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OLG Schleswig zur Grundpreispflicht bei Kerzen und nicht klickbarem OS-Link

Seit Januar 2016 sind alle Online-Händler mit Sitz in der EU dazu verpflichtet, auf die Online-Streibeilegungsplattform zu verlinken. Dieser Link muss klickbar sein und ebenfalls auf Verkaufsplattformen erfolgen. Das OLG Schleswig (Urt. v. 9.3.2023 – 6 U 36/22) hat nun entschieden, unter welchen Bedingungen ein Verstoß gegen diese Pflicht nicht schuldhaft erfolgt. Zudem bestehe für Kerzen keine Pflicht zur Angabe eines Grundpreises.

Die Beklagte hatte sich aufgrund einer Abmahnung durch den Kläger, einem Wettbewerbsverein, mit Unterlassungserklärung vom 30.8.2021 u.a. dazu verpflichtet, ihre Warenangebote mit einem klickbaren Link zur sog. OS-Plattform, der Internetplattform zur Online-Streitbeilegung, zu versehen und bei Angeboten für Waren, die nach Gewicht oder in offener Verpackung abgegeben werden, den Grundpreis in bestimmter Form anzugeben. Am 23.9.2021 fand der Kläger bei E-Bay Angebote der Beklagten vor, die seines Erachtens in beiderlei Hinsicht gegen die Unterlassungsvereinbarung verstießen. Am 7.12.2021 hat er Klage auf Zahlung einer Vertragsstrafe i.H.v. 3.000 € erhoben.

Das LG Kiel (Urt. v. 6.5.2022 – 14 HKO 83/21) hatte zunächst einen schuldhaften Verstoß gegen die Verpflichtung angenommen. Die Einrichtung eines anklickbaren Links genüge nicht. Für das Verschulden der mit der Einrichtung des Links beauftragten Mitarbeiterin hafte die Beklagte nach § 278 BGB. Dagegen habe die Beklagte nicht gegen die Verpflichtung zur Grundpreisangabe verstoßen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten, die nun vor dem OLG Schleswig Erfolg hatte. Die Beklagte habe nicht gegen die Unterlassungserklärung verstoßen, womit ihr auch kein Anspruch auf eine Vertragsstrafe zustehe.

Anspruch aus der Unterlassungserklärung

Zunächst stellte das Gericht fest, dass der Anspruch des Klägers nicht an seiner fehlenden Aktivlegitimation scheitere. Seit dem 1.12.2021 dürfen Wirtschaftsverbände nur abmahnen, wenn sie in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände beim Bundesamt für Justiz eingetragen sind. Diese Liste hat das Bundesamt für Justiz veröffentlicht und auch bereits mehrfach aktualisiert. Der  geltend gemachte Anspruch stehe dem Kläger möglicherweise aus der abgegebenen Unterlassungserklärung zu.

Der Anspruch scheitert nicht an fehlender Aktivlegitimation. Der streitgegenständliche Anspruch stünde dem Kläger aufgrund der Unterlassungsvereinbarung vom 30.08. / 03.09.2021 zu. Auf seine nach derzeitiger Rechtslage fehlende gesetzliche Klagebefugnis für ein Unterlassungsbegehren nach § 8 Abs. 1 UWG kommt es deshalb nicht an.

Das Vertragsstrafeverlangen ist nicht rechtsmissbräuchlich. Hat der Unterlassungsgläubiger seine gesetzliche Klagebefugnis verloren, so kann es rechtsmissbräuchlich sein, wenn er gleichwohl aus einem fortbestehenden vertraglichen Unterlassungsanspruch vorgeht. Ein solcher Fall liegt jedoch jedenfalls dann nicht vor, wenn der Gläubiger – wie hier – zum Zeitpunkt der beanstandeten Handlung auch von Gesetzes wegen noch dagegen hätte vorgehen können.

Kein Verstoß gegen die Pflicht zur Grundpreisangabe

In der Unterlassungsvereinbarung habe die Beklagte sich dazu verpflichtet, bei Angeboten „betreffend Dekorationsartikel (Kerzen)“, bei denen es sich nach Gewicht oder in offener Verpackung angebotene Waren handelt, Grund- und Gesamtpreis jeweils „unmissverständlich, klar erkennbar (in unmittelbarer Nähe) und gut lesbar“ anzugeben. Gegen diese vertragliche Verpflichtung habe die Beklagte nicht verstoßen, da das Angebot nicht nach Gewicht erfolgte.

