LG München zur Bestellbestätigung und zum Vertragsschluss durch Versand der Ware

Gem. § 312i Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BGB hat der Unternehmer dem Kunden dessen Bestellung unverzüglich auf elektronischem Wege zu bestätigen. Die Bestellbestätigung bestätigt nur den Eingang der Bestellung. Ob ein Vertrag bereits zustande gekommen ist, richtet sich insbesondere bei Online-Shops nach den AGB. Das LG München (Urt. v. 15.2.2022 – 33 O 4638/21) entschied nun, dass Verbrauchern binnen fünf Bürostunden nach erfolgter Bestellung eine Bestellbestätigung zuzuschicken sei. Eine AGB-Klausel, nach der ein Vertrag erst durch die Annahmeerklärung des Unternehmers in einer gesonderten E-Mail, spätestens jedoch durch den Versand der Bestellung zustande kommt, enthalte einen unzulässigen formularmäßigen Zugangsverzicht.

Die Beklagte vertreibt über ihren Online-Shop Waren der Unterhaltungselektronik. In ihrem Online-Shop hält sie u.a. folgende AGB-Klausel zum Vertragsschluss vor: § 3 Abs. 4 AGB: „Ein Vertrag kommt erst durch die Annahmeerklärung von … zustande, die mit einer gesonderten E-Mail (Auftragsbestätigung oder Versandbestätigung) versendet wird, spätestens jedoch durch den Versand der Bestellung“.

Ein Verbraucher bestellte über den Online-Shop eine Spielekonsole. Im Anschluss an die Bestellung erhielt er keine Bestellbestätigung. Eine separate Aufforderung, eine Bestellbestätigung zu verschicken blieb unbeantwortet. Allerdings forderte die Beklagte den Verbraucher 5 Tage später per E-Mail zur Zahlung auf. Daraufhin verlangte er erneut eine Bestellbestätigung. Die Beklagte versandte sodann die geforderte Bestellbestätigung gemeinsam mit einer weiteren Zahlungsaufforderung und benannte das Lieferdatum. Nach einer weiteren Zahlungsaufforderung bezahlte der Verbraucher den Betrag, dessen Erhalt die Beklagte letztlich bestätigte.

Die Klägerin, ein gemeinnütziger Verein zur Wahrung von Verbraucherinteressen, mahnte die Beklagte wegen der Verwendung der streitgegenständlichen AGB-Klausel und der fehlenden Versendung einer Eingangsbestätigung nach erfolgter Bestellung ab und forderte diese zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Auf dieses Schreiben hin erbat die Beklagte lediglich Fristverlängerung, ohne zu den Vorwürfen aber inhaltlich Stellung zu nehmen.

Das LG München stufte die Vertragsschlussklausel als unzulässigen formularmäßigen Zugangsverzicht ein und sah in der Nichtversendung der elektronischen Eingangsbestätigung einen Rechtsverstoß.

Unzulässiger formularmäßiger Zugangsverzicht bei Vertragsschluss durch Versendung

Das Gericht entschied zunächst, dass die AGB-Klausel eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners darstelle, da sie einen tatsächlichen Zugang der Annahmeerklärung der Beklagten für entbehrlich erkläre.

Der Anwendungsbereich der Inhaltskontrolle der §§ 307 ff. BGB ist eröffnet. Die beanstandete Klausel ist für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung und damit eine Allgemeine Geschäftsbedingung gem. § 305 Abs. 1 BGB. Diese weicht auch von Bestimmungen des dispositiven Gesetzesrechts ab (§ 307 Abs. 3 S. 1 BGB), da sie entgegen § 130 Abs. 1 BGB einen tatsächlichen Zugang der Annahmeerklärung der Beklagten für entbehrlich erklärt.

Unangemessene Benachteiligung

Das LG führte aus, wann eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners durch die Verwendung von AGB vorliege. Dies sei anzunehmen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des anderen durchzusetzen versuche. Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen würden, sei anhand einer umfassenden Abwägung zu bestimmen.

