt und nicht bloß die Funktion hat, dem Händler eine attraktive Preiswerbung zu ermöglichen (BGH, Urteil vom 28. Juni 2001 – I ZR 121/99 = GRUR 2002, 95 – Preisempfehlung bei Alleinvertrieb; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Aufl. 2023, § 5 UWG, Rn. 482). Der Durchschnittsverbraucher nimmt bei einem Werbehinweis auf eine unverbindliche Preisempfehlung an, diese sei von dem Hersteller in der Erwartung ausgesprochen worden, dass der empfohlene Preis dem von der Mehrheit der Empfehlungsempfänger voraussichtlich geforderten Preis entspreche (BGH, Urteil vom 28. Juni 2001 – I ZR 121/99 = GRUR 2002, 95 – Preisempfehlung bei Alleinvertrieb; Urteil vom 14. November 2002 – I ZR 137/00, Rn. 23, juris – Preisempfehlung für Sondermodelle). Sie ist daher dann irreführend, wenn ein Hersteller im Inland nur einen einzigen Händler beliefert, dem er ein Alleinvertriebsrecht eingeräumt hat. Denn in diesem Fall gibt es keine Mehrheit von Empfehlungsempfängern und keinen Markt, für den die Empfehlung irgendeine Orientierungshilfe darstellen kann […]. Darüber hinaus fehlt in solchen Fällen regelmäßig eine ernsthafte Kalkulation des Herstellers […].

Die Beweislast dafür, dass eine Werbung mit unverbindlichen Preisempfehlungen geeignet ist, die angesprochenen Verkehrskreise irrezuführen, treffe grundsätzlich den Kläger.

Verkehrsauffassung entscheidend

Entscheidend sei, wie der angesprochene Verkehr die Werbung verstehe. Vorliegend gehe der angesprochene Verbraucher davon aus, dass die Abkürzung „UVP“ für „unverbindliche Preisempfehlung“ stehe und diese grundsätzlich vom Hersteller stamme.

In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass sich der durchschnittliche Verbraucher, wenn er mit der angegriffenen Werbung (Anl. K2) konfrontiert ist, regelmäßig keine Gedanken über die Person des Herstellers macht. Er geht vielmehr regelmäßig davon aus, dass die Abkürzung „UVP“ für „unverbindliche Preisempfehlung“ steht und dass diese unverbindliche Preisempfehlung vom Hersteller des Produkts bzw. von dem Unternehmen, unter dessen Verantwortung das Produkt ggf. auch in Lizenzfertigung hergestellt wird, vom Vorlieferer des Händlers oder von demjenigen, der das Produkt in der Europäischen Union in Verkehr bringt, stammt.

Keine ernsthaft kalkulierte UVP

Tatsächlich komme die UVP jedoch nicht mehr als Verbraucherpreis in Betracht. Ein mit der Herstellerin in Verbindung stehendes Unternehmen bot das Produkt regelmäßig zu einem wesentlich niedrigeren Preis an als die Beklagte. Das Verhalten dieses Unternehmens sei auch der Herstellerin zuzurechnen, da die Geschäftsführer der beiden Unternehmen personenidentisch sind und die beiden Unternehmen und auch durch einen Markenlizenzvertrag, bezogen auf die streitgegenständliche Marke, miteinander verbunden sind. Eine dauerhafte Unterbietung der unverbindlichen Preisempfehlung durch das der Herstellerin zuzurechnende Verhalten stehe einer ernsthaften Kalkulation der unverbindlichen Preisempfehlung entgegen. Daher liege eine Irreführung vor, weil die angesprochenen Verbraucher fälschlicherweise annehmen könnten, dass die angegebene unverbindliche Preisempfehlung den üblichen Marktpreis widerspiegelt, was in diesem Fall nicht zutreffe.