Nach § 2 PAngV a. F. ist der Grundpreis anzugeben, wenn eine Ware nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche angeboten wird. Dies betrifft allerdings nicht solche Angebote, bei denen diese Angaben nur der Erläuterung des Produkts und der Unterrichtung der Verbraucher dienen (BT-Drucks. 180/00 S. 23 f; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Weidert § 2 PangV Rn. 7). Eben dies ist bei dem Angebot eines 4-er Sets Stearin-Stumpenkerzen, in dem der Kläger das vertragsstrafenauslösende Angebot sieht, jedoch der Fall. Die Angabe des Gewichts wird dort nur als eines von weiteren Merkmalen aufgelistet, mit denen die Ware beschrieben wird. Sie ist hingegen nicht die für den Verkauf maßgebliche Einheit. Verkauft werden die Kerzen vielmehr nach Stückzahl. Schon aus der Angebotsbezeichnung „4-er Set“ wird dies deutlich. Ein Angebot nach Gewicht i. S. d. § 2 PangV a. F. liegt offenkundig nicht vor.

Keine Pflicht zur Angabe des Grundpreises bei Kerzen

Sei für eine Ware von Gesetzes wegen eine Gewichtsangabe vorgeschrieben, müsse der Grundpreis angegeben werden, auch dann, wenn sie nicht nach Gewicht angeboten wird, stellte das Gericht klar. Geschehe dies nicht, liege darin ein Verstoß gegen § 2 PAngV a. F. In einem solchen Fall komme es in Betracht, dann auch einen Verstoß gegen die Unterlassungsvereinbarung anzunehmen. Eine solche Pflicht bestehe bei Kerzen jedoch nicht.

Der Senat kann offenlassen, ob die Unterlassungsvereinbarung entsprechend auszulegen ist. Jedenfalls nämlich besteht weder eine gesetzliche Pflicht zur Gewichtsangabe beim Verkauf von Kerzen – die der Kläger auch nicht behauptet – noch gibt es eine dahingehende Verkehrsanschauung. Dies kann der Senat auch ohne Einholung des angebotenen Gutachtens beurteilen, weil er selbst zu dem angesprochenen Verbraucherkreis gehört. Die Gewichtsangabe könnte höchstens Aufschluss über die Brenndauer geben, ist also nicht maßgeblich, wenn diese – wie hier (“50h“) – eigens angegeben wird. Die von dem Kläger vorgelegten Entscheidungen, die er zum Beleg seiner Auffassung heranzieht, dass der Verbraucher zum besseren Preisvergleich bei Kerzen die Angabe der Mengeneinheit erwarte, sind unbehelflich. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Münster enthält keine Begründung (Anl. BK 4, Bl. 128 – 138 d. A.). Das Urteil des Landgerichts Bochum ist nicht einschlägig, weil es nicht den Fall einer fehlenden, sondern einer gezielt falschen Grundpreisangabe betraf (Anl. BK 3, Bl. 126 f d. A.). Das eigene Verhalten des Klägers spricht gegen eine solche Verkehrsauffassung. Er hatte sich ausweislich seiner Abmahnung bis ins Detail mit der Werbung der Beklagten beschäftigt. Dabei kann ihm nicht entgangen sein, dass diese fast durchweg aus Angeboten für Kerzen ohne Gewichtsangabe besteht. Nichts hätte näher gelegen, als auch den angeblichen Verstoß gegen die Verpflichtung zur Gewichtsangabe zu rügen, wenn er der Auffassung gewesen wäre, dass eine solche Verpflichtung bestünde.

Verstoß gegen Pflicht zur Verlinkung der OS-Plattform, aber nicht schuldhaft

Gegen die Pflicht zur Verlinkung der OS-Plattform habe die Beklagte zwar verstoßen, so das Gericht, dieser Verstoß sei jedoch nicht schuldhaft begangen worden. Die Unterlassungserklärung sehe ausdrücklich nur bei schuldhafter Verletzung der Unterlassungspflicht die Zahlung einer Vertragsstrafe vor. Der Beklagten war es vorliegend jedoch gelungen, sich zu entlasten.

