Art. 9 der SEPA-Verordnung bestimmt, dass weder der Zahler noch der Zahlungsempfänger vorgeben darf, in welchem Mitgliedstaat das Zahlungskonto zu führen ist. Das LG Düsseldorf (Urt. v. 2.6.203 – 38 O 162/22) entschied, dass Unternehmer das ausländische Konto eines Kunden akzeptieren müssen.
Die Beklagte bietet im Internet den Ankauf von Geräten der Unterhaltungselektronik wie Handys an, die sie reinigt, aufbereitet und dann weiterverkauft. Sie beschränkt dabei den Kreis möglicher Kunden in zulässiger Weise in ihren Ankaufsbedingungen auf bestimmte Länder, bietet aber den Ankauf der Geräte von Kunden in Deutschland ausdrücklich an.
Im Mai 2022 bot ein Kunde der Beklagten ein gebrauchtes Smartphone zum Ankauf an und versuchte vergeblich, für die Auszahlung des Ankaufpreises ein in Litauen geführtes Konto zu benennen. Dies lehnte das Unternehmen ab. Sie fügte eine Liste der Länder bei, aus denen ein Ankauf möglich sei, und erklärte, „die IBAN [müsse] auch auf eine[s] dieser Länder laufen“. Darauf entgegnete der Kunde per E-Mail, die Beklagte sei unabhängig davon, aus welchen Ländern sie Geräte ankaufe, „verpflichtet, IBAN-Verbindungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, einschließlich Litauen, zu akzeptieren“. Er sei deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz in Deutschland, habe aber dennoch eine LT-IBAN, und bitte, ihm den Verkauf zu ermöglichen. Am nächsten Tag teilte die Beklagte per E-Mail mit, der Kunde könne „hier nur eine IBAN nutzen, die auch in der Verkaufsliste angegeben ist“.
Die Wettbewerbszentrale beanstandete die fehlende Akzeptanz der litauischen IBAN als Verstoß gegen die SEPA-Verordnung und verlangte Unterlassung. Dem folgte das LG Düsseldorf.
Der europäische Gesetzgeber hat mit der SEPA-Verordnung (VO [EU] Nr. 260/2012) Festlegungen und technische Vorschriften für Überweisungen und Lastschriften in Euro getroffen. Die Verordnung gilt unmittelbar in allen europäischen Mitgliedsstaaten. Gemäß Art. 3 i.V.m. Art. 9 dieser Verordnung dürfen weder der Zahler noch der Zahlungsempfänger vorgeben, in welchem Mitgliedstaat das Zahlungskonto zu führen ist. Art. 9 SEPA-VO bestimmt Folgendes:
(1) Ein Zahler, der eine Überweisung an einen Zahlungsempfänger vornimmt, der Inhaber eines Zahlungskontos innerhalb der Union ist, gibt nicht vor, in welchem Mitgliedstaat dieses Zahlungskonto zu führen ist, sofern das Zahlungskonto gemäß Artikel 3 erreichbar ist.
(2) Ein Zahlungsempfänger, der eine Überweisung annimmt oder eine Lastschrift verwendet, um Geldbeträge von einem Zahler einzuziehen, der Inhaber eines Zahlungskontos innerhalb der Union ist, gibt nicht vor, in welchem Mitgliedstaat dieses Zahlungskonto zu führen ist, sofern das Zahlungskonto gemäß Artikel 3 erreichbar ist.
Das Gericht sah in der Weigerung der Beklagten, für die zu leistende Zahlung ein litauisches Bankkonto zu verwenden, einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 SEPA-VO. Sie habe ein in einem anderen Mitgliedstaat der Union geführtes Konto nicht für von ihr zu leistende Zahlungen akzeptiert.
Die danach von der Beklagten ausgesprochene Weigerung, Zahlungen auf eine litauische Bankverbindung zu leisten, verstößt gegen Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 (fortan SEPA-VO).
Gemäß Art. 9 Abs. 1 SEPA-VO gibt ein Zahler, der eine Überweisung an einen Zahlungsempfänger vornimmt, der Inhaber eines Zahlungskontos innerhalb der Union ist, nicht vor, in welchem Mitgliedstaat dieses Zahlungskonto zu führen ist, sofern das Zahlungskonto die Anforderungen des Art. 3 SEPA-VO erfüllt.
Gegen diese Bestimmung hat die Beklagte verstoßen. Sie hat gegenüber einem Kunden erklärt, ein von ihm in einem anderen Mitgliedstaat der Union geführtes Konto nicht für von ihr zu leistende Zahlungen zu akzeptieren. Hierzu wäre sie nur berechtigt gewesen, wenn das Konto des Kunden nicht gemäß Art. 3 SEPA-VO erreichbar gewesen ist. Dies hat die Beklagte jedoch nicht geltend gemacht, sondern dem Kunden lediglich erklärt, seine litauische Bankverbindung nicht zu akzeptieren.
