Für Verbraucher besteht bei Fernabsatzverträgen grundsätzlich ein Widerrufsrecht. Aber besteht ein zweites Widerrufsrecht, wenn sich ein kostenfreier Anfangszeitraum in einen kostenpflichtigen Vertrag umwandelt? Nein, entschied nun der EuGH (Urt. v. 5.10.2023 – C-565/22). Voraussetzung sei jedoch eine ordnungsgemäße Information der Verbraucher.

Das Unternehmen Sofatutor betreibt Internet-Lernplattformen für Schüler. Beim erstmaligen Abschluss eines Abonnements kann dieses 30 Tage lang kostenlos getestet und während dieser Zeit jederzeit fristlos gekündigt werden. Das Abonnement wird erst nach Ablauf dieser 30 Tage kostenpflichtig. Wenn der kostenpflichtige Abonnementzeitraum abläuft, ohne dass eine Kündigung erfolgt ist, verlängert sich das Abonnement automatisch um einen bestimmten Zeitraum. Bei einem Vertragsschluss im Fernabsatz informiert Sofatutor die Verbraucher über das Rücktrittsrecht (Widerrufsrecht). Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) ist aber der Ansicht, dass dem Verbraucher Widerrufsrecht nicht nur aufgrund des Abschlusses eines 30-tägigen kostenlosen Testabonnements, sondern auch aufgrund der Umwandlung dieses Abonnements in ein kostenpflichtiges Abonnement und dessen Verlängerung zustehe. Der Österreichische Oberste Gerichtshof setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:

Ist Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen, dass dem Verbraucher bei „automatischer Verlängerung“ (Art. 6 Abs. 1 lit. o der Richtlinie) eines Fernabsatzvertrags neuerlich ein Widerrufsrecht zukommt?

Die Entscheidung des EuGH

Der EuGH entschied nun, dass dem Verbraucher das Recht, einen Fernabsatzvertrag zu widerrufen, bei einem Abonnementvertrag, der anfangs einen kostenlosen Zeitraum vorsieht und sich, wenn dieser Vertrag nicht gekündigt wird, automatisch verlängert, grundsätzlich nur ein einziges Mal zukommt. Wurde der Verbraucher bei Abschluss des Abonnements nicht klar, verständlich und ausdrücklich darüber informiert, dass dieses Abonnement nach einem kostenlosen Anfangszeitraum kostenpflichtig wird, muss er jedoch über ein neuerliches Widerrufsrecht verfügen.

Grundsatz: 14 Tage Widerrufsrecht

Zunächst stellte der EuGH noch einmal klar, dass Verbrauchern grundsätzlich eine 14-tägige Widerrufsfrist zustehe.

Nach dieser Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass dem Verbraucher nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83, sofern nicht eine der Ausnahmen gemäß Art. 16 dieser Richtlinie Anwendung findet, eine Frist von 14 Tagen zusteht, in der er einen Fernabsatz- oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag ohne Angabe von Gründen und ohne andere Kosten als in Art. 13 Abs. 2 und Art. 14 dieser Richtlinie vorgesehen widerrufen kann.

Art. 9 Abs. 2 Buchst. a und c der Richtlinie sieht vor, dass diese Widerrufsfrist unbeschadet ihres Art. 10 bei Dienstleistungsverträgen und Verträgen über die Lieferung digitaler Inhalte, die nicht auf einem körperlichen Datenträger geliefert werden, nach 14 Tagen ab dem Tag des Vertragsabschlusses endet.

Aus Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83 ergibt sich, dass der Verbraucher, wenn er sein Widerrufsrecht ausüben möchte, den Unternehmer vor Ablauf dieser Frist über seinen Entschluss informiert, den Vertrag zu widerrufen. Nach dieser Bestimmung kann der Verbraucher zu diesem Zweck entweder das Muster-Widerrufsformular des Anhangs I Teil B dieser Richtlinie verwenden oder eine entsprechende Erklärung in beliebiger anderer Form abgeben, aus der dieser Entschluss eindeutig hervorgeht.

