Das Gesetz kennt in § 312g BGB einige Ausnahmen vom Widerrufsrecht. Dazu zählen u.a. Verträge über Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht. Der BGH entschied nun (Urt. v. 13.07.2022 – VIII 317/21), dass eine fehlende Information über eine Ausnahme des Widerrufsrechts nicht zum Entstehen eines Widerrufsrechts führe.

Die Beklagte ist eine Ticketsystemdienstleisterin und betreibt ein Internetportal, über das sie Eintrittskarten als Kommissionärin für eine Vielzahl von Veranstaltungen vertreibt. Über das Portal erwarb der Kläger vier Eintrittskarten für eine Musicalaufführung, die in Hamburg stattfinden sollte. Die gebuchte Veranstaltung wurde jedoch auf Grund der Covid-19-Pandemie abgesagt. Daraufhin begehrte der Kläger von der Beklagten die Erstattung des Ticketpreises, was diese allerdings ablehnte. Die ihm von der Veranstalterin angebotenen Wertgutscheine lehnte der Kläger seinerseits ab und erhob Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises zuzüglich Zinsen sowie Erstattung der Rechtsanwaltskosten.

Das AG Bremen gab dem Kläger in erster Instanz Recht, das LG Bremen wies die Berufung ab. Der BGH bestätigte nun die Entscheidung des LG Bremen.

Ausnahme vom Widerrufsrecht

Zunächst führte das Gericht aus, dass sich ein Anspruch auf Rückzahlung weder aus Mangelgewährleistungsrechten in Bezug auf den Rechtskaufvertrag ergebe, noch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Zwar liege ein Fernabsatzvertrag im Sinne von § 312c Abs. 1 BGB vor. Ein Widerrufsrecht habe jedoch gem. § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB nicht bestanden. Diese Vorschrift, die eine Ausnahme vom Widerrufsrecht unter anderem für Verträge zur Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen enthält, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin vorsieht, finde auch auf den vorliegenden Vertrag Anwendung.

§ 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB setzt Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates […] um und ist demnach richtlinienkonform auszulegen. Dies führt zu einer Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf den hier vorliegenden, in Ausführung eines Kommissionsgeschäfts abgeschlossenen Kaufvertrag betreffend das Recht auf Teilnahme an der von der Veranstalterin durchzuführenden Veranstaltung.

Entscheidung des EuGH zu Online-Tickets

Anschließend nahmen die Richter Bezug auf die kürzlich ergangene Entscheidung des EuGH. Dieser habe in einem vergleichbaren Rechtsstreit entschieden, dass die Ausnahme des Widerrufsrechts gem. § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB für ein erworbenes Konzertticket, welches im Zuge der Covid-19-Pandemie abgesagt worden sei, auch greife, wenn die Tickets lediglich vermittelt würden. Dem liege zugrunde, dass ein Widerruf des Vertrages gegenüber der Beklagten der Veranstalterin das wirtschaftliche Risiko bezüglich frei gewordener Kapazitäten auferlegt worden wäre.

 Der im eigenen Namen für Rechnung der Veranstalterin geschlossene Kaufvertrag zwischen der Beklagten und dem Kläger hat das Zugangsrecht zu einer auf einen bestimmten Zeitpunkt terminierten Freizeitbetätigung – einem Musical – zum Gegenstand und ist somit als Dienstleistungsvertrag im Sinne von Art. 16 Buchst. l der Verbraucherrechterichtlinie und dementsprechend als von § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB erfasst anzusehen […]. Ein Widerruf des Vertrags gegenüber der Beklagten hätte zur Folge gehabt, dass der Veranstalterin das Risiko bezüglich der frei gewordenen Kapazitäten auferlegt worden wäre. Denn die Veranstalterin trug als Kommittentin, für deren Rechnung der Vertrag abgeschlossen wurde und die deshalb dem Kommissionär Erstattung – etwa für eine eventuelle Rückzahlung des Kaufpreises an den Käufer – schulden würde […] wirtschaftlich das Risiko des Widerrufs und war damit der Gefahr ausgesetzt, dass Kapazitäten, die im Hinblick auf die an den Kläger ausgegebenen Eintrittskarten freigehalten wurden, nach dem Widerruf des Rechtskaufvertrags nicht anderweitig hätten genutzt werden können. Dass vorliegend im Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und der Veranstalterin etwas Abweichendes vereinbart worden wäre, lässt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen. Insoweit übergangenes Vorbringen zeigt die Revision nicht auf.

