Kundenbewertungen sind ein beliebtes Marketinginstrument. Negative Bewertungen sind bei Händlern verständlicherweise nicht gern gesehen. Kommt es zur Beanstandung einer Bewertung durch einen Bewerteten, muss der Provider den Sachverhalt überprüfen. Der BGH (Urt. v. 9.8.2022 – VI ZR 1244/20) hat nun entschieden, dass allein die Behauptung des Bewerteten genüge, dass kein Kundenkontakt stattgefunden habe, um diese Überprüfungspflicht des Bewertungsportals auszulösen.
Die Beklagte betreibt ein Reiseportal im Internet. Nutzer des Portals können unter anderem Hotels buchen und, wenn sie mit einer E-Mail-Adresse bei der Beklagten registriert sind, Hotels anhand eines Notenschemas mit bis zu sechs Sonnensymbolen in verschiedenen Kategorien (Hotel, Zimmer, Service, Lage, Gastronomie, Sport & Unterhaltung) und im Rahmen von Freitexten bewerten. Die Bewertungen werden unter dem vom Nutzer angegebenen Namen veröffentlicht und können Angaben enthalten zur Altersgruppe des Nutzers, zum Reisezeitraum, zur Reisedauer und dazu, ob die Reise allein, als Paar, mit Freunden oder als Familie und mit wie vielen Kindern durchgeführt wurde. Die Nutzungsrichtlinien der Beklagten sehen vor, dass eine Leistung nur bewertet werden darf, wenn sie auch in Anspruch genommen wurde. Die Klägerin betreibt einen Ferienpark und wendet sich gegen mehrere negative, teils mit Foto versehene Bewertungen auf dem Portal der Beklagten mit der Behauptung, die Bewertenden seien keine Gäste bei ihr gewesen.
Das LG Köln (Urt. v. 11.12.2019 – 28 O 242/19) entschied zunächst, dass keine Prüfpflicht des Portalbetreibers angenommen werden könne, wenn sich kein tatsächlicher Anhaltspunkt dafür finde, dass die Verfasser der entsprechenden Bewertungen nicht tatsächlich Gast in dem fraglichen Hotel gewesen seien. Die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil vor dem OLG Köln (Urt. v. 27.8.2020 – 15 U 309/19) war überwiegend erfolgreich. Gegen dieses Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision.
Der BGH entschied nun, dass bei einem Bewertungsportal die Rüge eines Bewerteten, es liege kein Gästekontakt zugrunde, grundsätzlich ausreiche, um Prüfpflichten des Bewertungsportals auszulösen. Zu weiteren Darlegungen sei der Bewertete gegenüber dem Bewertungsportal grundsätzlich nicht verpflichtet.
Zunächst stellte der BGH klar, dass die Beklagte zwar nicht als unmittelbare Störerin, sondern als mittelbare Störerin für die beanstandeten Bewertungen hafte. Zudem machte das Gericht noch einmal deutlich, welchen Prüfungsumfang einen Hostprovider treffe.
Danach ist ein Hostprovider zur Vermeidung einer Haftung als mittelbarer Störer grundsätzlich nicht verpflichtet, die von den Nutzern in das Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Der Hostprovider ist aber verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Hostprovider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts - hier des Unternehmenspersönlichkeitsrechts - durch den Nutzer seines Angebots hin, kann der Hostprovider verpflichtet sein, künftig derartige Störungen zu verhindern […].
Ist der Provider mit der Beanstandung eines Betroffenen - die richtig oder falsch sein kann - konfrontiert, die so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer - das heißt ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Überprüfung (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219 Rn. 25 f.) - bejaht werden kann, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen erforderlich (vgl. Senatsurteil vom 1. März 2016 - VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 24 m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn die beanstandete Äußerung nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Werturteil zu qualifizieren ist, das Werturteil vom Betroffenen aber mit der schlüssigen Behauptung als rechtswidrig beanstandet wird, der tatsächliche Bestandteil der Äußerung, auf dem die Wertung aufbaue, sei unrichtig, dem Werturteil fehle damit jegliche Tatsachengrundlage […].
