Art. 9 der SEPA-Verordnung bestimmt, dass weder der Zahler noch der Zahlungsempfänger vorgeben darf, in welchem Mitgliedstaat das Zahlungskonto zu führen ist. Das LG Oldenburg entschied daher (Urt. v. 17.2.2022 – 15 O 1977/21), dass die Weigerung, eine Lastschrift für das litauische Konto eines Kunden einzurichten, einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO darstelle und wettbewerbswidrig sei.
Der Beklagte ist ein Versicherungsverein und bietet verschiedene Versicherungen für gewerbliche und private Kunden an. Eine Verbraucherin erhielt von der Beklagten eine E-Mail, in der ihr mitgeteilt wurde: „[…] wir erhalten von Ihnen eine litauische IBAN. Leider können wir diese aktuell nicht automatisch verarbeiten, daher habe ich eine große Bitte an Sie: Haben Sie noch eine deutsche IBAN oder können Sie die Rechnung bitte per Überweisung bezahlen?“ In einer der E-Mail beigefügten Textdatei ist zweimal der Hinweis enthalten: „Achtung: die angegebene IBAN ist nicht gültig“. Anschließend mahnte der Beklagte die Verbraucherin wegen Zahlungsverzuges ihres Erstbeitrags ab. Daraufhin beschwerte sich die Verbraucherin bei dem Kläger, welcher die Beklagte sodann abmahnte und vor dem LG Oldenburg auf Unterlassung in Anspruch nahm.
Das OLG Oldenburg (Beschl. v. 25.5.2022 – 6 U 42/22) hat in der Berufungsinstanz die Rechtsansicht des LG Oldenburg bestätigt und schließt sich damit der Auffassung des BGH an. Dieser hat bereits entschieden, dass es unzulässig sei, die Zahlungsmöglichkeit per SEPA-Lastschrift auf den Einzug von einem deutschen Bankkonto zu beschränken.
Zunächst führte das Gericht aus, dass es sich bei Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO um eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG handle. Die gesetzliche Vorschrift sei dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
Gemäß § 3a UWG handelt unlauter i.S.v. § 3 Abs. 1 UWG, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, wenn der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO ist eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG. Nach Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO gibt ein Zahlungsempfänger, der eine Überweisung annimmt oder eine Lastschrift verwendet, um Geldbeträge von einem Zahler einzuziehen, der Inhaber eines Zahlungskontos innerhalb der Union ist, nicht vor, in welchem Mitgliedstaat dieses Zahlungskonto zu führen ist. Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 SEPA-VO bestimmt, dass ein Zahlungsdienstleister eines Zahlers, der für eine Inlandslastschrift gemäß einem Zahlverfahren erreichbar ist, im Einklang mit den Bestimmungen eines unionsweiten Zahlverfahrens auch für Lastschriften erreichbar sein muss, die von einem Zahlungsempfänger über einen in einem beliebigen Mitgliedstaat ansässigen Zahlungsdienstleister veranlasst werden.
Die Vorschrift betreffe Unternehmer, die Verbrauchern Waren und Dienstleistungen anbieten. Damit schütze Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO insbesondere das Interesse der Verbraucher. Bei Verstößen sei die Verhaltensfreiheit des Verbrauchers in Bezug auf ihre Marktteilnahme eingeschränkt, so das Gericht.
Die Vorschrift regelt das Marktverhalten des Zahlungsempfängers und damit derjenigen Person, die Inhaber eines Zahlungskontos ist und die den bei einem Zahlungsvorgang transferierten Geldbetrag als Empfänger erhalten soll. Davon betroffen sind insbesondere Unternehmer, die Verbrauchern Waren oder Dienstleistungen anbieten. Damit regelt Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO das Marktverhalten von Unternehmen gerade auch im Interesse der Verbraucher als Marktteilnehmer. Die Vorschrift schützt die Freiheit des Verbrauchers, Zahlungen über ein Konto in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen seines Wohnsitzes abzuwickeln. Bei einem Verstoß gegen Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO ist die Verhaltensfreiheit der Verbraucher in Bezug auf die Bestellung von Waren oder Dienstleistungen und damit in Bezug auf ihre Marktteilnahme eingeschränkt.