Unangemessen ist eine Benachteiligung dann, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von Vornherein dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen […]. Ob im Einzelfall eine Benachteiligung als unangemessen einzustufen ist, muss anhand einer umfassenden Würdigung sämtlicher Umstände ermittelt werden. Von Bedeutung sind dabei insbesondere die Art des konkreten Vertragstyps, die typischen Interessen beider Parteien, die Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise und die sich aus der Gesamtheit der Rechtsordnung ergebenden Bewertungskriterien […]. Auszugehen ist dabei von Gegenstand, Zweck und Eigenart des Vertrags. Die zu überprüfende Klausel ist vor dem Hintergrund des gesamten Gegenstands des Vertrags auszulegen und zu bewerten […].

Keine Kenntnis über Zeitpunkt des Vertragsschlusses

Anschließend führte das Gericht aus, dass ein formularmäßiger Zugangsverzicht einen Nachteil für den Vertragspartner darstelle. Dieser könne nicht wissen, zu welchem Zeitpunkt ein Vertrag zustande komme. Diese Kenntnis sei allerdings bei Verträgen im Internet – insbesondere vor dem Hintergrund des Widerrufsrecht – wichtig, da andernfalls alternative Angebote geprüft und weitere Verträge geschlossen würden.

Eine solche unangemessene Benachteiligung liegt auch im Streitfall vor. Zwar sehen die Vorschriften des dispositiven Gesetzesrechts grundsätzlich die Möglichkeit eines Zugangsverzichts vor […]. Ein formularmäßiger Zugangsverzicht stellt aber einen Nachteil für den Vertragspartner hat, weil er aufgrund dessen keine genaue Kenntnis vom genauen Zeitpunkt des Zustandekommens des Vertrags hat. Diese Kenntnis ist für den Verbraucher aber gerade in Fällen des Erwerbs über das Internet wichtig, weil er - auch vor dem Hintergrund eines gesetzlichen Widerrufsrechts (§ 312g Abs. 1 BGB) - bis zur Kenntnis unter Umständen alternative Angebote prüft und in diesem Zusammenhang entsprechende Dispositionen vornimmt.

Trotz Versand der Ware Erforderlichkeit einer Annahmeerklärung

Im Anschluss daran stellte das Gericht klar, dass ein Zugangsverzicht bei dem Versand der Ware nicht rechtens sei. Die Annahmeerklärung durch den Warenversand privilegiere den Verwender einer solchen Klausel, da nicht der Zugang der Annahmeerklärung sondern lediglich der Versand in einem möglichen späteren Prozess bewiesen werden müsse. Auch die vergleichbaren Wertungen der Unzulässigkeit einer Zugangsfiktion sprechen gegen eine solche Möglichkeit.

Demgegenüber ist ein nachvollziehbares Interesse der Beklagten für die Vereinbarung eines Zugangsverzichts für den Fall der Versendung der Ware nicht erkennbar, zumal in den weiteren in der Klausel genannten Alternativen des Versandes der Bestellbestätigung oder der Übermittlung einer Versandbestätigung ein Zugang zumindest implizit für nicht entbehrlich erachtet wird. Der Verwender wird durch den Zugangsverzicht im Falle der Alternative „Versendung der Ware“ auch in beweisrechtlicher Hinsicht privilegiert, da er in einem etwaigen späteren Prozess für den wirksamen Vertragsschluss nicht den Zugang der Annahmeerklärung, sondern lediglich den tatsächlichen Versand der Ware darlegen und beweisen muss. Für die Annahme einer unangemessenen Benachteiligung spricht schließlich die Wertung des § 308 Nr. 6 BGB, wonach die formularmäßige Vereinbarung einer Fiktion des Zugangs bei Erklärungen von besonderer Bedeutung - zu denen die Annahmeerklärung wegen ihrer potentiell rechtliche Pflichten begründenden Wirkung ohne Weiteres gehört - in der Regel unwirksam ist. Die Interessenlage zwischen Zugangsfiktion einerseits und Zugangsverzicht andererseits ist vergleichbar, weil beide Institute sich in ihren Wirkungen nicht wesentlich unterscheiden.