Informationspflicht des Unternehmers

Zudem wies das Gericht auf die Bedeutung der Informationspflicht des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher über das Widerrufsrecht hin.

Eine der Folgen des Rechts des Verbrauchers, einen solchen Vertrag zu widerrufen, ist die in Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2011/83 vorgesehene Informationspflicht. Nach dieser Bestimmung hat der Unternehmer den Verbraucher, bevor dieser durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, in klarer und verständlicher Weise über die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung des Widerrufrechts gemäß Art. 11 Abs. 1 dieser Richtlinie sowie das Muster-Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B dieser Richtlinie zu informieren.

Angesichts der Bedeutung des Widerrufsrechts für den Verbraucherschutz ist die vorvertragliche Information über dieses Recht für den Verbraucher von grundlegender Bedeutung und erlaubt ihm, die Entscheidung, ob er den Fernabsatzvertrag mit dem Unternehmer abschließen soll oder nicht, in Kenntnis der Sachlage zu treffen. Um von dieser Information vollumfänglich profitieren zu können, muss der Verbraucher im Vorhinein die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts kennen […]

Außerdem soll Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83 u. a. sicherstellen, dass dem Verbraucher vor Abschluss eines Vertrags die Informationen übermittelt werden, die zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung und vor allem zur Ausübung seiner Rechte, insbesondere seines Widerrufsrechts, erforderlich sind […].

Widerrufsrecht soll mangelnden persönlichen Kontakt ausgleichen

Das Widerrufsrecht im Fernabsatz solle informatorische Defizite und den mangelnden persönlichen Kontakt zwischen Käufer und Verkäufer ausgleichen.

Das Widerrufsrecht soll den Nachteil ausgleichen, der sich für einen Verbraucher aus einem im Fernabsatz geschlossenen Vertrag ergibt, indem ihm eine angemessene Bedenkzeit eingeräumt wird, in der er die Möglichkeit hat, die gekaufte Ware zu prüfen und auszuprobieren […]. Diese Schlussfolgerung wird durch den 37. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/83 bestätigt, in dem es heißt, dass dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zustehen sollte, da „[er] im Versandhandel die Waren nicht sehen kann, bevor er den Vertrag abschließt“, und weiter: „Aus demselben Grund sollte dem Verbraucher gestattet werden, die Waren, die er gekauft hat, zu prüfen und zu untersuchen, um die Beschaffenheit, die Eigenschaften und die Funktionsweise der Ware festzustellen.“

Dazu ist festzustellen, dass die dem Verbraucher gewährte Bedenkzeit sowohl beim Verkauf von Waren als auch bei der Erbringung von Dienstleistungen durch dieselben Ziele gerechtfertigt ist.

Zum einen soll das Widerrufsrecht es dem Verbraucher ermöglichen, rechtzeitig Kenntnis von den Merkmalen der Dienstleistung, die Gegenstand des betreffenden Vertrags ist, zu erlangen. Zum anderen fördert dieses Recht eine informierte Entscheidung des Verbrauchers, die alle Vertragsbedingungen und die Folgen des Abschlusses des betreffenden Vertrags berücksichtigt, so dass dieser Verbraucher entscheiden kann, ob er sich vertraglich an einen Unternehmer binden möchte […].

Information über den Preis erforderlich

Zudem sei der Unternehmer nach Art. 6 Abs. 1 lit. e VRRL, in Deutschland umgesetzt in Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB, dazu verpflichtet, den Verbraucher über den Preis zu informieren.

Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Dienstleistung 30 Tage lang kostenlos ist und dass sie sich, wenn der Verbraucher während dieser 30 Tage nicht kündigt oder widerruft, für einen befristeten, verlängerbaren Zeitraum in eine entgeltliche Leistung umwandelt. Die Vorlageentscheidung enthält aber keine Angaben dazu, dass eine solche Umwandlung oder Verlängerung des betreffenden Vertrags zu einer Änderung anderer Vertragsbedingungen führen würde.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. e und Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2011/83 eines der wesentlichen Merkmale eines Fernabsatzvertrags im Sinne dieser Richtlinie der Gesamtpreis der Dienstleistungen ist, die Gegenstand dieses Vertrags sind.

Nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie ist der Unternehmer vor Abschluss eines solchen Vertrags verpflichtet, den Verbraucher über den Preis in klarer und verständlicher Weise zu informieren. Wie aus Art. 8 Abs. 2 dieser Richtlinie hervorgeht, weist der Unternehmer den Verbraucher, wenn ein auf elektronischem Wege geschlossener Fernabsatzvertrag diesen zur Zahlung verpflichtet, klar und in hervorgehobener Weise, und unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung tätigt, auf den Gesamtpreis der Dienstleistungen, die Gegenstand dieses Vertrags sind, hin. Nach dieser Bestimmung sorgt der Unternehmer dafür, dass der Verbraucher bei der Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass die Bestellung mit einer Zahlungsverpflichtung verbunden ist. Wenn der Bestellvorgang die Aktivierung einer Schaltfläche oder eine ähnliche Funktion umfasst, ist diese Schaltfläche oder entsprechende Funktion gut lesbar ausschließlich mit den Worten „zahlungspflichtig bestellen“ oder einer entsprechenden eindeutigen Formulierung zu kennzeichnen, die den Verbraucher darauf hinweist, dass die Bestellung mit einer Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Unternehmer verbunden ist. Wenn der Unternehmer die zuletzt genannte Anforderung nicht einhält, ist der Verbraucher durch den Vertrag oder die Bestellung nicht gebunden.

Kein zweites Widerrufsrecht bei vollständiger Information

Falls der Unternehmer seine Informationspflichten erfüllt habe, stehe dem Verbraucher auch bei Umwandlung eines zunächst kostenlosen Probezeitraums in einen kostenpflichtigen Vertrag nicht erneut ein Widerrufsrecht zu.

Nach alledem ist festzustellen, dass das Ziel des Rechts des Verbrauchers, einen Fernabsatzvertrag über die Erbringung von Dienstleistungen zu widerrufen, erfüllt ist, wenn der Verbraucher vor Abschluss dieses Vertrags über eine klare, verständliche und ausdrückliche Information über den Preis der Dienstleistungen, die Gegenstand dieses Vertrags sind, verfügt, der entweder ab dem Vertragsabschluss oder ab einem späteren Zeitpunkt wie dem der Umwandlung dieses Vertrags in einen entgeltlichen Vertrag oder seiner Verlängerung um einen bestimmten Zeitraum geschuldet wird.

Auch wenn der Verbraucher beim Abschluss eines Vertrags, der einen kostenlosen Zeitraum der Erbringung von Dienstleistungen vorsieht, vom Unternehmer klar, verständlich und ausdrücklich darüber informiert wird, dass diese Leistung nach dem kostenlosen Zeitraum kostenpflichtig wird, wenn der Vertrag vom Verbraucher während dieses Zeitraums nicht gekündigt oder widerrufen wird, ändern sich also die dem Verbraucher zur Kenntnis gebrachten Vertragsbedingungen nicht. In einem solchen Fall rechtfertigt das in der vorstehenden Randnummer genannte Ziel nicht, dass der betreffende Verbraucher nach der Umwandlung dieses Vertrags in einen kostenpflichtigen Vertrag neuerlich über ein Widerrufsrecht verfügt. Im Übrigen kann der Verbraucher bei der Verlängerung dieses kostenpflichtigen Vertrags um einen bestimmten Zeitraum auch nicht über ein solches Widerrufsrecht verfügen.

Marian Weyo/Shutterstock.com

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