Gegen ihre Verpflichtung zur Einrichtung eines klickbaren OS-Links hat die Beklagte zwar verstoßen. Der Verstoß war jedoch nicht schuldhaft. […]

Für das Verschulden gelten die gleichen Anforderungen wie im Rahmen des § 890 ZPO (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Brüning, § 13a UWG Rn. 33). Demnach gilt ein strenger Sorgfaltsmaßstab. Der Schuldner muss alles ihm Zumutbare tun, um einen künftigen Verstoß gegen das Verbot zu vermeiden. Er hat die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um sicherzustellen, dass wettbewerbswidrige Werbemittel vernichtet werden und Anzeigen mit der verbotenen Werbeangabe nicht mehr erscheinen. Geschieht das nicht in ausreichendem Maße, liegt ein Organisationsverschulden vor (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Brüning, vor § 12 UWG Rn. 305).

Aus der Aussage der Zeugin hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass die Beklagte alles Erforderliche unternommen hat, um ihrer Verpflichtung aus der Unterlassungsvereinbarung nachzukommen.

Die Beklagte ist zunächst nach der Abmahnung im erforderlichen Umfang tätig geworden. Wie die Zeugin bekundet hat, hat sie für die Beklagte am 19.08.2021 einen klickbaren Link auf der über E-Bay aufrufbaren Website der Beklagten eingerichtet und auf seine Funktionsfähigkeit überprüft. Sie habe, so hat sie ausgesagt, diese Prüfung danach noch einmal von einem Mobilgerät aus über ihr privates E-Bay-Konto vorgenommen. Der Senat glaubt der Zeugin.

Monatliche Kontrolle der Funktionalität

Mehr als das Einrichten eines klickbaren Links, dessen anschließende Überprüfung und eine weitere Überprüfung im Rahmen routinemäßiger Kontrollen könne von der Beklagten jedoch nicht verlangt werden. Auch die Kontrolldichte war in diesem Fall ausreichend, da es sich nicht um die inhaltliche Gestaltung der eingestellten Angebote handle und die Bedeutung für den Verbraucher als eher gering einzuschätzen ist. Sie hatte die Funktionalität des Links monatlich überprüft.

In welchem Umfang die Beklagte Maßnahmen zur Umsetzung und Kontrolle der Verpflichtung tätig zu treffen hatte, muss sich maßgeblich danach bemessen, welche Bedeutung die Verpflichtung für den lauteren Geschäftsverkehr, dessen Durchsetzung die Unterlassungsvereinbarung dient, und für den Schutz der Verbraucher hat, ferner welche Gefahr von einer pflichtwidrigen Unterlassung ausginge und nicht zuletzt, wie hoch die Gefahr eines nachträglichen Funktionsverlusts des Links einzuschätzen war.

Im Hinblick auf die Bedeutung der Linksetzung ist einerseits zu berücksichtigen, dass das Fehlen des klickbaren Links im Rahmen einer wettbewerblichen Unterlassungsklage als spürbarer Wettbewerbsverstoß i. S. d. § 3a UWG hätte gelten müssen, weil die Verpflichtung unionsrechtlich geregelt ist. Andererseits teilt die Beklagte anlässlich der Information zur Online-Streitbeilegung ausdrücklich mit, dass sie zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren nicht verpflichtet und nicht bereit sei (Anl. K 2 Bl. 3). Diese Mitteilung ist zulässig und wurde von dem Kläger dementsprechend auch nicht angegriffen. Die Bereitstellung des Link ist zwar verpflichtend (Art. 14 Abs. 1 VO (EU) Nr. 524/2013), die Teilnahme an der Online-Streitbeilegung aber nicht (vgl. Erwägungsgrund 26 ebd.). Angesichts der unmissverständlichen Positionierung der Beklagten erscheint es schon fraglich, dass Verbraucher in nennenswerter Zahl den Link überhaupt anklicken. Es käme jedenfalls auch dann aller Voraussicht nach nicht zu dem gewünschten Ziel der außergerichtlichen Streitbelegung. Insofern sind im vorliegenden Fall die Bedeutung des funktionstüchtigen Links nicht zu hoch. Entsprechend gering ist der Nachteil zu gewichten, der dem Verbraucher durch die Funktionsuntüchtigkeit des Links entsteht.

