LG Frankenthal: Verfasser muss negative Tatsache in Bewertung beweisen können

Für Unternehmen wird es immer wichtiger, mit positiven Online-Bewertungen auf sich aufmerksam zu machen. Verständlich, dass Unternehmen insbesondere unseriöse und unwahre Negativbewertungen vermeiden möchten, um potentiellen Reputationsschäden entgegenzutreten. Das LG Frankenthal (Urt. v. 22.05.2023 – 6 O 18/23) entschied nun, dass der Verfasser einer negativen Online-Bewertung, für deren Wahrheitsgehalt im Zweifelsfall einen Nachweis zu erbringen habe. Sofern ein solcher nicht gelinge, könne das betroffene Unternehmen verlangen, dass die Bewertung unterlassen wird.

Der Kläger betreibt ein Umzugsunternehmen und wurde von dem Beklagten mit der Durchführung seines Umzuges beauftragt. Einige Monate nach dem Umzug veröffentlichte der Beklagte eine Google-Bewertung zum Unternehmen des Klägers mit nur einem von fünf möglichen Sternen. In der Bewertung gab er an, dass ein Möbelstück beim Transport beschädigt und ihm eine nachträgliche Reparatur zwar zugesichert, jedoch nie durchgeführt worden sei.

Der Kläger behauptete, dass der Beitrag des Beklagten unwahre, rufschädigende Tatsachenbehauptungen enthalte. Er bestritt, dass seine Mitarbeiter einen Schaden verursacht hätten und gab an, nicht versprochen zu haben, einen solchen Schaden zu beseitigen.

Das LG Frankenthal gab dem Kläger teilweise Recht und entschied, dass derjenige, der in einer Bewertung eine negative Tatsache zulasten eines Unternehmens behauptet, diese im Zweifel auch beweisen müsse. Gelinge dieser Nachweis nicht, könne der Betroffene Unterlassung verlangen.

Unwahre Tatsachenbehauptungen nicht vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst

Zunächst stellte das Gericht fest, dass dem Kläger gegen den Beklagten hinsichtlich der Behauptung, er bzw. sein Unternehmen habe einen Schaden am Umzugsgut verursacht, dessen Reparatur versprochen, aber nicht durchgeführt, ein Unterlassungsanspruch aus §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB zustehe. Der Anspruch folge im Übrigen auch aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK, mithin aus der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers.

Grundsätzlich stehe dem Kunden im Zusammenhang mit Online-Bewertungen das Recht auf freie Meinungsäußerung gem. Art. 5 Abs. 2 GG, Art. 10 EMRK zu. Der Kunde habe somit das Recht, sich auch kritisch oder negativ zu der vom Kläger erbrachten Leistung zu äußern. Die Meinungsfreiheit gelte jedoch nicht gänzlich unbeschränkt. So seien beispielsweise unwahre Tatsachenbehauptungen nicht mehr vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG umfasst. Das Gericht stellte insofern fest, dass im vorliegenden Fall das von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 12 GG gewährleistete Interesse des Klägers am Schutz seiner sozialen Anerkennung, seiner (Berufs-)Ehre und seines Gewerbebetriebs die von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Interessen des Beklagten an der Veröffentlichung und Kommunikation der streitgegenständlichen Bewertung überwiege.

Allerdings ist auch die Meinungsfreiheit nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern findet ihrerseits ihre Schranken gemäß Art. 5 Abs. 2 GG in den allgemeinen Gesetzen. […] Vorliegend überwiegt das Schutzinteresse des Klägers den schutzwürdigen Belangen des Beklagten. Es liegt eine unwahre Tatsachenbehauptung vor. Eine Verbreitung unwahrer Tatsachen ist rechtswidrig. Unwahre Tatsachenbehauptungen fallen von vornherein nicht in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG und sind nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung kein schützenswertes Gut […]. Gleiches gilt für unvollständige Tatsachenschilderungen oder das Erwecken von falschen Eindrücken (vgl. BGH, NJW 2006, 601 ff.; BGH, NJW 2004, 598 ff.). Bei unwahren Tatsachenbehauptungen besteht also grundsätzlich kein Rechtfertigungsgrund, da diese schon nicht von der Meinungsäußerungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG umfasst sind. Insoweit überwiegt vorliegend das von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 12 GG gewährleistete Interesse des Klägers am Schutz seiner sozialen Anerkennung, seiner (Berufs-)Ehre und seines Gewerbebetriebs den von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Interessen des Beklagten an der Veröffentlichung und Kommunikation der streitgegenständlichen Bewertung.

Abgrenzung von Meinungen und Tatsachenbehauptungen

Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit schütze sowohl Meinungen als auch Tatsachenbehauptungen, sofern Letztere nicht unwahr sind. Für die Einordnung einer Aussage als Meinungsäußerung oder Tatsachenäußerung gelte es zunächst, den objektiven Sinn der Äußerung zu ermitteln. Während eine Tatsachenbehauptung dem Beweis bzw. der objektiven Klärung zugänglich sei und damit als wahr oder unwahr eingestuft werden könne, werden Meinungsäußerungen durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt und können insofern nicht richtig oder falsch sein.

