LG Hamburg: Werbung mit durchschnittlicher Sternebewertung kann irreführen

Kundenbewertungen beeinflussen die Kaufentscheidung vieler Verbraucher und spielen daher für Online-Händler eine wichtige Rolle. Bei der Werbung mit Bewertungen sind dem Verbraucher alle wesentlichen Informationen zu erteilen, die er nach den jeweiligen Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen. Das LG Hamburg entschied nun (Urt. v. 16.9.2022 – 315 O 160/21), dass Werbung mit Kundenbewertungen unter Angabe einer durchschnittlichen Sternebewertung irreführend sei, wenn nicht gleichzeitig die Gesamtzahl der abgegebenen Kundenbewertungen sowie der Zeitraum der berücksichtigten Kundenbewertungen angegeben werde.

Die Beklagte vermittelt über ihre Webseite Immobilienverkäufer an Immobilienmakler. Auf ihrer Webseite warb sie damit, dass ihre Kundschaft ihre Makler im Durchschnitt mit 4,7 von 5 möglichen Sternen bewertet habe, ohne hierzu weitere Angaben zu machen. Daraufhin mahnte der Kläger, ein Wettbewerbsverband, die Beklagte ab und forderte diese erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.

Der Kläger vertrat die Ansicht, dass das Verhalten der Beklagten unlauter sei. So würden beim Werben mit durchschnittlichen Kundenbewertungen die Gesamtzahl der Bewertungen, der relevante Zeitraum sowie eine Aufschlüsselung zur Berechnungsweise wesentliche Informationen darstellen. Das LG Hamburg schloss sich der Rechtsauffassung des Klägers im Wesentlichen an.

Gesamtzahl der zugrunde gelegten Bewertungen  ist wesentliche Information

Zunächst stellte das Gericht klar, dass Informationen wesentlich seien, wenn sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von erheblichem Gewicht seien und ihre Mitteilung unter Berücksichtigung der Interessen von Verbraucher und Unternehmer vom Unternehmer erwartet werden könne. Vor diesem Hintergrund sei die Gesamtzahl der Bewertungen wesentlich. Zwar handle es sich um subjektive Bewertungen, allerdings steige durch die Anzahl der Bewertungen die Repräsentativität.

Die Gesamtzahl der in eine Durchschnittsbewertung einfließenden Bewertungen stellt eine wesentliche Information im Sinne des § 5a Abs. 1 UWG n.F. dar, denn die Bedeutung einer Durchschnittsbewertung steigt erheblich, umso mehr Bewertungen insgesamt vorliegen. Zwar handelt es sich, wie die Beklagte zurecht ausführt, um subjektive Bewertungen, die gerade nicht nach objektiven Kriterien und aus verschiedensten Motiven abgegeben werden, allerdings steigt durch die Anzahl der Bewertungen die Repräsentativität. Bewirbt also ein Unternehmer sein Angebot mit durchschnittlichen Kundenbewertungen, so ist die Anzahl der Bewertungen von erheblichem Gewicht für die Entscheidung des Verbrauchers, denn diese bestimmt maßgeblich, ob und wie stark die Durchschnittsbewertung selbst seine Entscheidung beeinflusst.

Zeitraum der Durchschnittsbewertungen ist wesentliche Information

Auch die Angabe des Zeitraums, in dem Bewertungen für eine Durchschnittsbewertung berücksichtigt worden sei, stelle eine wesentliche Information für den Verbraucher dar. Dies folge daraus, dass aktuellere Bewertungen von Verbrauchern stärker berücksichtigt würden als ältere Bewertungen.

Auch die Angabe des Zeitraums, in dem Bewertungen für eine Durchschnittsbewertung berücksichtigt wurden, stellt eine wesentliche Information im Sinne des § 5a Abs. 1 UWG n.F. dar. Ein Verbraucher wird Bewertungen, die aus aktuellerer Zeit stammen, stärker bei seiner Entscheidung berücksichtigen, während er ältere Bewertungen bei seiner Entscheidung eher vernachlässigen oder sogar komplett ignorieren wird. Es ist daher erforderlich, dass aus der Darstellung der Durchschnittsbewertung in irgendeiner Form erkennbar ist, aus welchem Zeitraum die berücksichtigten Bewertungen stammen, sei es durch Einblendung der eingeflossenen Bewertungen mit ihrem jeweiligen Datum oder durch eine Beschreibung berücksichtigten Zeitraums.

Erforderlichkeit der zusätzlichen Informationen

Anschließend führte das Gericht aus, dass der durchschnittliche Verbraucher die zusätzlichen Informationen zu Kundenbewertungen benötige. Das Vorenthalten der Informationen sei geeignet, den Verbraucher zu beeinflussen, eine geschäftliche Handlung vorzunehmen. Ohne diese Informationen könne der Verbraucher nicht einschätzen, wie stark er die Bewertung bei seiner Entscheidung gewichten solle.

