Für die Werbung mit einer Preisersparnis wird häufig die UVP des Herstellers herangezogen. Diese muss allerdings auch der Wahrheit entsprechen. Das OLG Köln (Urt. v. 9.9.2022 – 6 U 92/22) entschied nun, dass von einer ernstgemeinten UVP nicht mehr ausgegangen werden könne, wenn über ein Jahr hinweg der tatsächlich im Markt geforderte Preis lediglich knapp über der Hälfte der UVP lag und auch darunter liegende Preise mit Nachlässen von mehr als 50% verlangt wurden.
Die Antragsgegnerin bewarb u.a. auf ihrer Website eine Matratze, indem sie den von ihr geforderten Preis i.H.v. 99 € einer durchgestrichenen UVP des Herstellers i.H.v. 249 € gegenüberstellte. Die Antragsstellerin, eine Mitbewerberin, sah hierin eine Irreführung und behauptete, bei der UVP handle es sich um einen Mondpreis, denen keine aktuelle und ernsthafte Kalkulation zugrunde liege.
Dieser Ansicht schloss sich das OLG Köln im einstweiligen Verfügungsverfahren an. Mit der Werbung mit der UVP werde der Verkehr über das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils getäuscht.
Das Gericht stellte fest, dass die UVP von 249 € bereits seit 2021 nicht mehr gefordert wurde. Hierzu bezog sich das Gericht auf die Entwicklung in einem Preisvergleichsportal sowie auf das Testergebnis eines Magazins, das im Rahmen eines Tests den Marktpreis ermittelt hatte.
Da der Senat seiner Entscheidung das unstreitige Vorbringen der Antragstellerin zugrundelegt, dass es keine Preisdifferenz im Bereich von Matratzenangeboten im Onlinehandel und stationärem Handel gibt, geht er auch davon aus, dass die UVP von 249 € im gesamten Markt bereits seit 2021 nicht mehr ernsthaft gefordert wurde, sondern vielmehr ein weit darunter liegender Preis. Ob ein solcher Preis von „keinem einzigen Anbieter“ gefordert wird, ist nicht von Bedeutung.
Es ist jedenfalls glaubhaft gemacht, dass der regelmäßig geforderte Preis weit unter der UVP lag. Dies ist belegt durch das Testergebnis im Magazin „Haus & Garten“, bei dem von einem „Marktpreis“ von 129 € im Vergleich zur UVP die Rede ist. Weiter hat die Antragstellerin eine Übersicht des Preisvergleichsportals idealo.de vorgelegt, aus der sich die Preisentwicklung der BeCo-Matratze seit April 2021 ablesen lässt. Danach lag der seitens idealo.de ermittelte günstigste Preis durchweg unter 120 € und für Anfang 2022 sogar bei um die 90 €. Schließlich hat die Antragstellerin als Anlagenkonvolut AS 6 weitere Angebote von Händlern der BeCo-Matratze vorgelegt, die Preise in Höhe von 87,00 €, 89,90 €, 129,99 €, 149,99 € verlangt haben, sodass der von der Zeitschrift „Haus & Garten“ ermittelte „Marktpreis“ von 129 € jedenfalls als durchschnittlicher Marktpreis angesehen werden kann.
Selbst wenn man unterstellt, dass die UVP von 249 € tatsächlich vom Hersteller vorgegeben waren, könne nach dem Gesamteindruck aller zu berücksichtigenden Umstände nicht mehr von einer ernstgemeinten und ernstgenommenen UVP gesprochen werden, weil über ein Jahr hinweg der tatsächlich im Markt geforderte Preis lediglich fast die Hälfte der UVP betrug und auch darunter liegende Preise mit Ersparnissen von mehr als 50% – offensichtlich nicht nur vereinzelt – angeboten wurden. Die Antragsgegnerin dürfe jedoch nicht mit der UVP werben, wenn erhebliche Bedenken gegen deren Ernsthaftigkeit besten.
Es ist der Antragsgegnerin zwar einzuräumen und letztlich unstreitig, dass Hersteller ihre Kalkulationen für die UVP nicht offenlegen, sodass der Händler kein „Sonderwissen“ über die Kalkulationsgrundlage besitzt und diese in der Regel nicht substantiiert darlegen kann. Dies führt jedoch nicht dazu, dass ein Händler mit jeder vom Hersteller publizierten UVP werben darf, selbst wenn erhebliche Bedenken gegen die Ernsthaftigkeit der UVP vorliegen und für ihn erkennbar sind. Die Antragsgegnerin mag zwar nicht verpflichtet sein, die Kalkulationsgrundlage des Herstellers herauszufinden und darzulegen; vielmehr ist es Sache der Antragstellerin das Vorliegen der für den Unterlassungsanspruch erforderlichen Tatbestandsmerkmale vorzutragen und glaubhaft zu machen.
Durch die Preisgegenüberstellung und einem angeblichen Preisvorteil von ca. 50 % werde der angesprochene Verbraucher über die Preisgünstigkeit des Angebots getäuscht. Diese Täuschung sei auch dazu geeignet ihn zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, so das Gericht.
Durch die Gegenüberstellung eines Preises mit einer fast doppelt so hohen UVP wird dem angesprochenen Verbraucher ein erheblicher Preisvorteil suggeriert, der bei einer nicht ernstgemeinten und ernstgenommenen UVP tatsächlich nicht besteht. Wenn der „Marktpreis“ von der UVP seit geraumer Zeit erheblich abweicht, entsteht bei der Werbung mit einer durchgestrichenen UVP der Eindruck, dass ein Preisvorteil zur UVP von um die 50% ein besonderes „Schnäppchen“ darstellt. Dieser Eindruck trügt jedoch, wenn im Markt seit ca. einem Jahr nicht die UVP, sondern regelmäßig ein viel niedrigerer Preis in Höhe des „Marktpreises“, gefordert wird. Da Verbraucher die Matratze in diesem Fall bei anderen Händlern zu ähnlich niedrigen Preisen erhalten könnten, liegt objektiv betrachtet gerade kein „Schnäppchen“ vor.
Der Eindruck eines erheblichen Preisvorteils ist auch ohne weiteres geeignet, Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten, weil der Preis einen der wesentlichen Anreize für die Befassung mit einem Produkt und für dessen Erwerb darstellt. Die Preisbemessung ist von zentraler Bedeutung für die geschäftliche Entscheidung der Marktgegenseite (Büscher in: Büscher, UWG, 2. Aufl. § 5 Rn. 256 mwN).
BCFC/Shutterstock.com