Fehlende Information führt nicht zum Ausschluss des Widerrufsrechts

Weiterhin führte der BGH aus, dass dem Kläger ein Widerrufsrecht auch dann nicht zustehe, wenn die Beklagte entgegen Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB nicht darüber informiert habe, dass ein Widerrufsrecht nicht bestehe. Die fehlende Information führe nicht zum Entstehen eines Widerrufsrechts. Dies widerspreche dem Willen des Gesetzgebers und finde keine gesetzliche Grundlage. Dem stehe auch der Schutz des Verbrauchers nicht entgegen, da diesem bei entsprechender Information lediglich vor Augen geführt werde, dass er an den Vertrag unwiderruflich gebunden sei. Jedoch sei ein Schadensersatzanspruch denkbar.

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger ein Widerrufsrecht auch dann nicht hätte, wenn die Beklagte ihn entgegen Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB nicht darüber informiert hätte, dass ihm ein Widerrufsrecht nicht zusteht. Die fehlende Information über ein nicht bestehendes Widerrufsrecht führt – entgegen der Auffassung der Revision – nicht zum Entstehen eines Widerrufsrechts. Dies widerspräche dem Willen des Gesetzgebers, der für diese spezielle Konstellation ein Widerrufsrecht gerade nicht für angezeigt hielt. Dementsprechend ist eine solche Rechtsfolge weder im nationalen Recht vorgesehen noch enthält die Verbraucherrechterichtlinie, deren Art. 6 Abs. 1 Buchst. k durch Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB umgesetzt wurde, hierzu Vorgaben. Es bedarf der Begründung eines Widerrufsrechts wegen fehlender Information über dessen Nichtbestehen auch nicht zum Schutz eines Verbrauchers, dem durch diese Information allein vor Augen geführt werden soll, dass er – anders als im Regelfall bei Fernabsatzverträgen – den Vertrag nicht widerrufen kann, sondern durch die Abgabe seiner Willenserklärung eine unwiderrufliche Bindung an den Vertrag entsteht. Denn das Unterlassen einer Information hierüber stellte eine Pflichtverletzung dar, die – sofern die weiteren Voraussetzungen hierfür vorlägen – einen Schadensersatzanspruch begründen könnte.

Keine Verlängerung des Widerrufsrechts

Die fehlende Belehrung über ein fehlendes Widerrufsrecht führe auch nicht zu einer Verlängerung des Widerrufsrechts gem. § 356 Abs. 3 BGB. Diese Vorschrift sei einschlägig, wenn über ein bestehendes Widerrufsrecht nicht informiert werde, nicht aber in der vorliegenden Konstellation, so der Bundesgerichtshof.

Etwas anderes ergibt sich – entgegen der Auffassung der Revision – nicht aus § 356 Abs. 3 BGB. Diese Vorschrift regelt in Umsetzung von Art. 10 der Verbraucherrechterichtlinie die Verlängerung der Widerrufsfrist für den Fall, dass der Unternehmer den Verbraucher nicht ordnungsgemäß über ein bestehendes Widerrufsrecht belehrt hat. Für die hier vorliegende Konstellation einer fehlenden Belehrung über ein nicht bestehendes Widerrufsrecht trifft § 356 Abs. 3 BGB hingegen – ebenso wie Art. 10 der Verbraucherrechterichtlinie – keine Regelung.

Fazit

Das Urteil des BGH bestätigt nochmals die Entscheidung des EuGH, dass Online-Tickets, welche sich auf einen konkreten Zeitpunkt beziehen auch dann nicht widerrufen werden können, wenn sie über einen zwischengeschalteten Vermittler erworben wurde. Die fehlende Information über ein nicht bestehendes Widerrufsrecht ist zwar pflichtwidrig und kann unter Umständen einen Schadensersatzanspruch begründen. Allerdings führt die unterlassene Information nicht zum Entstehen eines Widerrufsrechts.

Alexander Kirch/Shutterstock.com

image_pdfPDFimage_printDrucken