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AG Hamburg-Wandsbek: Rechtswahl und Widerrufsrecht bei Online-Kauf in der Schweiz

Um sich vor einer Anwendbarkeit des ausländischen Rechts zu schützen, greifen viele Online-Händler auf Rechtswahlklauseln in ihren AGB zurück. Die Rom I-Verordnung gestattet es zwar grundsätzlich, auch im B2C-Handel eine Rechtswahl zu treffen. Diese darf jedoch nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz der Bestimmungen nach dem Recht seines Heimatlandes entzogen wird. Das AG Hamburg-Wandsbek (Urt. v. 6.10.2022 – 714 C 146/21) stellte nochmals klar, dass bei Rechtswahlklauseln gegenüber Verbrauchern Formulierungen zu wählen sind, mit denen unmissverständlich angegeben wird, dass diese den Schutz, den die zwingenden Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaats den Verbrauchern bieten, unberührt lassen.

Die Beklagte hat ihren Sitz in Baar in der Schweiz und betreibt einen Online-Shop für Möbel. In ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen stellt die Beklagte klar, dass ihre Angebote für Deutschland gelten würden und dass sie ihren Kunden 2 Jahre Garantie gebe. Außerdem enthielten die AGB folgende Regelung: „Es gilt Schweizerisches Recht. Der Gerichtsstand ist Baar.“ Die Klägerin mit Wohnsitz in Hamburg bestellte im Online-Shop der Beklagten ein Ledersofa zum Kaufpreis von 1.079,99 Euro. Daraufhin erhielt sie eine Auftragsbestätigung der Beklagten. Dieser war folgende „Rückgabebelehrung“ beigefügt: „Sie können die erhaltende Ware ohne Angaben von Gründen innerhalb von 14 Tagen durch Rücksendung der Ware zurückgeben. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Text­ form (z.B. als Brief, Fax, E-Mail), jedoch nicht vor Eingang der Ware beim Empfänger (bei der wiederkehrenden Lieferung gleichartiger Waren nicht vor Eingang der ersten Teillieferung) und auch nicht vor Erfüllung unsere Informationspflichten gemäß Artikel 246 § 2 in Verbindung mit § 1 Absatz 1 und 2 EGBGB sowie unserer Pflichten gem.§ 312g Absatz 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Artikel 246 § 3 EGBGB. Nur bei nicht paketversandfähiger Ware (z.B. bei sperrigen Gütern) können Sie die Rückgabe auch durch Rücknahmeverlangen in Textform erklären. Zur Wahrung der Frist genügt eine rechtszeitige Absendung der Ware oder des Rücknahmeverlangens. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Rücknahmeverlangens. In jedem Fall erfolgt die Rücksendung auf unsere Kosten und Gefahr.”

Die Klägerin bezahlte den Kaufpreis und rügte einige Monate später Mängel der Sitzgarnitur. Da die Beklagte der Mangelrüge nicht abhalf, widerrief die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben den Kaufvertrag und erklärte den Rücktritt. Zudem forderte sie die Beklagte erfolglos auf, den Kaufpreis zurückzuzahlen und das Sofa abzuholen. Da die Beklagte daraufhin lediglich einen Wertgutschein in Höhe des Kaufpreises anbot, erhob die Klägerin Klage beim zuständigen Amtsgericht.

Unwirksame Rechtswahlklausel

Zunächst stellte das Gericht klar, dass die rechtliche Beurteilung des Streits zwischen den Parteien nach deutschem Privatrecht zu erfolgen habe. Zwar sei in den AGB der Beklagten vereinbart worden, dass Schweizerisches Recht gelte. Diese Vereinbarung sei gegenüber Verbrauchern jedoch unwirksam. Denn die Beklagte habe den Eindruck erweckt, dass stets das Schweizerische Recht gelte, obwohl nach der Rom-I-VO das Günstigkeitsprinzip greife. Zudem sei ihr Online-Shop auf die Bundesrepublik Deutschland ausgerichtet gewesen. Daher wäre die Beklagte im Rahmen der Rechtswahlklausel zu einem Hinweis auf die Anwendbarkeit deutschen Rechts auf das Vertragsverhältnis für Verbraucher verpflichtet gewesen.