Unerheblich ist, dass zwischen der Beklagten und dem Kunden noch kein Vertrag zustande gekommen ist und die Beklagte noch zu keiner Zahlung an den Kunden verpflichtet war. Diese Umstände zählen nicht zu den Tatbestandsmerkmalen des Art. 9 Abs. 1 SEPA-VO. Im Übrigen könnte die Vorschrift ihren Zweck nur unvollkommen erfüllen, wollte man sie erst anwenden, wenn bereits eine vertragliche Bindung eingegangen wurde.
Danach führte das Gericht aus, dass es sich bei Art. 9 Abs. 1 SEPA-VO um eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG handle. Die gesetzliche Vorschrift sei dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Hierzu verwies das Gericht auf eine bereits zu Art. 9 SEPA-VO ergangene Entscheidung des BGH.
Hierzu muss die verletzte Norm jedenfalls auch – dieser Zweck muss nicht der einzige und nicht einmal der primäre sein – die Funktion haben, gleiche Voraussetzungen für die auf einem Markt tätigen Wettbewerber zu schaffen […]. Ferner muss sie das Marktverhalten und nicht ein ihm vorausgehendes oder erst nachfolgendes Verhalten betreffen; fällt der Gesetzesverstoß nicht mit dem Marktverhalten zusammen, ist eine zumindest sekundäre wettbewerbsbezogene Schutzfunktion der verletzten Norm erforderlich […]. Schließlich muss die Norm dem Interesse der Marktteilnehmer dienen. Das Marktverhalten im Interesse der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer regelt eine Norm, wenn sie einen Wettbewerbsbezug in der Form aufweist, dass sie die wettbewerblichen Belange der als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in Betracht kommenden Personen schützt; wobei das geschützte Interesse gerade durch die Marktteilnahme, also durch den Abschluss von Austauschverträgen und den nachfolgenden Verbrauch oder Gebrauch der erworbenen Ware oder in Anspruch genommenen Dienstleistung, berührt werden muss; eine spezifisch wettbewerbsbezogene Schutzfunktion in dem Sinne, dass die Regelung die Marktteilnehmer speziell vor dem Risiko einer unlauteren Beeinflussung ihres Marktverhaltens schützt, ist nicht erforderlich, solange die Vorschrift – zumindest auch – den Schutz der wettbewerblichen Interessen der Marktteilnehmer bezweckt und sich nicht lediglich reflexartig zu deren Gunsten auswirkt (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2022 – I ZR 16/22 [= WRP 2023, 447] – Stickstoffgenerator [unter B I 3]).
Diese Voraussetzungen erfüllt Art. 9 Abs. 1 SEPA-VO. Insoweit gilt Vergleichbares wie für Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO, bei dem es sich anerkanntermaßen um eine Marktverhaltensregelung handelt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2020 – I ZR 93/18 [= WRP 2020, 726] – SEPA-Lastschrift [unter II 3 b]).
Die Vorschrift betreffe Zahler, die Überweisungen vornehmen, um Zahlungsempfängern Geldbeträge zuzuwenden. Damit schütze Art. 9 Abs. 1 SEPA-VO insbesondere das Interesse der Verbraucher. Bei Verstößen sei die Verhaltensfreiheit des Verbrauchers in Bezug auf ihre Marktteilnahme eingeschränkt, so das Gericht.
