EuGH: Preisermäßigung muss sich auf niedrigsten Preis der letzten 30 Tage beziehen

Preisvergleiche gehören zu den beliebtesten Verkaufsförderungsmaßnahmen. Gleichzeitig muss nach § 11 PAngV gegenüber Verbrauchern bei jeder Bekanntgabe einer Preisermäßigung für eine Ware der niedrigste Gesamtpreis angegeben werden, der innerhalb der letzten 30 Tage vor Anwendung der Preisermäßigung gegenüber dem Verbraucher angewendet wurde. Der EuGH (Urt. v. 26.9.2024 – C-330/23) entschied nun, dass sich die Werbung mit einer Preisermäßigung wie einer prozentualen Ersparnis auf den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage beziehen müsse.

§ 11 PAngV gilt seit dem 28.5.2022 und wurde im Rahmen der Umsetzung der ModernisierungsRL eingeführt.

Aldi Süd warb in einem Prospekt online und in Papierform für sechs Lebensmittel denen jeweils ein weißes liegendes Rechteck mit abgerundeten Ecken (Preiskachel) zugeordnet war. Auf den Preiskacheln fanden sich zwei Preisangaben, nämlich in der Mitte eine größere, mit einem Sternchen versehene, und in der rechten unteren Ecke eine kleinere durchgestrichene. Überlagert wurden diese Preiskacheln von schwarz-rot-gold gestreiften Störern. Dieser war im Fall der „Rainforest Alliance Ananas“ mit dem Schriftzug „Preis-Highlight“ und bei den anderen Lebensmitteln mit Angabe einer prozentualen Reduzierung versehen. Unter jeder Preiskachel befand sich folgender Text: „Letzter Verkaufspreis. Niedrigster Preis der letzten 30 Tage: […]“. Die Preisangaben lauteten beispielsweise bei den Ananas „1.49*“ und „1.69“ in der Preiskachel und „1.39“ am Ende des Hinweistextes unterhalb der Preiskachel. Bei den „Fairtrade Bio-Bananen, lose“ lautete die Prozentangabe „-23%“ und die drei Preisangaben „1.29*“, „1.69“ und „1.29“.

Der in den Märkten der Unternehmensgruppe der Beklagten verlangte Preis für lose Fairtrade Bio-Bananen belief sich jedenfalls seit Mitte September durchgehend auf € 1,69/kg mit Ausnahme der Woche vom 19. bis zum 24. September, in der für die Bananen ein auf € 1,29/kg reduzierter Preis galt. Für die Rainforest Alliance Ananas galten während der fünf Wochen vor Angebotsbeginn (Kalenderwochen 37 bis 42) Stückpreise zwischen € 1,39 und € 1,79. Der Preis in der Woche vor Angebotsbeginn belief sich auf € 1,69.

Werbung Aldi Süd

Der Kläger, die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, hielt die Werbung in Bezug auf die Bananen und Ananas für unlauter, da sich die in Prozent angegebene Preisreduzierung nicht auf den niedrigsten Preis, den die Beklagte in den letzten 30 Tagen verlangt hat, bezog. Zudem hielt sie es für unlauter, mit einer Preisreduzierung als „Preis-Highlight“ unter Angabe eines früheren Preises zu werben, wenn der als „Preis-Highlight“ bezeichnete Preis höher ist als der Preis, den die Beklagte in den letzten 30 Tagen vor der Preisherabsetzung verlangt hat. Der Kläger wird in dem Verfahren von unserer Partnerkanzlei Dornkamp Rechtsanwälte vertreten.

Das LG Düsseldorf setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die entsprechenden Fragen zur Vorabentscheidung vor.

Die Entscheidung des EuGH

Der EuGH entschied heute, dass eine Preisermäßigung, die in Form eines Prozentsatzes oder einer Werbeaussage, mit der die Vorteilhaftigkeit eines Preisangebots hervorgehoben werden soll, bekannt gegeben wird, auf der Grundlage des niedrigsten Preises zu bestimmen ist, den der Händler innerhalb eines Zeitraums von mindestens 30 Tagen vor der Anwendung der Preisermäßigung angewandt hat.

