Lange war ungeklärt, ob Verstöße gegen die DSGVO von Mitbewerbern abgemahnt werden können. Hintergrund ist die Frage, ob es sich bei den Vorschriften der DSGVO um Marktverhaltensregeln handelt und inwiefern die DSGVO die Durchsetzung dieser Rechte abschließend regelt. Der EuGH hatte hierzu auf Vorlage des BGH entschieden, dass die DSGVO nationalen Vorschriften nicht entgegenstehe, die Unternehmen das Recht einräumen, sich auf der Grundlage des Verbots von Handlungen unlauteren Wettbewerbs darauf zu berufen, DSGVO-Verstöße ihrer Mitbewerber zu verfolgen. Heute hat der BGH (Urt. v. 27.3.2025 – I ZR 222/19 und I ZR 223/19) in dieser Frage entschieden.
Im betreffenden Fall ging es um den Vertrieb von apothekenpflichtigen Medikamenten eines Apothekers über Amazon. Das LG Magdeburg (Urt. v. 18.1.2019 – 36 O 48/18) hatte die Frage zunächst verneint. Im Hinblick auf Verstöße gegen die DSGVO sei der Kläger als Mitbewerber nicht klagebefugt. Die DSGVO enthalte ein abschließendes Sanktionssystem, das den Wettbewerber nicht einschließe. Das OLG Naumburg (Urt. v. 7.11.2019 – 9 U 6/19) kam auf die Berufung des Klägers hin zu einem anderen Ergebnis. Es entschied, dass es sich bei bestimmten Regelungen der DSGVO um Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG handle. Der Beklagte verarbeite im Rahmen der Bestellungen Gesundheitsdaten seiner Kunden im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Hierfür fehle die im Streitfall erforderliche Einwilligung. Ein Verstoß gegen die weiteren vom Kläger angeführten Vorschriften scheide jedoch aus. Das OLG Naumburg hatte die Revision zugelassen. Beide Parteien haben Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt (BGH, I ZR 222/19).
In einem anderen Verfahren vor dem BGH (I ZR 223/19) ging es um die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen des Bestellprozesses. Der Kläger war der Ansicht, dass die Beklagte keine Einwilligung eingeholt habe. Die Beklagte hingegen hielt den Kläger als Mitbewerber für nicht klagebefugt. Das LG Dessau-Roßlau (Urt. v. 27.3.2018 – 3 O 29/17) hatte der Klage stattgegeben. Es hat das Datenschutzrecht als Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG angesehen, weil es auch dem Schutz der Interessen der Mitbewerber diene. Die Veräußerung apothekenpflichtiger Produkte über die Plattform Amazon Marketplace verletze datenschutzrechtliche und berufsrechtliche Vorschriften. Das OLG Naumburg (Urt. v. 7.11.2019 – 9 U 39/18) hatte die Berufung des Beklagten gegen die Entscheidung des LG zurückgewiesen. Es hat angenommen, die Regelungen der DSGVO seien in der konkreten Fallkonstellation als Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG anzusehen. Der Beklagte verarbeite im Rahmen der Bestellungen Gesundheitsdaten seiner Kunden im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Hierfür fehle die im Streitfall erforderliche Einwilligung. Der Beklagte hat die vom OLG zugelassene Revision eingelegt.
Der BGH hatte beide Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die in Kapitel VIII DSGVO vorgesehenen Regelungen nationalen Bestimmungen entgegenstehen, die es Mitbewerbern ermöglichen, gegen den Verletzer vorzugehen. Zudem wollte der BGH in einer weiteren Vorlagefrage wissen, ob es sich bei den bei einer Bestellung von apothekenpflichtigen Medikamenten eingegebenen Daten auf einer Verkaufsplattform um Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 DSGVO handelt.
Der EuGH entschied hierzu, dass die DSGVO nationalen Vorschriften nicht entgegenstehe, die Unternehmen das Recht einräumen, sich auf der Grundlage des Verbots von Handlungen unlauteren Wettbewerbs darauf zu berufen, DSGVO-Verstöße ihrer Mitbewerber zu verfolgen. Vielmehr werde hierdurch das Schutzniveau sogar noch erhöht.