Zwar ergibt sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten eine Vereinbarung Schweizer Rechts, das dem Recht an ihrem Geschäftssitz entspricht. Diese Vereinbarung ist allerdings der Klägerin, einer Verbraucherin gegenüber unwirksam. Die Beklagte erweckt entgegen den Bestimmungen van Art. 6 Abs. 1, 2 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), den Eindruck, dass stets das gewählte Recht gelte, obgleich nach Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO das Günstigkeitsprinzip greift und somit ggf. auch das Aufenthaltsrecht des Verbrauchers zur Anwendung gelangt. Nach Art 6 Abs. 1 ROM-I-VO unterliegt ein Vertrag, den eine natürliche Person zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann (,,Verbraucher”), mit einer anderen Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt (,,Unternehmer”), dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer a) seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Staat ausübt, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder b) eine solche Tätigkeit auf irgendeiner Weise auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fallt. Werden die Wirkungen einer Rechtswahlklausel durch bindende Rechtsvorschriften wie die Regelung in Art 6 Abs. 1 ROM-I-VO überlagert, ist es für ihre Wirksamkeit entscheidend, dass der Gewerbetreibende den Verbraucher über diese Vorschriften unterrichtet. […] Einen entsprechenden Hinweis auf das bestehende Günstigkeitsprinzip für die Klägerin als Verbraucherin enthält die Klausel der Beklagten nicht, obgleich die Beklagte nach ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen über ihren Onlineshop ausschließIich Kaufverträge mit Kunden in der Bundesrepublik Deutschland abschließt, in ihrer Widerrufsbelehrung auf das deutsche Recht verweist und auch an den Wohnsitz ihrer Kunden in der Bundesrepublik Deutschland ihre Waren liefert. Sie verwendet auch eine lnternetdomain mit dem Kürzel ,,DE”, woraus sich die Ausrichtung der Tätigkeit der Beklagten auf die Bundesrepublik Deutschland und damit innerhalb der EU ergibt und daher nach Art 6 Abs. 1 ROM-I-VO das Recht der Bundesrepublik Deutschland anwendbar wäre. Sie wäre daher im Rahmen der Rechtswahlklausel zu einem Hinweis auf die Anwendbarkeit deutschen Rechts auf das Vertragsverhältnis für Verbraucher verpflichtet gewesen. Die Rechtswahlklausel der Beklagten ist daher für die Frage des anwendbaren Rechts nicht maßgebend. Das anwendbare Recht beurteilt sich daher gem. Art 46b EGBGB nach deutschen Recht, da der von den Parteien geschlossene Vertrag aus den bereits zuvor genannten Gründen einen Zusammenhang mit dem gewöhnlichen Aufenthaltsstaat der Klägerin, der Bundesrepublik Deutschland hat.

Fehlerhafte Widerrufsbelehrung

Weiterhin führte das Gericht aus, dass die von der Beklagten zur Verfügung gestellte Widerrufsbelehrung nicht dem Muster der Anlage 1 zu Artikel 246a EGBGB entspreche. Außerdem fehle es inhaltlich an der erforderlichen Verständlichkeit und Klarheit der Belehrung. Insbesondere die Überschrift sei für einen Verbraucher irreführend. Dieser verstehe unter einer „Rückgabebelehrung“ lediglich die Bedingungen, die bei der Rückgabe einer Ware zu beachten sind, nicht aber unter welchen Bedingungen die vollständige Rückabwicklung und Beendigung des Vertragsverhältnisses erfolge.

Zunächst entspricht die van der Beklagten zur Verfügung gestellte Widerrufsbelehrung nicht dem Muster der Anlage 1 zu Artikel 246a EGBGB. lnhaltlich fehlt es der von der Beklagten erteilten Belehrung auch an der nach Art. 246a § 4 EGBGB erforderlichen Klarheit und Verständlichkeit, die für die Erfüllung der lnformationspflichten nach Art. 246a §§ 1 bis 3 EGBGB erforderlich ist. Dies zeigt sich bereits an der Überschrift der Information der Klägerin, die ,,Rückgabebelehrung” lautet. Eine ,,Widerrufsbelehrung” stellt nicht nur begriffsmäßig, sondern nach Auffassung des Gerichts auch qualitativ etwas anderes dar, als eine ,,Rückgabebelehrung”. Ein Widerruf führt dazu, eine ehemals auf einen Vertragsabschluss gerichtete Willenserklärung eines Vertragspartners entfallen zu lassen und damit den Vertrag insgesamt zu beenden. Dies entspricht auch dem allgemeinen Verständnis dieses Wortes im normalen Sprachgebrauch. Demgegenüber beendet die Rückgabe einer Kaufsache das Vertragsverhältnis nicht per se. Sie kann auch etwa im Rahmen der Geltendmachung von Sachmängeln erfolgen und daher bei Bestehenbleiben des Vertragsverhältnisses. Nach allgemeinem Sprachverständnis eines rechtsunkundigen Lesers – wie es überwiegend auf Verbraucher zutrifft – entsteht beim Lesen dieser Überschrift der Eindruck, dass in dieser Bestimmung nur die Bedingungen der Beklagten enthalten sind, die bei einer Rückgabe der Ware zu beachten sind. Dass darin aber geregelt wird, unter welchen Bedingungen eine vollständige Rückabwicklung und Beendigung des Vertragsverhältnisses erfolgen kann, erschließt sich aus der Überschrift nicht. Es ist daher für einen Verbraucher nicht ohne weiteres erkennbar, dass unter dieser Überschrift diejenigen Modalitäten geregelt sind, unter denen er den mit der Beklagten geschlossenen Vertrag widerrufen kann. Die Überschrift ist daher für einen in der Regel rechtsunkundigen Verbraucher irreführend. Es fehlt der Widerrufsbelehrung der Beklagten daher an einer Information des Verbrauchers in klarer und verständlicher Art und Weise i.S.v.Art. 246 a § 4 Abs. 1 EGBGB.