Wortlaut nicht eindeutig

Der EuGH stellte zunächst fest, dass der Wortlaut des Art. 6a PreisangabenRL 98/6/EG hinsichtlich des Bezugspunkts einer Preisermäßigung nicht eindeutig sei.

Nach Art. 6a Abs. 1 der Richtlinie 98/6 ist „[b]ei jeder Bekanntgabe einer Preisermäßigung … der vorherige Preis anzugeben, den der Händler vor der Preisermäßigung über einen bestimmten Zeitraum angewandt hat“. Der Begriff „vorheriger Preis“ wird in Abs. 2 dieses Artikels definiert als „der niedrigste Preis, den der Händler innerhalb eines Zeitraums von mindestens 30 Tage[n] vor der Anwendung der Preisermäßigung angewandt hat“.

Erstens lässt sich zwar allein anhand des Wortlauts von Art. 6a Abs. 1 der Richtlinie 98/6 nicht bestimmen, ob die bekannt gegebene Preisermäßigung auf der Grundlage des „vorherigen Preises“ im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels zu ermitteln ist. Gleichwohl verweist der Begriff „Ermäßigung“ im allgemeinen Sprachgebrauch auf eine Verringerung eines zuvor angewandten Preises.

Ziel: Bessere Verbraucherinformation

Zudem seien bei der Auslegung die Ziele der PreisangabenRL zu berücksichtigen. Neben der Verbesserung der Verbraucherinformation soll Verbrauchern ein Vergleich der Verkaufspreise erleichtert werden.

Zweitens sind zur Bestimmung des Sinns und der Tragweite einer Vorschrift des Unionsrechts bei ihrer Auslegung nicht nur ihr Wortlaut, sondern insbesondere auch ihre spezifischen Ziele sowie die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Juni 2021, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid [Wirkungen einer Ausweisungsverfügung], C‑719/19, EU:C:2021:506, Rn. 70).

Was die Ziele der Richtlinie 98/6 betrifft, so soll mit dieser nach ihrem Art. 1 in Verbindung mit dem sechsten Erwägungsgrund die Verbraucherinformation verbessert und der Vergleich der Verkaufspreise von Erzeugnissen, die Verbrauchern von Händlern angeboten werden, erleichtert werden, damit die Verbraucher fundierte Entscheidungen treffen können. Im ersten Erwägungsgrund der Richtlinie wird die Bedeutung eines transparenten Markts und von korrekten Informationen für den Verbraucherschutz hervorgehoben. Nach ihrem zwölften Erwägungsgrund soll die Richtlinie 98/6 eine einheitliche und transparente Information zugunsten sämtlicher Verbraucher im Rahmen des Binnenmarkts sicherstellen. Außerdem muss der Verkaufspreis der den Verbrauchern angebotenen Erzeugnisse gemäß Art. 4 Abs. 1 in Verbindung mit dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sein, damit diese Information genau, transparent und unmissverständlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 2023, Verband Sozialer Wettbewerb [Pfandbehälter], C‑543/21, EU:C:2023:527, Rn. 25).

Anderes Verständnis würde Ziele beeinträchtigen

Das Gericht ist der Ansicht, dass eine andere Auslegung dahin, dass sich die Angabe einer Preisermäßigung nicht auf den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage beziehen müsse, das Ziel, die Verbraucherinformation zu verbessern, beeinträchtigen würde.

Eine Auslegung von Art. 6a Abs. 1 der Richtlinie 98/6 dahin, dass es genügen würde, in der Bekanntgabe einer Preisermäßigung den „vorherigen Preis“ im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels zu nennen, ohne dass dieser Preis die tatsächliche Berechnungsgrundlage für diese Ermäßigung darstellt, könnte, wie u. a. die ungarische, die niederländische und die norwegische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt haben, diese Ziele beeinträchtigen, und zwar insbesondere das Ziel, die Verbraucherinformation zu verbessern, das verlangt, dass die Informationen über die Preise und die Methoden zur Berechnung der bekannt gegebenen Ermäßigung eindeutig sind.

Gefahr von Irreführungen bei anderer Auslegung

Zudem könne eine andere Auslegung zu Irreführungen der Verbraucher führen. So könnten Preisermäßigungen bekannt gegeben werden, die nicht realistisch seien, indem Händler den Preis vor der Bekanntgabe der Preisermäßigung erhöhen.