Zudem entschied der EuGH, dass es sich bei Daten der Kunden eines Apothekers, die bei der Bestellung von apothekenpflichtigen, aber nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auf einer Online-Verkaufsplattform übermittelt werden, um „Gesundheitsdaten“ im Sinne von Art. 4 Nr. 15 und Art. 9 DSGVO handelt. Damit folgt er nicht der Einschätzung des Generalanwalts.
Der BGH schließt sich mit seinem heutigen Urteil der Entscheidung des EuGH an. Das Urteil ist noch nicht im Volltext veröffentlicht, das Gericht hat jedoch bereits eine Pressemitteilung veröffentlicht. Die von den Beklagten in beiden Verfahren eingelegten Revisionen gegen ihre Verurteilung zur Unterlassung wegen Verstoßes gegen die für Gesundheitsdaten geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen hatten keinen Erfolg. Die vom Kläger im Verfahren I ZR 222/19 eingelegte Revision hatte Erfolg, soweit der Kläger die Verurteilung des Beklagten zum Schadensersatz erstrebte, sie hatte jedoch keinen Erfolg, soweit er die Verurteilung des Beklagten wegen Verstößen gegen weitere Vorschriften begehrte.
Die DSGVO stehe nationalen Vorschriften nicht entgegen, die Unternehmen das Recht einräumen, sich auf der Grundlage des Verbots von Handlungen unlauteren Wettbewerbs darauf zu berufen, DSGVO-Verstöße ihrer Mitbewerber zu verfolgen, so der BGH.
Die Datenschutz-Grundverordnung steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, die Mitbewerbern die Befugnis einräumt, wegen Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung gegen den mutmaßlichen Verletzer im Wege einer wettbewerbsrechtlichen Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen.
Aus den Daten zum Erwerb von Arzneimitteln – auch wenn nur apothekenpflichtig und nicht verschreibungspflichtig – könnten Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand einer identifizierten oder identifizierbaren Person gezogen werden, daher seien diese als Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 4 Nr. 15 DSGVO anzusehen. Auch damit folgte er dem EuGH.
Die Verarbeitung und Nutzung der von Kunden der Beklagten bei der Onlinebestellung eines Arzneimittels über den Account eines Apothekers beim Amazon-Marketplace eingegebenen Daten wie der Name des Kunden, die Lieferadresse und die für die Individualisierung des bestellten Medikaments notwendigen Informationen verstößt, wenn sie - wie im Streitfall - ohne ausdrückliche Einwilligung der Kunden erfolgt, gegen Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Bei den Bestelldaten handelt es sich um Gesundheitsdaten im Sinne dieser Vorschrift und zwar auch dann, wenn das Arzneimittel keiner ärztlichen Verschreibung bedarf.
Zudem entschied der BGH, dass es sich bei dem Einwilligungserfordernis nach Art. 9 DSGVO um eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG handle, die von Mitbewerbern verfolgt werden könne. Die Bestimmungen zum Erfordernis der Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten dienen dem Schutz der Persönlichkeitsrechtsinteressen der Verbraucher gerade auch im Zusammenhang mit ihrer Marktteilnahme.
Art. 9 Abs. 1 DSGVO ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG, so dass der Verstoß gegen diese Vorschrift von einem Mitbewerber gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG im Wege einer wettbewerbsrechtlichen Klage vor den Zivilgerichten verfolgt werden kann. Die Bestimmungen zum Erfordernis der Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten dienen dem Schutz der Persönlichkeitsrechtsinteressen der Verbraucher gerade auch im Zusammenhang mit ihrer Marktteilnahme. Die Verbraucher sollen frei darüber entscheiden können, ob und inwieweit sie ihre Daten preisgeben, um am Markt teilnehmen und Verträge abschließen zu können.