Die SEPA-VO soll namentlich auch im Interesse des Verbraucherschutzes (vgl. Erwägungsgründe 1, 5, 7, 13, 14 und 16) den Zahlungsverkehr innerhalb der Union erleichtern, für mehr Wettbewerb bei Zahlungsdiensten sorgen und die Inanspruchnahme unionsweiter Zahlungsdienste fördern, wobei die Festlegung technischer Vorschriften und Geschäftsanforderungen für Zahlungsdienste nicht das eigentliche Ziel der Verordnung, sondern nur das Mittel zur Erreichung des eingangs genannten umfassenden, gerade auch die Verbraucherinteressen in den Blick nehmenden Zwecks sind (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 20. April 2018 – 4 U 120/17, VuR 2018, 314 [unter 1 a]). Hierzu wendet sich die SEPA-VO zwar vornehmlich an Zahlungsdienstleister, zu den Normadressaten des Art. 9 Abs. 1 SEPA-VO gehören aber auch Zahler, die Überweisungen vornehmen, um Zahlungsempfängern Geldbeträge zuzuwenden. Das ihnen in der Vorschrift auferlegte Verbot, vorzugeben, in welchem Mitgliedstaat das Konto zu führen ist, auf das die Zahlung geleistet werden soll, betrifft deren Marktverhalten, nämlich die Abwicklung von Zahlungsvorgängen und Verträgen mit der Gegenseite, und gilt für alle Wettbewerber gleichermaßen. Es dient dazu, Zahlungsempfängern einschließlich Verbrauchern tatsächlich die von der SEPA-VO gewünschte Entscheidungsfreiheit darüber zu verschaffen, in welchem Mitgliedstaat sie ein Konto unterhalten wollen, was der Vorschrift einen unmittelbar verbraucherschützenden Charakter gibt (vgl. LG Freiburg, Urteil vom 21. Juli 2017 – 6 O 76/17, BeckRS 2017, 120804 [= K&R 2017, 741] [unter II 1 b] zu Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO). Das von der SEPA-VO auch im Interesse des Verbraucherschutzes angestrebte Angebot unionsweiter Zahlungsdienste wäre in seinem Wert und seiner Bedeutung für den Verbraucher eingeschränkt, wenn er faktisch doch nicht zwischen verschiedenen Zahlungsdienstleistern wählen könnte, weil Zahler auf der Verwendung von in bestimmten Mitgliedstaaten geführten Konten bestehen.
Außerdem sei der Verstoß auch dazu geeignet, die Interessen von Verbrauchern im Sinne von § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen. Der Verbraucher könne nur effektiv zwischen den verschiedenen Zahlungsdienstleistern wählen, wenn er deren Leistungen auch unionsweit nutzen kann. Daran fehle es aber, wenn Zahlungsempfänger berechtigt wären, auf der Verwendung von in bestimmten Mitgliedsstaaten geführten Konten zu bestehen.
Das Relevanzkriterium der spürbaren Beeinträchtigung im Sinne von § 3a UWG – das ohne damit verbundene sachliche Änderung aus § 3 Abs. 1 UWG in der zwischen dem 30. Dezember 2008 und dem 9. Dezember 2015 geltenden Fassung übernommen wurde […] und das dem der nicht nur unerheblichen Beeinträchtigung im Sinne von § 3 UWG in der bis zum 29. Dezember 2008 geltenden Fassung entspricht […] – soll zum Ausdruck bringen, dass die Wettbewerbsmaßnahme von einem gewissen Gewicht für das Wettbewerbsgeschehen und die Interessen des geschützten Personenkreises sein muss, um die Verfolgung von Bagatellfällen auszuschließen, weshalb die Schwelle nicht zu hoch anzusetzen ist; die Frage, ob es sich um einen Bagatellverstoß handelt oder die Grenze überschritten ist, ist unter umfassender Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, namentlich der Art und Schwere des Verstoßes, anhand der Zielsetzung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 – I ZR 153/04 [= WRP 2008, 220] – Telefonaktion [unter II 3 b aa]). Ob eine Eignung zur spürbaren Interessenbeeinträchtigung besteht, beurteilt sich nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Marktverhaltensregelung unter Berücksichtigung derjenigen Zwecke, die die Einordnung der Vorschrift als Marktverhaltensregelung rechtfertigen, weil sie die Interessen der Marktteilnehmer betreffen BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 – I ZR 206/17 [= WRP 2019, 1296] – Brötchen-Gutschein [unter B II 6 b aa]).
Dies beachtend ist die Eignung des Verstoßes zur spürbaren Beeinträchtigung der Interessen anderer Marktteilnehmer zu bejahen. Wie bereits oben unter II. 1. c) cc) (2) ausgeführt, kann der Verbraucher zwischen den verschiedenen Zahlungsdiensteanbietern nur dann effektiv wählen, wenn er deren Leistungen auch unionsweit nutzen kann, woran es fehlen würde, wenn Zahler berechtigt wären, auf der Verwendung von in bestimmten Mitgliedstaaten geführten Konten zu bestehen (vgl. auch BGH, Urteil vom 6. Februar 2020 – I ZR 93/18 [= WRP 2020, 726] – SEPA-Lastschrift [unter II 3 c]).
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
Weder der Zahler noch der Zahlungsempfänger dürfen vorgeben, in welchem Mitgliedstaat das Zahlungskonto zu führen ist. Kunden sollen darüber frei entscheiden können. Das bedeutet für Händler, dass sie Zahlungen von Konten aus anderen Mitgliedstaaten akzeptieren müssen. Bei der entsprechenden Vorschrift der SEPA-VO handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung. Verstöße hiergegen können abgemahnt werden.
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