Anschließend bewertete das Gericht die versandte E-Mail der Beklagten als Verstoß gegen Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO. Aus dieser gehe hervor, dass der Beklagte den Lastschrifteinzug einer litauischen IBAN nicht akzeptiere. Ob der Verfasser der E-Mail schuldhaft gehandelt habe sei ohne Relevanz. Ebenso wenig könne die „höfliche Bitte der E-Mail“ den Verstoß negieren.
Der Beklagte hat gegen Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO verstoßen. Dass möglicherweise der streitbefangene Versicherungsvertrag mit der Kundin G. über die Online-Plattform V zustande gekommen ist, auf dessen V-Formular eine DE IBAN voreingestellt war, ist ohne jegliche Relevanz. Denn bereits der E-Mail des Beklagten an die Kundin vom 23.04.2021 ist zu entnehmen, dass die Kundin eine litauische IBAN verwendet hat, die der Beklagte zum Lastschrifteinzug für Versicherungsbeiträge nicht akzeptierte. Die Folge war die Mahnung hinsichtlich des Erstbeitrages vom 26.04.2021. Die Nichtakzeptanz kann auch nicht durch Einkleidung in eine höfliche „Bitte“, stattdessen eine DE IBAN zu benutzen, negiert werden. Ob der betreffende Mitarbeiter des Beklagten schuldhaft gehandelt hat, ist für den Unterlassungsanspruch ohne Relevanz. Der Anspruch setzt ein Verschulden nicht voraus.
Abschließend gelangte das Gericht zu der Auffassung, dass die erforderliche Wiederholungsgefahr vorliege. Unerheblich sei, ob es sich um einen Einzelfall gehandelt habe. Auch eine Liste aktueller SEPA-Lastschriftverfahren außerhalb Deutschlands genüge zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr nicht. Die Vermutung hätte durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden können, die vorliegend fehle.
Die erforderliche Wiederholungsgefahr liegt vor. Denn auf Grund einer vollendeten Zuwiderhandlung ist eine widerlegliche tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr für die konkrete Zuwiderhandlung und im Kern gleichartige Verstöße gegeben. Zwar ist die Vermutung im Grundsatz widerleglich. Zur Widerlegung ist jedoch in aller Regel die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung erforderlich, die hier fehlt. In seltenen Ausnahmefällen wird die Vermutung der Wiederholungsgefahr für widerlegt (oder nicht eingreifend) gehalten, namentlich in ganz ungewöhnlichen Situationen, in denen eine Wiederholung eines im Kern ähnlichen Wettbewerbsverstoßes unwahrscheinlich erschien oder erst nach einem so langen Zeitraum zu erwarten war, dass die Vermutung kaum mehr haltbar gewesen wäre. Dies ist hier nicht ersichtlich. Der Vortrag des Beklagten zu einer Liste von „aktuell“ bestehenden Versicherungsverträgen, die ihre Versicherungsbeiträge von Konten im SEPA-Raum (außerhalb Deutschlands) per Lastschrift zahlen, es habe ein bedauerlicher Einzelfall vorgelegen, ist nicht erheblich. Der Einwand, es habe sich bei dem Wettbewerbsverstoß um einen einmaligen Verstoß oder einen Ausreißer gehandelt, widerlegt die Vermutung nicht […]. Es ist nicht erkennbar, dass beim Beklagten jeglicher weiterer „Einzelfall“ für die Zukunft ausgeschlossen ist.
Weder der Zahler noch der Zahlungsempfänger dürfen vorgeben, in welchem Mitgliedstaat das Zahlungskonto zu führen ist. Kunden sollen darüber frei entscheiden können. Das bedeutet für Händler, dass sie Zahlungen von Konten aus anderen Mitgliedstaaten akzeptieren müssen. Bei der entsprechenden Vorschrift der SEPA-VO handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung. Verstöße hiergegen können abgemahnt werden.
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