Zu welchen konkreten Überprüfungsmaßnahmen der Hostprovider verpflichtet ist, bestimme sich nach den Umständen des Einzelfalls. Maßgebliche Bedeutung komme dabei dem Gewicht der angezeigten Rechtsverletzung sowie den Erkenntnismöglichkeiten des Providers zu. Zu berücksichtigen seien dabei auch Funktion und Aufgabenstellung des vom Provider betriebenen Dienstes sowie die Eigenverantwortung des für die persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigende Aussage unmittelbar verantwortlichen Nutzers. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass Bewertungsportale eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion erfüllen.
Auf der anderen Seite kann bei der Bestimmung des zumutbaren Prüfungsaufwands nicht außer Betracht bleiben, dass der Betrieb eines Portals mit Bewertungsmöglichkeit im Vergleich zu anderen Portalen, insbesondere Nachrichtenportalen, schon von vornherein ein gesteigertes Risiko für Persönlichkeitsrechtsverletzungen mit sich bringt. Es birgt die Gefahr, dass es auch für nicht unerhebliche persönlichkeitsrechtsverletzende Äußerungen missbraucht wird. Der Portalbetreiber muss deshalb von Anfang an mit entsprechenden Beanstandungen rechnen. Dabei werden die mit dem Portalbetrieb verbundenen Missbrauchsgefahren noch dadurch verstärkt, dass die Bewertungen - rechtlich zulässig (vgl. § 19 Abs. 2 TTDSG) - anonym oder unter einem Pseudonym abgegeben werden können (vgl. Senatsurteile vom 1. März 2016 - VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 40; vom 23. September 2014 - VI ZR 358/13, BGHZ 202, 242 Rn. 34). Die Möglichkeit, Bewertungen verdeckt abgeben zu können, erschwert es dem Betroffenen zudem erheblich, unmittelbar gegen den betreffenden Portalnutzer vorzugehen.
Der Hostprovider hat im Fall eines konkreten Hinweises auf einen auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer zu bejahenden Rechtsverstoß diese Beanstandung an den für den Inhalt Verantwortlichen zur Stellungnahme weiterzuleiten. Bleibt eine Stellungnahme innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist aus, ist von der Berechtigung der Beanstandung auszugehen und der beanstandete Eintrag zu löschen (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219 Rn. 27).
Der BGH stellte fest, dass die beanstandeten Bewertungen in den Schutzbereich des Unternehmerpersönlichkeitsrechts eingreifen und sich negativ auf das unternehmerische Ansehen auswirken.
Betroffen ist der durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete soziale Geltungsanspruch der Klägerin als Wirtschaftsunternehmen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 28. Juli 2015 - VI ZR 340/14, BGHZ 206, 289 Rn. 27 m.w.N.). In den angegriffenen Bewertungen werden die Leistungen der Klägerin mit maximal drei Sonnensymbolen bewertet, wobei sechs Sonnensymbole die „Bestnote“ sind. Im Freitext bemängeln die Nutzer unter anderem die Sauberkeit der Zimmer, den Zustand der Freizeitanlage und den Service der Klägerin. Die Kundgabe der angegriffenen Bewertungen auf der Webseite der Beklagten ist geeignet, sich abträglich auf das unternehmerische Ansehen der Klägerin auszuwirken. Die Bewertungen können dazu führen, dass potentielle Kunden die Leistungen der Klägerin nicht nachfragen.
Diese Beeinträchtigung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts sei rechtswidrig. Vorliegend seien die Meinungsäußerungsfreiheit der bewertenden Nutzer und die Informationsfreiheit der passiven Nutzer mit der Kommunikationsfreiheit der Beklagten und ihrem Schutz der geschäftlichen Tätigkeit abzuwägen.