Der Verbraucher benötigt die zusätzlichen Informationen zu Kundenbewertungen, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen. Der Durchschnittsverbraucher benötigt eine wesentliche Information nach den Umständen dann, wenn sie bei der Abwägung des Für und Wider seiner geschäftlichen Entscheidung eine Rolle spielen könnte […]. Dabei trägt der werbende Unternehmer die sekundäre Darlegungslast […]. Es entspricht der Sachkunde und Lebenserfahrung der Kammer, dass subjektive Bewertungen bei der Vermarktung im Internet eine erhebliche Rolle spielen. Entgegen der Behauptung der Beklagten hinterfragen Verbraucher subjektive Bewertungen und berücksichtigen diese bei ihren geschäftlichen Entscheidungen in hohem Maße. Dies zeigt sich auch bereits daran, dass die Beklagte ihre Webseite auf genau diese subjektiven Bewertungen zugeschnitten hat. Dies bestätigen auch die Erwägungen des Gesetzgebers, der bei der Schaffung des § 5b Abs. 3 UWG n.F. die erheblich gestiegene Bedeutung von Kundenbewertungen im Internet berücksichtigen wollte […]. Zudem lassen sich aus Durchschnittsbewertungen eben auch objektive Schlüsse ziehen, nämlich ob Kunden mit der Leistung des werbenden Unternehmers im Durchschnitt eher zufrieden oder unzufrieden waren. Ein Vorenthalten der Informationen über die Anzahl der Bewertungen und des Zeitraums, aus dem Bewertungen berücksichtigt wurden, ist geeignet, den Verbraucher zu beeinflussen, eine geschäftliche Handlung vorzunehmen, denn ohne die Informationen kann der Verbraucher nicht einschätzen, wie stark er die Bewertung bei seiner Entscheidung gewichten sollte. Es kann daher sein, dass er auf Grund des Vorenthaltens der Informationen die Durchschnittsbewertung zu stark gewichtet und daher eine geschäftliche Beziehung mit der Beklagten eingeht, die er ansonsten nicht eingegangen wäre. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass Verbraucher im vorliegenden Einzelfall die Informationen zur Anzahl der Bewertungen und des berücksichtigten Zeitraums – abweichend vom Regelfall – nicht benötigen.

Zusätzliche Transparenzpflicht bei Verbraucherbewertungen

Auch unter Berücksichtigung des am 28.5.2022 in Kraft getretenen § 5b Abs. 3 UWG, der hinsichtlich Bewertungen bestimmte Pflichtinformationen vorsieht, ergebe sich nichts anderes. Es handle sich bei § 5b Abs. 3 UWG um eine Basis-Information, die bei der Werbung mit Bewertungen stets notwendig sei, wobei wie hier zusätzliche Informationen nach den Umständen des Einzelfalls notwendig sein könnten. Dies sei vorliegend der Fall, da es sich um Durchschnittsbewertungen handele.

Entgegen der Ansicht der Beklagten spricht auch der am 28.05.2022 in Kraft getretene § 5b Abs. 3 UWG nicht für eine andere Betrachtungsweise. Denn § 5b Abs. 3 UWG n.F. ist zum einen nicht abschließend und zum anderen regelt die Norm (nur) allgemein die Angabe von Bewertungen und nicht nur die Angabe von Durchschnittsbewertungen. Die Norm regelt, dass es bei Werbung mit Bewertungen eine wesentliche Information darstellt, ob und wie der Unternehmer sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von solchen Verbrauchern stammen, die die Waren oder Dienstleistungen tatsächlich genutzt oder erworben haben. Der Gesetzgeber wollte damit berücksichtigen, dass Bewertungen und Empfehlungen anderer Verbraucher eine immer größere Rolle bei der eigenen Entscheidung spielen […]. Der Gesetzgeber misst also Bewertungen ein hohes Stellenmaß bei. Er wollte damit insbesondere gegen falsche Bewertungen vorgehen und für mehr Transparenz sorgen […]. Es handelt sich somit bei § 5b Abs. 3 UWG um eine Basis-Information, die bei der Werbung mit Bewertungen stets notwendig ist, wobei zusätzliche Informationen nach den Umständen des Einzelfalls notwendig sein können […]. Dies ist vorliegend der Fall. Denn die Beklagte warb mit Durchschnittsbewertungen. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Aussage von vielen Bewertungen verallgemeinern und daher weniger Informationen erhalten, ihre Bedeutung allerdings mit Zunahme der Anzahl der zugrundeliegenden Bewertungen steigt. Eine Durchschnittsbewertung unterscheidet sich daher auch wesentlich von dem in § 5b Abs. 3 UWG vordergründig geregelten Fall, dass die einzelnen Bewertungen für den Verbraucher einsehbar sind. Es ist daher auch sachgerecht, zusätzliche Informationen im Vergleich zur Darstellung einzelner Bewertungen zu fordern.

Aufschlüsselung von Bewertungen nicht erforderlich

Hingegen sei die Aufschlüsselung der Bewertungen, also wie häufig eine Bewertung der jeweiligen Sternekategorie abgegeben wurde, in diesem Zusammenhang keine wesentliche Information. Es bleibe dem veröffentlichenden Unternehmen frei überlassen, ob es die zusätzliche Information der Aufschlüsselung zur Verfügung stelle.

Die Aufschlüsselung der Bewertungen, also wie häufig eine Bewertung in der jeweiligen Sternekategorie vergeben wurde, ist keine wesentliche Information zur Berücksichtigung einer Durchschnittsbewertung im Sinne des § 5a Abs. 1 UWG n.F. Eine Durchschnittsbewertung bildet lediglich das arithmetische Mittel der abgegebenen Bewertungen wieder. Ob die Bewertungen eher auseinanderfallen oder die Leistung in der Regel ähnlich bewertet wird, ist keine Frage, die sich bei der Berücksichtigung der Durchschnittsbewertung stellt, sondern es ließen sich darauf losgelöst von der Durchschnittsbewertung neue Schlüsse ziehen. Die Information ist aber nicht wesentlich, um eine Durchschnittsbewertung bei einer Entscheidung zu berücksichtigen, sodass es dem veröffentlichenden Unternehmer überlassen bleibt, ob er die Aufschlüsselung als zusätzliche Information zur Verfügung stellt.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Der Kläger hat gegen dieses Urteil Berufung bei dem OLG Hamburg eingelegt.

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12.06.23