Update 7.6.2023: Das Europäische Parlament und der Rat haben am 6.6.2023 eine vorläufige Einigung erzielt. Diese muss noch offiziell angenommen werden. Sobald die Einigung veröffentlicht wurde, werden wir Sie hierüber informieren.
Ein neuer Vorschlag der EU sieht die Einführung eines Widerrufsbuttons bei Fernabsatzverträgen vor. Ursprünglich betraf der Vorschlag der Europäischen Kommission eine Einführung nur für im Fernabsatz geschlossene Finanzdienstleistungen, dem Rat der Europäischen Union wurde nun jedoch eine Ausweitung auf alle Fernabsatzverträge vorgeschlagen. Der Widerruf soll genauso leicht möglich sein wie der Vertragsschluss.
Die Europäische Kommission hatte am 11.5.2022 einen Vorschlag zur Änderung der RL 2011/83/EU (Verbraucherrechterichtlinie; VRRL) und zur Aufhebung der 20 Jahre alten FinanzdienstleistungsRL 2002/65/EG vorgelegt (COM(2022) 204 final). Um Verbraucher insbesondere vor komplexen und möglicherweise schwer zu verstehenden Finanzdienstleistungen zu schützen, sah der Vorschlag vor, bei Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen einen Widerrufsbutton bereitzustellen. Dem Rat der Europäischen Union wurde nun durch den Ausschuss der Ständigen Vertreter eine Ausweitung auf alle Fernabsatzverträge vorgeschlagen (nachfolgend VRRL-E):
Durch eine Schaltfläche für den Widerruf oder eine ähnliche Funktion werden die Verbraucher stärker für ihr Recht auf Widerruf und die Möglichkeiten des Rücktritts von einem Vertrag sensibilisiert. Bei Fernabsatzverträgen ist es generell wichtig, dass es nicht aufwändiger ist, von dem Vertrag zurückzutreten, als ihn zu schließen. Um den Verbraucherschutz weiter zu stärken, wird im Kompromisstext vorgeschlagen, die Anwendung der Schaltfläche für den Widerruf nicht nur auf Finanzdienstleistungen zu beschränken. Stattdessen sollen die einschlägigen Bestimmungen in dem allgemeinen Kapitel der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher aufgenommen und damit ein horizontaler Anwendungsbereich für im Fernabsatz geschlossene Verträge geschaffen werden. Darüber hinaus werden im Kompromisstext einige technische Änderungen an der Gestaltung der Schaltfläche für den Widerruf vorgeschlagen, damit die Nutzung einfacher und den Verbrauchern die Wahrnehmung ihrer Rechte erleichtert wird.
Die VRRL soll um einen neuen Art. 11a ergänzt werden, der die entsprechenden Vorgaben enthalten soll. Art. 11a Abs. 1 VRRL-E enthält die Verpflichtung, für Fernabsatzverträge einen Widerrufsbutton einzuführen, der mit den Worten „Vertrag widerrufen“ oder einer entsprechenden Formulierung gekennzeichnet ist. Diese Schaltfläche soll für den Verbraucher hervorgehoben platziert und leicht zugänglich sein. Diese Formulierungen erinnern stark an den bereits im letzten Jahr eingeführten Kündigungsbutton für Dauerschuldverhältnisse, bei dem es sich jedoch um eine rein nationale Vorgabe ohne europarechtlichen Hintergrund handelt.
(1) Bei Fernabsatzverträgen, die über eine Online-Benutzeroberfläche geschlossen werden, stellt der Unternehmer sicher, dass der Verbraucher den Vertrag über dieselbe Online-Benutzeroberfläche widerrufen kann, indem er eine Schaltfläche oder eine ähnliche Funktion nutzt. Die Schaltfläche oder ähnliche Funktion ist lesbar mit den Worten ‚Vertrag widerrufen‘ oder einer entsprechenden eindeutigen Formulierung gekennzeichnet. Die Schaltfläche für den Widerruf oder ähnliche Funktion wird auf der Online-Benutzeroberfläche hervorgehoben platziert und ist für den Verbraucher leicht zugänglich.
Die Erwägungsgründe sehen vor, dass der Widerrufsbutton während der Widerrufsfrist verfügbar sein muss. Wie diese Anforderung in der Praxis funktionieren soll, ist allerdings unklar. Die Widerrufsfrist beginnt grds. mit Erhalt der Ware und müsste individuell berechnet oder bspw. mit den Tracking-Informationen verknüpft werden.