Die Vorinstanz sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin Beanstandungen erhoben hat, die so konkret gefasst sind, dass Rechtsverstöße auf der Grundlage ihrer Behauptungen unschwer zu bejahen sind und bei der Beklagten Prüfpflichten ausgelöst haben. Diesen Prüfpflichten sei die Beklagte nicht nachgekommen, weshalb davon auszugehen ist, dass den angegriffenen Bewertungen kein Gästekontakt zugrunde liegt. Grundsätzlich genüge die Rüge des Bewerteten, dass der Bewertung kein Kontakt zugrunde liege aus, um Prüfpflichten des Bewertungsportals auszulösen. Zu weiteren Ausführungen sei er nicht verpflichtet. Etwas anderes gelte nur, wenn aus der Bewertung ohne Weiteres ersichtlich sei, wer die Bewertung geschrieben hat und bei Rechtsmissbrauch.
Entgegen der Ansicht der Revision reicht eine Rüge des Bewerteten, der Bewertung liege kein Gästekontakt zugrunde, grundsätzlich aus, um Prüfpflichten des Bewertungsportals auszulösen. Zu weiteren Darlegungen, insbesondere einer näheren Begründung seiner Behauptung des fehlenden Gästekontakts, ist er gegenüber dem Bewertungsportal grundsätzlich nicht verpflichtet. Dies gilt nicht nur in dem Fall, dass die Bewertung keinerlei tatsächliche, die konkrete Inanspruchnahme der Leistung beschreibende Angaben enthält und dem Bewerteten daher eine weitere Begründung schon gar nicht möglich ist, sondern auch dann, wenn für einen Gästekontakt sprechende Angaben vorliegen (Klarstellung zu Senatsurteil vom 1. März 2016 - VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 26). Denn der Bewertete kann diese Angaben regelmäßig nicht überprüfen und damit den behaupteten Gästekontakt nicht sicher feststellen. Einer näheren Begründung der Behauptung des fehlenden Gästekontakts bedarf es nur, wenn sich die Identität des Bewertenden für den Bewerteten ohne Weiteres aus der Bewertung ergibt. Im Übrigen gilt die Grenze des Rechtsmissbrauchs.
Nach diesen Maßstäben habe die Vorinstanz zu Recht angenommen, dass die Rügen der Klägerin hinsichtlich der beanstandeten Bewertungen konkret genug waren. Zu weiteren Angaben als der, dass diese Nutzer nicht ihre Gäste waren, sei die Klägerin nicht verpflichtet gewesen.
Zu weitergehenden Angaben als der, dass diese Nutzer nicht ihre Gäste waren, war die Klägerin - entgegen der Ansicht der Revision - auch angesichts der in den angegriffenen Bewertungen enthaltenen weiteren Angaben zu der Person des Nutzers, seinen Begleitern, den (angeblich) in Anspruch genommenen Leistungen und teilweise beigefügter Fotos nicht verpflichtet. Auf die zwischen den Parteien streitige und vom Berufungsgericht verneinte Frage, ob die Klägerin aufgrund der in den angegriffenen Bewertungen enthaltenen Ausführungen zu weiteren Angaben überhaupt in der Lage war, um den Kreis der in Betracht kommenden Gäste einzugrenzen, kommt es nicht an. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin die Rügen missbräuchlich erhoben hätte.
Die Rügen der Klägerin haben eine Prüfpflicht der Beklagten ausgelöst, der diese nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht nachgekommen ist. Die Beklagte hat jede Nachfrage bei ihren Nutzern verweigert. Es ist daher davon auszugehen, dass den angegriffenen Bewertungen kein Gästekontakt zugrunde liegt.
Bisher war nicht abschließend geklärt, welchen Aufwand der Bewertete betreiben muss und zu welchen Darlegungen er dem Bewertungsportal gegenüber verpflichtet ist, um die Prüfpflichten des Bewertungsportals auszulösen. Der BGH hat nun entschieden, dass die Rüge eines Bewerteten, es liege kein Gästekontakt zugrunde, grundsätzlich hierfür ausreiche. Zu weiteren Darlegungen ist der Bewertete gegenüber dem Bewertungsportal grundsätzlich nicht verpflichtet.
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