Dürfen Waren in einem Online-Shop nur von bestimmten Personengruppen erworben werden, bedarf es einer ausreichenden Zugangsbeschränkung für jene Personen, die dieser Gruppe nicht angehören. Das OLG Koblenz (Urt. v. 29.3.2023 – 9 U 1408/22) entschied nun, dass ein bloßer Hinweis auf einer Webseite und eine Erwähnung in den AGB keine ausreichende Zugangsbeschränkung darstelle.
Die Beklagte betreibt einen Online-Shop für Medizinprodukte. Unter anderem bot sie „Corona-Schnelltests“ an, die den Bestimmungen des MPAV unterlagen und an Verbraucher nicht abgegeben werden durften. Infolgedessen hieß es auf jeder Seite ihres Online-Shops: „Exklusiv für Medizinprofis Die Angebote dieses Shops sind für Personen, Anstalten. Behörden und Unternehmen bestimmt, welche die Artikel in ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit anwenden.“ In den AGB der Beklagten war folgende Klausel aufgeführt: „Die Angebote dieses Internetshop sind für Personen, Anstalten, Behörden und Unternehmen bestimmt, die die Erzeugnisse in ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit anwenden.“ Weitere Maßnahmen zur Beschränkung des Erwerberkreises waren nicht vorhanden. Nachdem der Kläger Hinweise erhalten hatte, wonach die Beklagte Corona-Schnelltests an nicht abnahmeberechtigte Laien abgebe, bestellte der bei ihr angestellte Syndikusanwalt entsprechende Tests, die ihm von der Beklagten auch übersandt wurden.
Der Kläger sah darin einen Wettbewerbsverstoß. Er vertrat die Rechtsauffassung, dass der Hinweis in den AGB und auf der Webseite nicht ausreichend sei, stattdessen sei es Verbrauchern möglich, entsprechende Produkte zu erwerben. Das LG Trier folgte der Rechtsauffassung des Klägers und verurteilte die Beklagte zur Unterlassung. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie verteidigt sich u.a. damit, dass der Kläger den behaupteten Verstoß provoziert habe und sie keinen Grund gehabt habe, an der Arbeitgebereigenschaft des Bestellers zu zweifeln, da dieser unter Angabe der E-Mail-Adresse seiner Kanzlei bestellt habe.
Dieser Argumentation folgte das OLG Koblenz nicht und wies die Berufung der Beklagten als unbegründet zurück.
Das Gericht stellte klar, dass es nicht ungewöhnlich sei, dass Nutzer von Online-Shops Hinweise auf oder Erklärungen zu Abgabebeschränkungen vor Bestätigung des „Kaufen“-Buttons nicht zur Kenntnis nehmen oder sich über diese hinwegsetzen. Zudem habe die Beklagte gar nicht erst behauptet, die angegebenen Kundendaten auf eine Berechtigung hin zu überprüfen, weshalb dahinstehen könne, ob der Besteller durch Angabe der Kanzlei-E-Mail-Adresse Anlass für ein Vertrauen auf dessen Berechtigung gegeben hätte.
Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass der höhere Preis der nicht für die Eigenanwendung zugelassenen Corona-Schnelltests geeignet ist, bei dem Laien den Eindruck einer besonderen Qualität zu erwecken und somit gerade einen Anreiz zum Erwerb darstellt. Auch ist es kein ungewöhnlicher Vorgang, dass Nutzer von Online-Shops Hinweise auf oder Erklärungen zu Abgabebeschränkungen vor Bestätigung des „Kaufen“-Buttons nicht zur Kenntnis nehmen oder sich über diese hinwegsetzen. Die Beklagte behauptet selbst nicht, vor Versendung der Bestellungen die angegebenen Kundendaten daraufhin zu überprüfen, ob es sich bei dem Kunden jeweils um eine abnahmeberechtigte Person handelt. Vor diesen Hintergrund kann dahinstehen, ob die Angabe der E-Mail-Adresse „mail@ra-…[A].de“ im Rahmen der Testbestellung Anlass für ein Vertrauen auf eine Arbeitgeberstellung des Zeugen …[A] gegeben hätte, hätte eine entsprechende Kontrolle stattgefunden.
Zudem sei es rechtsmissbräuchlich, Unterlassung zu verlangen, wenn auf unlautere Weise einen fremden Rechtsverstoß veranlasst. Dies sei jedoch bei einem normalen Testkauf grundsätzlich nicht der Fall.
Wer auf unlautere Weise einen fremden Wettbewerbsverstoß veranlasst („provoziert“), handelt rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 BGB, wenn er Unterlassung begehrt. Dies gilt auch dann, wenn der provozierte Verstoß zugleich die Interessen Dritter oder der Allgemeinheit verletzt (BGH WRP 2012, 456 – Delan, Rn. 34; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 11 Rn. 2.41). Unlauteres oder sonst gesetzwidriges Handeln liegt jedoch nicht schon bei einem normalen Testkauf durch einen Mitbewerber oder einen von ihm Beauftragten vor (BGH GRUR 1987, 304, 305 – Aktion Rabattverstoß; BGH GRUR 1999, 1017, 1019 – Kontrollnummernbeseitigung). Denn Testkäufe sind grundsätzlich zulässig. Sie sind ein weithin unentbehrliches Mittel zur Überprüfung des Wettbewerbsverhaltens von Mitbewerbern und für ihren Erfolg ist es unvermeidlich, den Zweck zu verheimlichen (BGH GRUR 1999, 1017, 1019 – Kontrollnummernbeseitigung; BGH GRUR 1992, 612, 614 – Nicola). Unzulässig sind Testkäufe dagegen, wenn sie allein dazu dienen sollen, den Mitbewerber „hereinzulegen“, um ihn mit wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen überziehen zu können. Das kann beim Einsatz verwerflicher Mittel oder bei Fehlen hinreichender Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder bevorstehende Rechtsverletzung in Betracht kommen (BGH MMR 2017, 818 – Testkauf im Internet, Rn. 31; BGH GRUR 1992, 612, 614 – Nicola; BGH GRUR 1999, 1017, 1019 - „Kontrollnummernbeseitigung“; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 11 Rn. 2.41).