Unverzügliche Bestellbestätigung verpflichtend

Die Beklagte sei ihrer Verpflichtung, unverzüglich eine Bestellbestätigung an den Kunden zu verschicken, nicht nachgekommen. Unverzüglich bedeute ohne schuldhaftes Zögern. Diese Voraussetzung sei erfüllt, wenn wenige Stunden nach der Bestellung oder bei Bestellungen in den späten Abendstunden am nächsten Tag zu den üblichen Geschäftszeiten eine Bestellbestätigung beim Verbraucher eingehe, so das Gericht.

Die Beklagte hat dem beschwerdeführenden Verbraucher entgegen § 312 i Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB dessen Bestellung nicht unverzüglich auf elektronischem Wege bestätigt. Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern […].Diese Voraussetzung ist allenfalls dann erfüllt, wenn die elektronische Eingangsbestätigung wenige Stunden nach der Bestellung, bei Bestellungen in den späten Abendstunden am nächsten Tag zu den üblichen Geschäftszeiten des Unternehmers, beim Verbraucher eingeht. Diesen Anforderungen genügt die erst fünf Tage nach der fraglichen Bestellung versandte elektronische Bestellbestätigung offenkundig nicht.

Verantwortlichkeit auch bei überlastetem System

Weiterhin führten die Richter aus, dass die Beklagte für den Verstoß verantwortlich sei. Selbst wenn sie sich eines Systems bediene, das automatisch Bestellbestätigungen verschicke, müsse sie entsprechende Vorkehrungen treffen, um eine Überlastung des Systems zu verhindern. Zumutbar sei beispielsweise die Zubuchung zusätzlicher Servereinheiten bei einem erwarteten hohen Bestellvolumen.

Die Beklagte ist für den Verstoß auch verantwortlich. Denn vorliegend war die Beklagte gehalten, dafür Sorge zu tragen, dass trotz objektiv erwartbar hohen Bestellvolumens im Zusammenhang mit Bestellungen des infrage stehenden Produkts die gesetzlich geforderten Bestellbestätigungen verschickt werden können. Für die Beklagte war ein hohes Bestellvolumen im Zusammenhang mit dem Verkaufsstart der in Rede stehenden Spielekonsole auch vorhersehbar, da das Gerät […] nur online und nicht im stationären Einzelhandel verkauft wurde. Es war der Beklagten daher zumutbar, Vorkehrungen zu treffen, wie etwa die Zubuchung zusätzlicher Servereinheiten, um einen Zusammenbruch ihres Servers zu verhindern.

Fazit

Grundsätzlich ist es den Vertragsparteien selbst überlassen, wie sie den Vertragsschluss ausgestalten. Hierfür bestehen mehrere Möglichkeiten. Wenn Sie das Warenangebot unverbindlich ausgestalten und der Kunde mit seiner Bestellung ein verbindliches Angebot abgibt, ist es nach dem Urteil des LG München nicht mehr möglich, den Vertrag durch Versand der Ware anzunehmen, da eine solchen Vereinbarung den Verbraucher unangemessen benachteilige. Unabhängig davon, wie Sie Ihr Angebot ausgestalten, müssen Sie dem Kunden den Zugang seiner Bestellung unverzüglich auf elektronischem Wege bestätigen. Das Gericht hat diese Vorgabe dahingehend konkretisiert, dass diese Bestätigung wenige Stunden nach der Bestellung eingehen muss.

Unser Tipp: Nutzen Sie unseren Rechtstexter, um unzulässige Klauseln in Ihren AGB zu vermeiden!

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30.05.22