Eine Tatsachenbehauptung beschreibt wirklich geschehene oder existierende, dem Beweis bzw. der objektiven Klärung zugängliche Umstände (vgl. BVerfG NJW 2006, 207 ff.; BVerfG NJW 2003, 1109 ff.). Dagegen liegt eine Meinungsäußerung vor, wenn diese in entscheidender Weise durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist oder der tatsächliche Gehalt der Äußerung so substanzarm ist, dass er gegenüber dem Wertungscharakter in den Hintergrund tritt. Soweit eine Tatsachenbehauptung mit einem Werturteil verbunden ist bzw. beides ineinander übergeht, ist darauf abzustellen, was im Vordergrund steht und damit überwiegt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie sich nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen […]

Das Gericht stellte fest, dass es sich bei der Äußerung über die Beschädigung des Möbelstückes und die anschließende Unterlassung der angeblich zugesagten Reparaturarbeiten um Tatsachenbehauptungen handle, die dazu geeignet seien, den Kläger in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Das Gericht erläuterte, dass wahre Tatsachenbehauptungen, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen seien, in der Regel hingenommen werden müssen, man sich gegen unwahre Tatsachenbehauptungen hingegen zur Wehr setzen könne.

Bei Tatsachenbehauptungen wie im vorliegenden Fall hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (BGH, NJW 2013, 790 ff.; BVerfG, NJW-RR 2010, 470 ff.). […] Der Beklagte bezichtigt den Kläger mit seiner zu unterlassenden Äußerung damit, einen Schaden verursacht, mithin seine Pflichten aus dem Vertragsverhältnis verletzt zu haben und seine daraufhin gegebene Zusage, den Schaden wiedergutzumachen, nicht eingehalten zu haben, was zwanglos eine Tatsachenbehauptung darstellt, die den Kläger in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist.

Üble Nachrede und Beweislastumkehr

Das LG Frankenthal führte aus, dass die getätigten Tatsachenbehauptungen als nicht gerechtfertigter Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers zu qualifizieren seien und zudem eine üble Nachrede im Sinne von § 186 StGB darstellen. Sofern im Zusammenhang mit unwahren Tatsachenbehauptungen zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden, liege die Beweislast für die Unwahrheit einer Äußerung nach den allgemeinen Regelungen beim Kläger. Bei Sachverhalten wie dem Vorliegenden erfolge jedoch im Anwendungsbereich der über § 823 Abs. 2 BGB in das Zivilrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB eine Beweislastumkehr. Es resultiere eine Strafbarkeit, wenn die Tatsachenbehauptung nicht erweislich wahr ist.

Die Äußerungen des Beklagten sind vor dem Hintergrund der oben dargelegten Maßstäbe als nicht gerechtfertigter Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers zu qualifizieren. Die Aussage stellt eine üble Nachrede im Sinne von § 186 StGB dar, weshalb der Beklagte ausnahmsweise für deren Wahrheit beweisbelastet ist, diesen Beweis jedoch nicht erbringen konnte. […] Werden auf Grund von unwahren Tatsachenbehauptungen zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht, liegt die Beweislast für die Unwahrheit zwar nach allgemeinen Regeln beim Kläger. Eine Beweislastumkehr findet jedoch wie hier im Anwendungsbereich der über § 823 Abs. 2 BGB in das Zivilrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB statt, wonach eine Strafbarkeit besteht, wenn die Tatsachenbehauptung nicht erweislich wahr ist (BGH, NJW 1996, 131 ff.; BGH, GRUR 2014, 1126 ff.; BVerfG NJW 2016, 3360 ff.)

Der beweisbelastete Beklagte konnte vorliegend nicht nachweisen, dass der Kläger bzw. seine Mitarbeiter tatsächlich einen Schaden an dem Möbelstück verursacht haben und ein nicht eingehaltenes Versprechen zur Schadenbeseitigung im Sinne einer Reparatur gegeben wurde. Insofern kam das Gericht zu der Auffassung, dass der Beklagte die Äußerung zur Beschädigung des Möbelstücks sowie der (angeblich) versprochenen und nicht eingehaltenen Reparaturleistungen zu unterlassen habe.

Fazit

Das LG Frankenthal verdeutlicht mit diesem Urteil nochmals, dass nicht jede Äußerung vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit erfasst wird und gegen Online-Bewertungen, die dem Ruf eines Unternehmens schaden, durchaus vorgegangen werden kann. Derjenige, der in Online-Bewertungsportalen negative Tatsachen zulasten eines Unternehmens behauptet, trägt im Zweifel auch die Beweislast für deren Wahrheitsgehalt. Sofern dem Äußernden der Nachweis nicht gelingt, kann das bewertete Unternehmen die Unterlassung der Bewertung verlangen. Ebenso wenig müssen Beleidigungen oder Schmähkritik hingenommen werden. Äußerungen, die diese Grenze nicht überschreiten, müssen grundsätzlich von Händlerinnen und Händlern hingenommen werden, wie zuletzt noch das LG Hamburg entschied.

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07.11.23