Was im Übrigen die mit Art. 6a der Richtlinie 98/6 verfolgten spezifischen Ziele betrifft, so soll dieser, wie sich aus den Leitlinien von 2021 ergibt und wie die tschechische und die polnische Regierung sowie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt haben, Händler daran hindern, den Verbraucher irrezuführen, indem sie den angewandten Preis vor der Bekanntgabe einer Preisermäßigung erhöhen und damit gefälschte Preisermäßigungen ankündigen.

Eine Auslegung von Art. 6a Abs. 1 der Richtlinie 98/6 dahin, dass es genügen würde, in der Bekanntgabe einer Preisermäßigung den „vorherigen Preis“ im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels als bloße Information zu nennen, ohne dass diese Ermäßigung tatsächlich auf der Grundlage des vorherigen Preises bestimmt wird, würde es den Händlern somit ermöglichen, unter Missachtung dieses spezifischen Ziels die Verbraucher irrezuführen, indem Preisermäßigungen bekannt gegeben werden, die nicht real sind und dem Ziel von Art. 6a der Richtlinie zuwiderlaufen.

Folglich ist Art. 6a Abs. 1 und 2 der Richtlinie 98/6, um sowohl dem spezifischen Ziel dieses Artikels als auch den mit dieser Richtlinie allgemein verfolgten Zielen gerecht zu werden, dahin auszulegen, dass in der Bekanntgabe einer Ermäßigung des Verkaufspreises eines Erzeugnisses diese Ermäßigung unter Bezugnahme auf den „vorherigen Preis“ dieses Erzeugnisses im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels zu bestimmen ist. Dementsprechend kann der Verkaufspreis eines Erzeugnisses, der in einer Bekanntgabe als ermäßigter Preis angegeben wird, tatsächlich nicht genauso hoch oder sogar höher sein als dieser „vorherige Preis“.

Auslegung anhand der PreisangabenRL

Zudem stellte der EuGH klar, dass Preisermäßigungen, die nicht auf der Grundlage des „vorherigen Preises“ im Sinne von Art. 6a Abs. 2 PreisangabenRL bestimmt werden, anhand der Auslegung dieser Vorschrift zu beurteilen seien.

Drittens ist, da Art. 6a der Richtlinie 98/6 speziell die Aspekte im Zusammenhang mit der Angabe des vorherigen Preises in der Bekanntgabe einer Preisermäßigung und die Definition dieses Preises regelt, die Geschäftspraxis in den Beziehungen zwischen Händlern und Verbrauchern, die darin besteht, eine Preisermäßigung für das betroffene Erzeugnis anzukündigen, die nicht auf der Grundlage des „vorherigen Preises“ im Sinne von Art. 6a Abs. 2 dieser Richtlinie bestimmt wird, anhand dieses Artikels – wie er in den Rn. 24 und 27 des vorliegenden Urteils ausgelegt wird – zu beurteilen, und nicht anhand der Bestimmungen der Richtlinie 2005/29, wie sich aus deren Art. 3 Abs. 1 und 4 ergibt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juli 2016, Citroën Commerce, C‑476/14, EU:C:2016:527, Rn. 42 bis 45).

Fazit

Rabattwerbung ist immer wieder Gegenstand von Abmahnungen und Gerichtsverfahren, sodass hier besondere Vorsicht geboten ist. Insbesondere die neuen Vorgaben an die Werbung mit Preisermäßigungen sind noch nicht abschließend geklärt. Der EuGH hat nun für etwas Klarheit gesorgt. Er entschied, dass eine Preisermäßigung, die in Form eines Prozentsatzes oder einer Werbeaussage, mit der die Vorteilhaftigkeit eines Preisangebots hervorgehoben werden soll, bekannt gegeben wird, sich auf den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage vor der Anwendung der Preisermäßigung beziehen müsse.

Das OLG Hamburg und das LG Düsseldorf haben zu der neuen Vorschrift des § 11 PAngV zudem bereits entschieden, dass ein Streichpreis nach der neuen Vorschrift des § 11 PAngV nicht ausdrücklich als der niedrigste Preis der letzten 30 Tage zu kennzeichnen sei.

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26.09.24