Entscheidend sei jedoch, dass die Beklagte mit keiner Änderung der Funktionalität des Links rechnen musste.

Entscheidend fällt vor Allem aber ins Gewicht, dass die Beklagte nicht mit Änderungen an den von ihr gemachten Angaben rechnen musste. Auch der Kläger trägt keine Anhaltspunkte dafür vor, weshalb sie mit einem nachträglichen Wegfall der Funktionalität hätte rechnen müssen. Die Zeugin K1 hat anschaulich beschrieben, dass sie die bei Einrichtung eines Online-Shops auf E-Bay notwendigen Händlerangaben gemacht habe, nachdem sie sich auf der Plattform für die Beklagte angemeldet habe. Es ist nicht erkennbar, wer außer der Beklagten Zugriff auf diese Angaben nehmen und sie verändern könnte. Dies unterscheidet den Fall grundlegend von demjenigen, den das Landgericht Berlin in dem von dem Kläger in Bezug genommenen Urteil zu entscheiden hatte (Schriftsatz vom 12.01.2022 S. 2 f mit Anl. K 11). Das Landgericht Berlin vertrat die Auffassung, dass bei E-Bay gemachte Angaben mehrmals täglich überprüft werden müssten. Streitgegenständlich dort war aber die Überprüfung der eingestellten Angebote im Hinblick auf inhaltliche Änderungen an Angaben, die von Dritten vorgenommen werden konnten. Konkret ging es um die Gestaltung von Grundpreisangaben. Insoweit hatte die dortige Beklagte eine Überprüfungspflicht nicht einmal bestritten und sich auf tägliche Kontrollen berufen. Hier aber steht nicht die inhaltliche Gestaltung der Angebote in Rede, sondern die Funktionstüchtigkeit eines nach Anmeldung namens der Beklagten gesetzten Links. Auch bei einer solchen Angabe besteht zwar eine Kontrollpflicht. Es kann nie ausgeschlossen werden, dass der Link durch nicht vorhersehbare nicht vorhersehbare äußere Einflüsse seine Funktionstüchtigkeit verliert. Da aber keine konkrete Gefährdungssituation bestand und zudem die Bedeutung der Angabe aus den dargestellten Gründen eher gering zu veranschlagen ist, erscheint eine routinemäßige monatliche Kontrolle als noch ausreichend.

Fazit

Die Gerichte haben bereits mehrfach entschieden, dass Händler für Verstöße auf Verkaufsplattformen auch dann haften, wenn sie keinen Einfluss auf die Angebotsgestaltung haben, zuletzt das LG Köln und das OLG Frankfurt. Bei einer Unterlassungsverpflichtung muss das Angebot regelmäßig auf Verstöße überprüft werden. Das OLG Schleswig hatte zuletzt die Überprüfungspflicht bei einer Unterlassungsverpflichtung bei Amazon genauer konkretisiert. Notwendig sei grundsätzlich eine entsprechende Überprüfung in den eigenen Angeboten einmal am Tag von Montag bis Freitag. Das OLG Schleswig differenziert in seinem Urteil zwischen inhaltlicher Gestaltung des Angebots selbst, die durch Dritte geändert werden kann, und anderen Informationspflichten, mit deren Änderung nicht gerechnet werden müsse. Auch hier sind regelmäßige Kontrollen erforderlich, das Gericht ließ vorliegend jedoch einen monatlichen Kontrollrhythmus genügen. Diese Überprüfungen sollten zudem jeweils schriftlich dokumentiert werden, um im Zweifelsfall einem gerichtlichen Verfahren ein vernünftiges Beweismittel zu haben.

Zudem entschied das Gericht, dass für Kerzen keine Pflicht zur Gewichtsangabe bestehe und es auch keine entsprechende Verkehrsanschauung gebe. Es bestehe damit keine Pflicht zur Grundpreisangabe. Zur Grundpreisangabe bei Kerzen hatte bereits das LG Bochum entschieden. Hier ging es jedoch nicht darum, ob für Kerzen eine generelle Pflicht zur Grundpreisangabe besteht, sondern um eine falsche Bezugsgröße bei einer Grundpreisangabe.

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