BGH: Bloßes Bestehen einer Herstellergarantie führt nicht zu Informationspflicht hierüber

Im Mai hat der EuGH auf Vorlage des BGH entschieden, dass Online-Händler nur über eine bestehende Herstellergarantie informieren müssen, wenn der Unternehmer eine solche Herstellergarantie zu einem zentralen Merkmal seines Angebots macht. Das reine Bestehen einer Herstellergarantie oder ihre beiläufige Erwähnung genüge hierfür zunächst nicht. Nun hat der BGH (Urt. v. 10.11.2022 – I ZR 241/19) in dieser Frage entschieden.

Worum ging es in dem Verfahren?

Das OLG Hamm musste in einem Fall entscheiden, in dem die Beklagte über Amazon ein Taschenmesser anbot. Sie informierte in ihrem Angebot nicht über eine Garantie, verlinkte jedoch unter der Zwischenüberschrift „Weitere technische Informationen“ auf ein Produktinformationsblatt mit der Bezeichnung „Betriebsanleitung“ des Herstellers. Dieses enthielt am Ende einen Hinweis auf die sog. „Victorinox-Garantie“ mit folgendem Text: „Die Victorinox-Garantie erstreckt sich zeitlich unbeschränkt auf jeden Material- und Fabrikationsfehler (für Elektronik 2 Jahre). Schäden, die durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch entstehen, sind durch die Garantie nicht gedeckt.“ Weitere Informationen waren dort nicht enthalten und die Anforderungen, die an eine Garantieerklärung zu stellen sind, damit nicht erfüllt. Die Klägerin mahnte die Beklagte daraufhin ab und verlangte die Abgabe einer Unterlassungserklärung, dem die Beklagte nicht nachkam.

Das LG Bochum (Urteil vom 21.11.2018 – I-13 O 110/18) hatte in erster Instanz die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hin entschied das OLG Hamm, dass der Händler über den Inhalt und den Umfang der Garantie informieren müsse und hat die Beklagte zur Unterlassung verurteilt. Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Revision eingelegt.

Der BGH hatte das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die entsprechenden Fragen zur Auslegung des Art. 6 Abs. 1 Buchst. m VRRL (Verbraucherrechterichtlinie; RL 2011/83/EU), auf den die deutsche Umsetzung zurückgeht, vorgelegt.

Die Entscheidung des EuGH

Der EuGH (Urt. v. 5.5.2022 – C-179/21) entschied, dass ein Unternehmer, der eine nicht von ihm selbst hergestellte Ware anbietet, den Verbraucher über die Garantie des Herstellers informieren müsse, wenn er sie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht. In einem solchen Fall habe der Verbraucher ein berechtigtes Interesse daran, Informationen über die Garantie zu erhalten. Für die Feststellung, ob die Garantie ein solches zentrales oder entscheidendes Merkmal darstellt, seien Inhalt und allgemeine Gestaltung des Angebots hinsichtlich der betroffenen Ware zu berücksichtigen sowie die Bedeutung der Erwähnung der gewerblichen Garantie des Herstellers als Verkaufs- oder Werbeargument, die Positionierung im Angebot, die Gefahr eines Irrtums oder einer Verwechslung hinsichtlich der unterschiedlichen Garantierechte, die der Verbraucher geltend machen kann, oder hinsichtlich der tatsächlichen Identität des Garantiegebers hervorgerufen werden könnte, das Vorliegen von Erläuterungen zu den weiteren mit der Ware verbundenen Garantien im Angebot und jeder weitere Gesichtspunkt, der ein objektives Schutzbedürfnis des Verbrauchers begründen kann.

Allein das Bestehen einer Herstellergarantie löse die Informationspflicht jedoch nicht aus.

Wenn jedoch eine entsprechende Informationspflicht bestehe, umfasse sie alle Informationen hinsichtlich der Bedingungen für die Anwendung und die Inanspruchnahme einer solchen Garantie, die dem Verbraucher seine Entscheidung darüber ermöglichen, ob er sich vertraglich an den Unternehmer binden möchte.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH schließt sich der Entscheidung des EuGH an. Das Urteil ist noch nicht im Volltext verfügbar, das Gericht hat jedoch bereits eine Pressemitteilung veröffentlicht. Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision der Beklagten das Urteil des OLG Hamm aufgehoben und das die Klage abweisende Urteil des LG Bochum wiederhergestellt. Die Beklagte habe sich nicht unlauter verhalten, indem sie keine näheren Informationen zu der im Produktinformationsblatt erwähnten Herstellergarantie gemacht hat.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf Vorlage des Bundesgerichtshofs entschieden, dass ein Unternehmer die Verbraucher vor Abschluss eines Kaufvertrags über die Bedingungen der Herstellergarantie informieren muss, wenn er die Garantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht und so als Verkaufsargument einsetzt. Erwähnt er dagegen die Herstellergarantie nur beiläufig, so dass sie aus Sicht der Verbraucher kein Kaufargument darstellt, muss er keine Informationen über die Garantie zur Verfügung stellen.

Im vorliegenden Fall stelle die Herstellergarantie jedoch kein wesentliches Merkmal des Angebots der Beklagten dar, sondern werde nur beiläufig erwähnt.

Im Streitfall stellt die Herstellergarantie kein wesentliches Merkmal des Angebots der Beklagten dar. Sie wird auf der Angebotsseite selbst nicht erwähnt, sondern findet sich an untergeordneter Stelle in einem Produktinformationsblatt. Auf dieses Produktinformationsblatt gelangt der Verbraucher nur, wenn er einen Link anklickt, der unter der Zwischenüberschrift "Weitere technische Informationen" steht und mit der Bezeichnung "Betriebsanleitung" versehen ist und daher eher auf eine technisch-funktionale Erläuterung hindeutet.

Zudem habe es sich um kein verbindliches Garantieversprechen i. S. d. § 479 Abs. 1 BGB gehandelt, sodass keine entsprechende Informationspflicht bestand.

Die Beklagte hat mangels eines Verstoßes gegen die Marktverhaltensregelung des § 479 Abs. 1 BGB auch keine nach § 3a UWG unlautere Handlung begangen. Die in § 479 Abs. 1 BGB normierte Pflicht zur Information über den Gegenstand und den Inhalt einer (Hersteller-)Garantie greift erst ein, wenn der Unternehmer dem Verbraucher ein verbindliches Angebot auf Abschluss eines Garantievertrags unterbreitet. Im Streitfall enthielt der auf der Angebotsseite befindliche Link auf das Produktinformationsblatt mit der Herstellergarantie noch kein verbindliches Garantieversprechen.

Fazit

Der BGH folgt mit seinem Urteil dem EuGH. Die Entscheidung zur Informationspflicht bei Herstellergarantien ist richtig und sorgt bei dieser umstrittenen Frage, ob bereits das bloße Bestehen einer Herstellergarantie eine Pflicht zur Information hierüber auslöst, für Rechtssicherheit. Eine solche Informationspflicht besteht nur, wenn der Unternehmer eine Herstellergarantie zu einem zentralen Merkmal seines Angebots macht. Das reine Bestehen einer Herstellergarantie oder ihre beiläufige Erwähnung genügt hierfür zunächst nicht.

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10.11.22