Gütesiegel genießen bei Verbrauchern großes Vertrauen und beeinflussen häufig ihre Kaufentscheidung. Sie erwarten, dass diese von neutralen Dritten aufgrund objektiver Kriterien und nach Kontrollen vergeben werden. Das OLG München (Urt. v. 26.3.2021 – 37 O 7730/20) entschied nun, dass ein selbstgefertigtes Bio-Siegel diese Erwartungen nicht erfüllt und die Verwendung irreführend ist, wenn es wie ein offizielles Gütesiegel verwendet wird.

Die Beklagte produziert und vertreibt über ihren Online-Shop Naturarzneien, Nahrungsergänzungsmittel und Tees. Hierbei verwendete sie ein selbst gestaltetes Bio-Logo. In einem Werbeprospekt, der auf der Internetseite der Beklagten heruntergeladen werden kann, führt die Beklagte aus, dass das Logo die Herkunft aller Zutaten aus ökologischem Anbau garantiere und zusätzlich die sorgfältige Kontrolle sämtlicher Teebestandteile im eigenen Labor. Das Logo wird jedoch ohne erklärenden Zusatz verwendet. Soweit es im Internet verwendet wird, erscheint allerdings, wenn man mit dem Maus-Zeiger über das Logo fährt, die Angabe „S Bio Qualität“. Die Klägerin, die Wettbewerbszentrale, mahnte die Beklagte wegen der Verwendung dieses Logos ab und verlangte Unterlassung. Die Beklagte wies die Vorwürfe jedoch zurück und gab die geforderte Unterlassungserklärung nicht ab.

Das LG München I (Urt. v. 26.3.2021 – 37 O 7730/20) entschied bereits, dass die Verwendung des eigenen Bio-Siegels irreführend sei. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung der Beklagten vor dem OLG München blieb nun ohne Erfolg. Das verwendete Bio-Siegel erwecke den falschen Eindruck, von Dritten aufgrund konkreter objektiver Vorgaben und Kontrollen vergeben worden zu sein.

Verbrauchersicht entscheidend

Das Gerichte stellte klar, dass für die Beurteilung, ob eine Werbung irreführend ist, entscheidend sei, wie der angesprochene Verkehr diese Werbung aufgrund ihres Gesamteindrucks verstehe.

In diesem Zusammenhang kommt es auf die Sichtweise eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers an, der einer Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt. Der Grad seiner Aufmerksamkeit ist von der jeweiligen Situation und vor allem von der Bedeutung abhängig, die die beworbenen Waren für ihn haben. Bei geringwertigen Gegenständen des täglichen Bedarfs oder beim ersten Durchblättern von Werbebeilagen oder Zeitungsanzeigen ist seine Aufmerksamkeit regelmäßig eher gering, so dass er die Werbung eher flüchtig zur Kenntnis nehmen wird. Dagegen wird der Verbraucher eine Angabe mit situationsadäquat gesteigerter Aufmerksamkeit zur Kenntnis nehmen, wenn er für die angebotenen Waren oder Dienstleistungen einen erheblichen Preis zu zahlen hat. Maßgeblich für den Grad der Aufmerksamkeit des Verbrauchers ist außerdem die Art und Bedeutung der angebotenen Ware oder Dienstleistung. Geht es um Produkte wie Lebensmittel, bei denen der Verbraucher seine Kaufentscheidung regelmäßig auch von ihrer Zusammensetzung abhängig macht, ist davon auszugehen, dass er nicht nur die Schauseite einer Packung, sondern auch die an anderer Stelle angebrachten Verzeichnisse über die Inhaltsstoffe wahrnehmen wird (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 2017 – I ZR 78/16, GRUR 2018, 431 Rn. 27 [= WRP 2018, 413] – Tiegelgröße m.w.N.).

Bei den streitgegenständlichen Produkten, einem Lebensmittel- und einem Arzneitee handle es sich um Produkte, denen ein durchschnittlicher Verbraucher eine besondere Aufmerksamkeit hinsichtlich der Zutaten und der Zusammensetzung der Zutaten widme.

Erwartung der Verbraucher nicht erfüllt

Der angesprochene Verkehr verstehe das eingesetzte Bio-Logo nicht als firmeneigenes Logo, sondern als Zeichen dafür, dass ein Dritter das Produkt nach bestimmten Anforderungen geprüft hat. Für ein solches Verständnis spreche ebenfalls die Gestaltung des Logos. Dies sei jedoch nicht der Fall.

Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, ergibt sich dies zum einen aus der äußeren Gestaltung und der Größe des Logos. Das Logo hat die Anmutung eines Siegels oder einer Auszeichnung. Dieser Eindruck entsteht dadurch, dass das Bio-Logo eine in sich abgeschlossene Einheit darstellt, die durch die drei Pflanzen im oberen Bereich den Eindruck eines kronenartigen Wappens aufweist. Dieser Eindruck wird durch die Anordnung des Logos in den drei Anlagen unterstützt. Dort ist das Siegel jeweils in einem Bereich unter der Abbildung des Produkts angeordnet. Dabei ist es räumlich abgesetzt vom Markennamen der Beklagten und von der Produktbezeichnung. Dadurch wird der Eindruck vermittelt, dass es sich um ein unabhängiges Element handelt. Dabei ist der Eindruck stärker vorhanden bei den Abbildungen im Internet. Bei der Zeitungswerbung macht die äußere Gestaltung des Logos noch den Eindruck, dass es in einem Zusammenhang mit dem Text rechts neben dem Logo stehen könnte. Allerdings enthält der sich unmittelbar neben dem Logo befindliche Text keinerlei Bezug zu dem Logo. Soweit im Beschreibungstext rechts neben der Produktabbildung der Hinweis enthalten ist „Erzeugt im Bio-Anbau, nach Arzneibuch und S Bio-Qualitätsrichtlinien geprüft“, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung. Zum einen lässt sich diesem Text nicht entnehmen, wer die Prüfung nach „S Bio-Qualitätsrichtlinien“ vorgenommen hat und welcher Prüfungsmaßstab diesen Richtlinien zugrunde liegt. Zum anderen wird ein verständiger Verbraucher keine Verbindung zwischen dieser Textstelle und dem Bio-Logo herstellen. Der Hinweis und das Bio-Logo sind getrennt angeordnet, so dass kein unmittelbarer Zusammenhang ersichtlich ist. Der sich unmittelbar neben dem Bio-Logo befindliche Text enthält keine Bezugnahme oder Erklärung hinsichtlich des Logos. Dadurch erscheint das Logo als separates Element im Gesamtkontext der Werbung und erweckt die Assoziation, dass die Bio-Qualität durch einen Dritten bestätigt worden ist.

Auch die Anordnung des Bio-Logos neben dem EU-Bio-Logo unterstützt, wie bereits ausgeführt, den Eindruck, dass es sich um eine von einem Dritten vergebene Auszeichnung handle.

Bio-Logo nicht nur beschreibend verwendet

Die Beklagte versuchte sich erfolglos, mit einem Verweis auf andere am Markt verwendete Bio-Logos zu verteidigen, und dass der Begriff „bio“ mittlerweile rein beschreibend verwendet würde.

Eine andere Beurteilung ist nicht durch die von der Beklagten angeführten anderweitigen Verwendungen des Begriffs „Bio“ gerechtfertigt. Insbesondere das Lidl-Logo „BioBio“ wird nicht in der Art einer Auszeichnung verwendet. Entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht ist das Verständnis des angesprochenen Verkehrs durch die Vielzahl der im Markt vorhandenen Kennzeichnungen von Produkten mit dem Wort „Bio“ auch nicht dahingehend geprägt, dass der Begriff rein beschreibend wahrgenommen wird. Vielmehr hat die Häufigkeit der Verwendung des Begriffs dazu geführt, dass eine Unsicherheit besteht, was genau mit dem Begriff „Bio“ gemeint ist. Deshalb wird es als besonders wertig angesehen, wenn eine Prüfung durch einen Dritten erfolgt ist, was in der Regel durch die plakettenhafte Kennzeichnung, so wie sie das Bio-Logo der Beklagten vornimmt, dargestellt wird.

Keine markenmäßige Verwendung

Ebenso wenig habe die Beklagte ihr Bio-Logo markenmäßig verwendet. Unerheblich sei ebenfalls, dass sie ihr Bio-Logo bereits vor Einführung des EU-Bio-Logos verwendet habe. Maßgeblich sei allein der Eindruck der angesprochenen Verkehrskreise.

Soweit die Beklagte die Ansicht vertritt, dass der Irreführung entgegenstehe, dass ihr Bio-Logo vorliegend markenmäßig verwendet werde, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Zum einen ist auf allen drei in Bezug genommenen Werbungen die Marke „S“ zu erkennen. Daneben erscheint das Bio-Logo hier nicht als Marke, zumal es unter den Produktbildern angeordnet ist und dadurch einen das Produkt beschreibenden Charakter bekommt. Die vom Beklagten behauptete markenmäßige Verwendung ist auch unter Berücksichtigung der in Bezug genommenen Entscheidung des Senats (Urteil vom 15. März 2018 – 6 U 2797/17, GRUR-RS 2018, 49914 Rn. 35 ff.) nicht zu erkennen.

Es ist auch unbeachtlich, ob das streitgegenständliche Bio-Logo bereits vor der Einführung des EU-Bio-Logos verwendet wurde. Maßgeblich ist der Eindruck der angesprochenen Verkehrskreise und zu diesen gehören nicht nur diejenigen, welche das Logo bereits kennen, sondern auch Neukunden.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die von der Beklagten eingelegte Revision ist beim BH unter dem Az. I ZR 13/22 anhängig.

Fazit

Für Gütesiegel gelten bestimmte Anforderungen. Sie müssen von einer neutralen Stelle nach objektiven Kriterien vergeben worden sein. Selbstgefertigte Gütesiegel sind hiermit unvereinbar, wie das OLG München nun noch einmal klargestellt hat. Darüber hinaus ist es bei der Verwendung von Gütesiegeln erforderlich, dass Informationen zu den Prüfkriterien zugänglich gemacht werden. Hierfür reicht es aus, dass auf eine entsprechende Informationsseite verlinkt wird.

sergign/Shutterstock.com

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