LG Berlin: Unzulässige Werbung mit „Anti-Kater“ und „Anti-Hangover“

Die Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben, sog. Health-Claims, ist durch die EU streng reglementiert und immer wieder ein Grund für Abmahnungen. Das LG Berlin (Urt. v. 9.11.2022 – 97 O 106/21) entschied nun, dass es sich bei der Werbung mit den Angaben „Anti-Kater“ und „Anti-Hangover“ um unzulässige krankheits- und gesundheitsbezogene Angaben handle.

Die Beklagte betreibt einen Online-Shop für diverse Getränke mit einem Blog zu Themen rund um den Genuss alkoholischer Getränke. Sie warb im Oktober 2021 für Nahrungsergänzungsmittel mit den Angaben „Anti-Kater“, „Anti-Hangover“ und „ um nach dem Trinken dem Kater aus dem Weg zu gehen“. Ein Wettbewerbsverband sah in dieser Werbung unzulässige krankheits- und gesundheitsbezogene Werbung und nahm die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Das LG Berlin entschied, dass dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zustehe.

Rechtlicher Hintergrund

Welche nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben in der Werbung für Lebensmittel verwendet werden dürfen, regelt die VO (EG) 1924/2006 (HCVO = Health-Claims-Verordnung). Bei der Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben besteht ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt: Gesundheitsbezogene Angaben sind nach Art. 10 Abs. 1 HCVO grundsätzlich verboten, es sei denn, sie sind nach der Verordnung ausdrücklich zugelassen.

(1) Gesundheitsbezogene Angaben sind verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II und den speziellen Anforderungen im vorliegenden Kapitel entsprechen, gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Artikeln 13 und 14 aufgenommen sind.

Eine Auflistung der zugelassenen Angaben findet sich im Anhang der VO (EU) 432/2012 sowie im Register der Europäischen Kommission. Zudem stehen alle Aussagen unter weiteren Bedingungen, welche ebenfalls dem Anhang der Verordnung entnommen werden können. Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile eines Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden sind nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Art. 13 oder 14 HCVO enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist (Art. 10 Abs. 3 HCVO).

Zudem enthält Art. 7 LMIV (VO [EU] 1169/2011; Lebensmittelinformationsverordnung) ein Irreführungsverbot hinsichtlich Lebensmitteln. Abs. 3 enthält ein Verbot krankheitsbezogener Informationen. Dieses Verbot gilt auch für die Werbung.

(3) Vorbehaltlich der in den Unionsvorschriften über natürliche Mineralwässer und über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, vorgesehenen Ausnahmen dürfen Informationen über ein Lebensmittel diesem keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen.

Kater und Hangover = Krankheit?

Die Beklagte war der Ansicht, dass es sich weder bei einem Kater noch bei einem Hangover um eine Krankheit handle, sondern anders als grippale Infekte oder sonstige Krankheiten Folge seines selbstbestimmten Verhaltens seien. Auch die WHO sehe einen Kater nicht als Krankheit an. Das Gericht definierte daher zunächst den Begriff Krankheit.

Der Begriff „Krankheit“ ist unionsrechtlich nicht definiert, weshalb auf die durch nationale Rechtsprechung entwickelte Definition zurückzugreifen ist. Krankheit gemäß Art. 7 LMIV ist nach der Rechtsprechung und herrschenden Meinung in der Literatur jede, also auch eine geringfügige oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder normalen Tätigkeit des Körpers (vgl. BGH NJW 1966, 393, 396 f.; Voit/Grube, LMIV, 2. Auflage, Art. 7 Rdnr. 292). Die durch § 12 LFGB bzw. Art. 7 LMIV als Nachfolgevorschrift verbotene Bezugnahme auf eine bestimmte Krankheit kann auch indirekt durch Hinweise auf Körperzustände oder Wirkungen des Lebensmittels, die beim Verbraucher Assoziationen zu bestimmten Krankheiten auslösen, geschehen (vgl. Wehlau, LFGB, § 12 Rdnr. 31). Krankheitssymptome fallen jedenfalls dann in den Anwendungsbereich der Vorschrift, wenn ein mittelbarer Bezug zu einer bestimmten Krankheit hergestellt und nicht nur ein bloßer Hinweis auf die gesundheitsfördernde Wirkung abgegeben wird (vgl. OLG Karlsruhe BeckRS 2017, 140106 Tz. 23 f.). Die jeweiligen Werbeangaben sind in ihrem Gesamtzusammenhang zu würdigen, weil sie Bestandteile einer jeweils einheitlichen Werbung sind, die als geschlossene Botschaft erscheint. Vor diesem Hintergrund ist jede der beanstandeten Aussagen im Zusammenhang mit dem übrigen Inhalt zu bewerten (vgl. Kammergericht, Urteil vom 25. April 2018 - 5 U 82/17 -).

Aussagen haben Krankheitsbezug

Sodann stellte das Gericht fest, dass die Aussagen einen Krankheitsbezug aufweisen und damit unzulässig seien.

Die streitgegenständlichen Aussagen weisen in ihrem von der Beklagten gestalteten Umfeld zweifellos Krankheitsbezug auf, sie wecken entgegen ihrer Auffassung beim Interessenten ihres Produkts nicht die Erwartung einer üblichen Schwankung des körperlichen Wohlbefindens. Dies folgt neben der ersten streitgegenständlichen Werbeaussage aus dem vorangestellten „Anti-“ in den nachfolgenden beiden, die zusammen mit dem weiteren Text der Anlage K 3 jedem Interessenten verdeutlichen, er könne soviel trinken, wie er wolle, die damit verbundenen zwangsläufigen, bekannten und meist schwerwiegenden Folgen träten nicht ein. Ein derartiger, durch erheblichen Alkoholkonsum hervorgerufener Zustand, den es zu verhindern gelte, weicht stets von dem üblichen Auf und Ab der Gesundheit im Laufe eines Tages ab und erfüllt selbst bei einer unterstellten, von der Beklagten befürworteten teleologischen Auslegung der Vorschrift den Krankheitsbegriff. In ihrem Werbetext spricht die Beklagte von einer „langen Partynacht“, in der man sich „keine Gedanken um den Morgen danach machen“ müsse. Das Produkt helfe, „lebenswichtige Nährstoffe wiederherzustellen und am nächsten Tag ohne Kopfschmerzen aufzuwachen. Seien Sie sorgloser ... Denn so ist der gefürchtete Morgen danach Schnee von gestern...“. U. a. mit „Kopfschmerzen“ und „gefürchtete Morgen danach“ spricht die Beklagte unmissverständlich Folgen an, die der Interessent stets als Störung der normalen Beschaffenheit des Körpers in diesem Werbeumfeld ansieht.

Einer Entscheidung der von der Beklagten aufgeworfenen Frage, ob die jeweiligen Begriffe „Kater“ und/oder „Hangover“ für sich bereits für eine Krankheit im Sinne des Art. 7 Abs. 3 LMIV stehen, bedarf es dementsprechend nicht, wobei dies von der Rechtsprechung unter Würdigung auch der hiesigen Argumente der Beklagten soweit ersichtlich allgemein bejaht wird (vgl. insbesondere OLG Frankfurt GRUR 2019, 1300 Tz. 23 bis 34).

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10.05.23