Um seine Widerrufserklärung abgeben zu können, soll der Verbraucher seinen Namen, die Bezeichnung des Vertrags und Angaben zum Erhalt der Widerrufsbestätigung angeben. Die Erwägungsgründe nennen auch die Möglichkeit, die zur Identifizierung des Vertrags erforderlichen Angaben zu bestätigen. So könnte beispielsweise ein Verbraucher, der sich – z.B. durch Einloggen – bereits identifiziert hat, bestätigen, von welchem Vertrag er zurücktreten möchte, ohne dass sein Name und die Bezeichnung des Vertrags angegeben werden müssen. Ebenfalls kann der Unternehmer dem Verbraucher die Möglichkeit eines Teilwiderrufs ermöglichen, wenn er mehrere Waren oder Dienstleistungen bestellt hat.
(2) Die Nutzung der Schaltfläche oder der ähnlichen Funktion ermöglicht es dem Verbraucher, eine Widerrufserklärung abzugeben, indem folgende Informationen bereitgestellt oder bestätigt werden:
a) Name des Verbrauchers;
b) Bezeichnung des Vertrags;
c) Angaben zum elektronischen Kommunikationsmittel, mit dem die Bestätigung des Widerrufs dem Verbraucher übermittelt wird.
Die endgültige Abgabe der Widerrufserklärung soll nach Art. 11a Abs. 3 VRRL-E ebenfalls über einen Button erfolgen, der seinerseits mit den Worten „Jetzt widerrufen“ oder einer entsprechenden eindeutigen Formulierung gekennzeichnet ist.
(3) Die Widerrufserklärung wird übermittelt, indem eine Schaltfläche für die Bestätigung oder eine ähnliche Funktion genutzt wird. Die Schaltfläche für die Bestätigung oder ähnliche Funktion ist lesbar mit den Worten ‚Jetzt widerrufen‘ oder einer entsprechenden eindeutigen Formulierung gekennzeichnet.
Wenn der Verbraucher den Widerruf über den Widerrufsbutton erklärt hat, muss der Unternehmer diesen unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger bestätigen.
(4) Sobald der Verbraucher die Schaltfläche für die Bestätigung oder ähnliche Funktion nutzt, erhält er automatisch eine Bestätigung für die Übermittlung der Widerrufserklärung, einschließlich des Datums und der Uhrzeit.
(5) Der Unternehmer bestätigt dem Verbraucher unverzüglich den Inhalt der Widerrufserklärung, einschließlich des Datums und der Uhrzeit ihres Eingangs, auf einem dauerhaften Datenträger.
Zudem soll der bisherige Art. 6 VRRL, der die Informationspflichten bei Fernabsatzverträgen enthält, erweitert werden, sodass künftig auch über den Widerrufsbutton zu informieren ist. Hierzu soll Art. 6 Abs. 1 lit. h VRRL folgende Fassung erhalten:
h) im Falle des Bestehens eines Widerrufsrechts die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung dieses Rechts gemäß Artikel 11 Absatz 1 sowie das Muster-Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B und gegebenenfalls Informationen über das Bestehen und die Platzierung der Schaltfläche für den Widerruf oder eine ähnliche Funktion nach Artikel 11a;
Es ist zu befürchten, dass künftig neue Pflichten hinsichtlich des Widerrufsrechts auf Onlinehändler zukommen werden. Die Einführung eines Widerrufsbuttons wird definitiv technischen Aufwand verursachen. Unklar ist auch, ob es Änderungen an der Widerrufsbelehrung geben wird; entsprechende Anpassungen sind in dem Vorschlag bisher nicht enthalten. Andererseits könnte eine entsprechende Regelung auch Vorteile bieten. Der Widerruf eines Verbrauchers könnte direkt der Bestellung zugeordnet werden ohne die händische Eingabe etwaiger Retourenzettel. Ebenso wäre diese Änderung der VRRL für den europäischen Gesetzgeber eine gute Gelegenheit, das für die Praxis völlig ungeeignete Muster-Widerrufsformular aus der Widerrufsbelehrung zu streichen und generell die vorvertraglichen Pflichten für Onlinehändler zurückfahren.
Bisher handelt es sich bei der geplanten Änderung lediglich um einen Entwurf. Es ist davon auszugehen, dass Vorschlag im Europäischen Parlament noch weitere Änderungen erfahren wird. Über die weiteren Entwicklungen werden wir Sie informieren.
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