Vorliegend sei der Testkauf jedoch nicht rechtsmissbräuchlich gewesen. Bereits vor dem Testkauf habe der Kläger Hinweise auf fehlende Kontrollmaßnahmen der Beklagten erhalten. Welche Kontrollmaßnahmen zu ergreifen wären, könne offenbleiben, denn vorliegend habe die Beklagte überhaupt keine Bestätigung verlangt, dass der Käufer zum Kreis der Berechtigten gehört.
Bereits vor Tätigwerden des Zeugen …[A] lagen dem klägerischen Verein nach seinem insoweit unbestrittenen Vortrag Meldungen vor, die Beklagte veräußere hierfür nicht zugelassene Tests an Laien. Dies war auch in Anbetracht der Ausgestaltung des Bestellvorgangs naheliegend. Denn dem Käufer wird bei der Bestellung außer der – ohnehin stets erforderlichen – Betätigung des Buttons „Kaufen“ keine Aktivität abverlangt, mit der er eine gesonderte Erklärung dazu abgibt, dass er zum Kreis der Empfangsberechtigten gehört. Dabei kann dahingestellt bleiben, welche Kontrollmaßnahmen zur Wahrung des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung vor Versendung der Corona-Schnelltests im Einzelnen hinreichend wären. Jedenfalls hat die Beklagte weder abgefragt, zu welcher der empfangsberechtigten Personengruppen der Besteller gehört, noch auch nur von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich die allgemeine Empfangsberechtigung durch „Anklicken“ eines gesonderten „Kästchens“ gesondert bestätigen zu lassen (so aber im Fall des OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.01.2023 – 6 U 26/22, GRUR-RS 2023, 1581). Sie betont vielmehr, dass eine Kontrolle nach Erweiterung des Kreises der Empfangsberechtigten ohnehin so gut wie unmöglich sei.
Der Kläger habe sich über allgemeine Hinweise auf der Webseite und in den AGB hinweggesetzt, dass die Angebote nur für Personen, Anstalten, Behörden und Unternehmen bestimmt seien, welche die Artikel in ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit anwenden und mit Betätigung des „Kaufen-Buttons“ automatisch bestätigt, zu einer solchen Fachgruppe zu gehören. Zwar sei der BGH in einem anderen Fall von der Rechtsmissbräuchlichkeit ausgegangen, als Vorsorgemaßnahmen bewusst umgangen wurden, um einen Verstoß zu provozieren. Davon könne hier aber nicht ausgegangen werden, da der Kläger Anhaltspunkte für Verstöße gegen ein Abgabeverbot hatte und Testkäufe auch dazu dienen können, die Wirksamkeit von Kontrollmaßnahmen zu überprüfen.
Von einer solchen Rechtsmissbräuchlichkeit kann indes nach Auffassung des Senats jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn wie hier Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es bei der entsprechenden Ausgestaltung des Bestellvorgangs zu Lieferungen an nicht Empfangsberechtigte kommt und dadurch gegen ein Abgabeverbot verstoßen wird. Denn (zulässige) Testkäufe können auch dazu dienen, die Wirksamkeit von Kontrollmaßnahmen zur Verhütung eines Missbrauchs oder auch nur eines Fehlgebrauchs durch Käufer zu überprüfen. In einem solchen Fall muss sich ein dazu bestellter Testkäufer verbotswidrig verhalten, weil andernfalls der Kontrollmechanismus nicht in Tätigkeit treten und damit auch nicht getestet werden kann (vgl. hierzu BGH GRUR 1981, 827, 829 – Vertragswidriger Testkauf; sowie für den Fall der Aufforderung zur Gewährung eines unzulässigen Rabatts BGH GRUR 1964, 88 f. – Verona-Gerät). Im vorliegenden Fall wirft der klagende Verband der Beklagten vor, keine ausreichenden Kontrollmaßnahmen ergriffen zu haben, um einen Versand an nicht Empfangsberechtigte zu verhindern, und damit gegen das Abgabeverbot zu verstoßen. Der von ihm beauftragte Testkäufer konnte nur in der erfolgten Weise vorgehen, um entsprechenden Hinweisen nachzugehen. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten lässt sich damit nicht begründen.
Das OLG Koblenz stellt klar, dass geeignete Kontrollmechanismen für den Verkauf von Produkten, die lediglich von einer bestimmten Personengruppe erworben werden dürfen, erforderlich sind. Bloße Hinweise auf der Webseite oder in den AGB sind zum Nachweis nicht ausreichend und wettbewerbswidrig. Testkäufe können dazu dienen, die Wirksamkeit solcher Kontrollmaßnahmen zu überprüfen und sind nicht rechtsmissbräuchlich. Wie Sie den Kundenkreis Ihres Online-Shops rechtssicher beschränken können, erfahren Sie in diesem Rechtstipp der Woche.
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