Verlängerung der Widerrufsfrist

Außerdem nehme die von der Beklagten zur Verfügung gestellte Widerrufsfrist Bezug auf eine Rechtsnorm im EGBGB, die dort seit 2014 nicht mehr enthalten sei. Die Bezugnahme auf eine nicht mehr gültige Vorschrift im Zusammenhang mit der Feststellung des Beginns der Widerrufsfrist stelle eine Irreführung des Verbrauchers dar. Auch fehle es aus diesem Grund an einer klaren und verständlichen Belehrung. Mangels ausreichender Widerrufsbelehrung verlängere sich die Widerrufsfrist auf 12 Monate und 14 Tage, so das Gericht.

Darüber hinaus nimmt die von der Beklagten der Klägerin zur Verfügung gestellte Widerrufsbelehrung für die Berechnung der Widerrufsfrist Bezug auf Rechtsnormen im EGBGB die dort seit 2014 nicht mehr enthalten sind. Art 246 EGBGB verfügt in der seit 2014 aktuellen Fassung nicht mehr über verschiedene Paragrafen. Darüber hinaus regelt Art. 246 EGBGB auch nicht die Widerrufsbelehrung für Fernabsatzvertrage, wie hier. Diese Bezugnahme auf nicht mehr gültige Vorschriften im Zusammenhang mit der Feststellung des Beginns der Widerrufsfirst stellt eine lrreführung eines Verbrauchers dar, da der sich anders, als von der Beklagten durch die Angabe der Vorschriften der Anschein erweckt wird, tatsächlich nicht über die von er Beklagten zu erfüllende lnformationspflicht informieren kann, wenn er die angegebenen Vorschriften nachzuschlagen versucht, um festzustellen, zu welchem Zeitpunkt die für ihn geltende Widerrufsfrist beginnt. Bei einem in der Regel rechtsunkundigen Verbraucher kann auch nicht davon ausgegangen oder erwartet werden, dass er die tatsächlich zutreffende Vorschrift findet. Auch aus diesem Grunde fehlt es der Belehrung der Beklagten wiederum an der erforderlichen Klarheit und Verständlichkeit ihrer Belehrung. Vor diesem Hintergrund betrug die Widerrufsfrist für die Klägerin mangels ausreichender Widerrufsbelehrung nicht 14 Tage nach Übergabe des Sofas, sondern erstreckte sich über 12 Monate und 14 Tage.

Kein Wertersatzanspruch

Die Beklagte könne keinen Wertersatzanspruch geltend machen, da es an einer ordnungsgemäßen Information der Klägerin über das Widerrufsrecht fehle. Stattdessen befinde sich die Beklagte im Annahmeverzug, da sie entgegen der vertraglichen Bestimmungen das Sofa nicht abgeholt habe, obwohl sie mittels anwaltlichen Schreibens dazu aufgefordert wurde, so das Gericht.

Einen Wertersatzanspruch nach § 357a Abs. 1 BGB kann die Beklagte der Klägerin nicht entgegenhalten, da es an einer ordnungsgemäßen Information der Klägerin über Widerrufsrecht fehlt. Die Klägerin hat auch einen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten bei der Rückgabe des Sofas aus § 322 Abs. 2, § 357 Abs. 7 BGB. Nach den vertraglichen Bestimmungen konnte die Rückgabe des Sofas als ein sperriges Gut durch ein Rücknahmeverlangen in Textform erfolgen, wobei der Rucktransport der gelieferten Ware auf Kosten und Gefahr der Klägerin erfolgen sollte. Die Klägerin hat die Beklagte mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 18.03.2021 zur Abholung des Sofas aufgefordert. Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen. Sie befindet sich daher mit ihrer Rücknahmeverpflichtung des Sofas im Annahmeverzug.

Fazit

Bei Rechtswahlklauseln im B2C-Verkehr sind Verbraucher auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich auf die zwingenden Vorschriften ihres Wohnsitzstaats berufen zu können. Rechtswahlklauseln, die auf diese Besonderheiten nicht hinweisen, sind unzulässig und können abgemahnt werden. Weitere Informationen finden Sie in unserem Rechtstipp der Woche „Sichere AGB: „Es gilt deutsches Recht“ ist abmahngefährdet”.

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