Aber im Zeitpunkt der Bezugnahme kam der empfohlene Preis nicht (mehr) als Verbraucherpreis in Betracht, weil die mit der Streithelferin als Herstellerin des Produktes – über die vollständige Personenidentität der beiden Geschäftsführer (Anl. K7) und (Anl. B2) und die einverständliche Markennutzung – verbundene Christopeit-Sport GmbH tatsächlich regelmäßig unstreitig einen wesentlich niedrigeren Kaufpreis verlangt. Zwar hat der Kläger nicht den Nachweis erbracht, dass die Fa. Christopeit-Sport GmbH und nicht die Streithelferin Herstellerin des Produktes ist. Aber dennoch führt der unstreitig erheblich unter der unverbindlichen Preisempfehlung der Streithelferin liegende regelmäßige Verkaufspreis der Fa. Christopeit-Sport GmbH dazu, dass der von der Streithelferin empfohlene Preis im Zeitpunkt der Bezugnahme nicht mehr als Verbraucherpreis in Betracht kam. Denn dadurch, dass und jeweils sowohl Geschäftsführer der Streithelferin als auch Geschäftsführer der Fa. Christopeit-Sport GmbH sind und dass die beiden Gesellschaften durch einen Markenlizenzvertrag in Bezug auf die Marke „Christopeit“ verbunden sind, besteht eine so enge Verbindung zwischen den beiden Unternehmen, der Fa. Christopeit-Sport GmbH auf der einen Seite und der Streithelferin als Herstellerin auf der anderen Seite, dass das sich widersprechende Preissetzungsverhalten der beiden Unternehmen die unverbindliche Preisempfehlung der Streithelferin derart entwertet, dass diese unverbindliche Preisempfehlung der Streithelferin für den Verkehr keine marktgerechte Orientierungshilfe mehr darstellt und nur noch die Funktion hat, dem Händler eine attraktive Preiswerbung zu ermöglichen (vgl. OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 28. Juni 2022 – 6 W 30/22, GRUR-RS 2022, 17499 Rn. 4, beck-online). Dem steht nicht entgegen, dass die Christopeit-Sport GmbH und die Streithelferin rechtlich selbständige Gesellschaften sind, die grundsätzlich auch eigene, voneinander unabhängige geschäftliche Entscheidungen treffen können. Wegen der vollständigen Personenidentität in der Geschäftsführung der beiden Gesellschaften – wie sich aus den Anlagen K7 und B3 ergibt – geht das Argument der Beklagten, ein Einfluss der Streithelferin auf die Preisfestsetzung der Christopeit-Sport GmbH stehe nicht fest, weil nicht klar sei, ob bei beiden Gesellschaften mit der Preiskalkulation befasst sei, ins Leere. Jedenfalls einer der beiden – in beiden Gesellschaften jeweils personenidentischen – Geschäftsführer verantwortet die Preiskalkulation. Eine dauerhafte Unterbietung der unverbindlichen Preisempfehlung durch das der Herstellerin zuzurechnende Verhalten der Christopeit-Sport GmbH steht einer ernsthaften Kalkulation der unverbindlichen Preisempfehlung entgegen. Indem die Streithelferin ihrer eigenen unverbindlichen Herstellerpreisempfehlung durch das Preissetzungsverhalten der Christopeit-Sport GmbH nicht entsprach, sondern sich darüber hinwegsetzte und die Produkte dauerhaft zu erheblich niedrigeren Preisen anbot, brachte sie zum Ausdruck, dass sie die „unverbindliche Preisempfehlung“ selbst nicht als marktgerechte Orientierungshilfe ansieht. In einer solchen Situation fehlt es an einer tauglichen Preisempfehlung. Dies stellt eine Irreführung dar, weil die angesprochenen Verbraucher fälschlicherweise annehmen könnten, dass die angegebene unverbindliche Preisempfehlung den üblichen Marktpreis widerspiegelt, was in diesem Fall nicht zutrifft.

Diese Täuschung sei auch dazu geeignet ihn zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, so das Gericht.

Fazit

Unser Abmahnradar zeigt, dass fehlerhafte Preisangaben regelmäßig Gegenstand von Abmahnungen sind. Insbesondere nach Inkrafttreten der neuen PAngV gibt es zahlreiche Neuregelungen, die unbedingt umzusetzen sind, um kostspielige Abmahnungen zu vermeiden.

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25.03.25