Ist eine Ware mangelhaft, kann der Käufer als Nacherfüllung wahlweise die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Die Transportkosten zum Zwecke der Nacherfüllung hat der Verkäufer zu tragen. Der Verbraucher kann hierfür gem. § 475 Abs. 4 BGB einen Vorschuss verlangen. Der BGH entschied nun (Urt. v. 30.03.2022 – VIII ZR 109/20), dass einem Verbraucher kein Anspruch auf Transportkostenvorschusses zustehe, wenn der Verkäufer dazu bereit sei, die Kaufsache unentgeltlich abzuholen.
Die Klägerin erwarb als Verbraucherin Mitte Juni 2017 von dem Beklagten ein Pferd zum Kaufpreis von 12.000 €. Ab August 2017 rügte sie gegenüber dem Beklagten mehrmals ein Zungenstrecken des Pferdes und forderte ihn jeweils unter Fristsetzung zur Mangelbeseitigung auf. Der Beklagte erklärte sich mehrfach zur Nachbesserung bereit und bot an, das Pferd hierzu bei ihr abzuholen. Die Klägerin lehnte eine Herausgabe des Pferds an den Beklagten ab. Stattdessen forderte sie von ihm die Zahlung eines Transportkostenvorschusses in Höhe von 1.200 €, um den Transport des Pferds zum Beklagten selbst durchzuführen. Der Beklagte zahlte den geforderten Vorschuss nicht. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist erklärte die Klägerin im September 2019 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Mit Schreiben im Dezember 2019 wiederholte sie die Rücktrittserklärung und vertrat die Auffassung, eine Fristsetzung sei wegen endgültiger und ernsthafter Erfüllungsverweigerung des Beklagten entbehrlich.
Die Klage blieb in den Vorinstanzen (OLG Karlsruhe, Urt. v. 8.4.2020 – 7 U 100/19, LG Baden-Baden, Urt. v. 29.5.2019 – 1 O 160/17) erfolglos, sodass der BGH im Rahmen der Revision zu entscheiden hatte.
Zunächst führte der BGH aus, dass der Käufer dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der Mängelrügen am rechten Ort zur Verfügung stellen müsse. Der Verkäufer sei nicht verpflichtet, sich auf ein Nacherfüllungsverlangen einzulassen, bevor ihm der Käufer nicht die Gelegenheit gegeben habe, die Kaufsache entsprechend zu untersuchen. Diese Untersuchung habe die Klägerin dem Verkäufer nicht am rechten Ort gewährt.
Denn ein taugliches Nacherfüllungsverlangen des Käufers muss nach der ständigen Rechtsprechung des Senats - neben einer Fristsetzung - auch die Bereitschaft des Käufers umfassen, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen am rechten Ort, nämlich dem Erfüllungsort der Nacherfüllung, für eine entsprechende Untersuchung zur Verfügung zu stellen (vgl. auch § 439 Abs. 5 BGB in der ab dem 1. Januar 2022 geltenden Fassung; hierzu BT-Drucks. 19/27424, S. 26 f.). Hierdurch soll es diesem ermöglicht werden, die verkaufte Sache darauf zu überprüfen, ob der behauptete Mangel besteht, ob er bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen hat, auf welcher Ursache er beruht sowie ob und auf welche Weise er beseitigt werden kann. Dementsprechend ist der Verkäufer grundsätzlich nicht verpflichtet, sich auf ein Nacherfüllungsverlangen des Käufers einzulassen, bevor dieser ihm die Gelegenheit zu einer solchen Untersuchung der Kaufsache gegeben hat [..]. Diese Gelegenheit zur Untersuchung des Pferds am Erfüllungsort hat die Klägerin dem Beklagten nicht gewährt.
Die Käuferin habe die Zahlung eines Transportkostenvorschusses nicht verlangen können, da der Verkäufer die kostenfreie Abholung des Pferdes angeboten habe. Sie sei ihrer Obliegenheit, dem Verkäufer die Kaufsache zwecks Untersuchung zur Verfügung zu stellen, nicht nachgekommen, so das Gericht.
Hierdurch ist die Klägerin ihrer Obliegenheit, die Kaufsache zur Verfügung zu stellen nicht nachgekommen, da sie die gebotene Verbringung des Pferds zum Beklagten selbst ausführen wollte und diese von der Zahlung eines Transportkostenvorschusses abhängig gemacht hat, obgleich der Beklagte von Anfang an bereit war, das Pferd auf seine Kosten bei der Klägerin beziehungsweise an dessen Standort abzuholen. Denn aufgrund dieses Angebots des Beklagten zu einer für die Klägerin kostenfreien Abholung des Pferds konnte sie die Zahlung eines Transportkostenvorschusses nicht verlangen.
Außerdem wies der BGH darauf hin, dass grundsätzlich ein Transportkostenvorschuss durch den Verbraucher vor Überführung der Kaufsache beansprucht werden könne. Dies solle ihn vor finanziellen Belastungen schützen, die ihn andernfalls davon abhalten könnten, seine Gewährleistungsansprüche geltend zu machen. Ein wirksames Nacherfüllungsverlangen liege demnach vor, wenn der Verbraucher entweder einen Transportkostenvorschuss verlange oder sich mit der Abholung der Kaufsache durch den Verkäufer bereiterkläre.
Jedoch entsprach es schon vor Einführung des § 475 Abs. 6 BGB aF ständiger Rechtsprechung des Senats, dass ein solcher Vorschussanspruch aus der Vorschrift des § 439 Abs. 2 BGB folgt. Hiernach hat ein Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen. Dabei handelt es sich um eine Kostentragungsregelung mit Anspruchscharakter, welche die von Art. 3 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie geforderte Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung gewährleisten soll […]. Dies begründet in Fällen, in denen eine Nacherfüllung die Verbringung des Kaufgegenstands an einen entfernt liegenden Nacherfüllungsort erfordert und bei dem Käufer deshalb Transportkosten zwecks Überführung der Kaufsache an diesen Ort anfallen, aber nicht nur einen Erstattungsanspruch gegen den Verkäufer. Vielmehr kann der Käufer in solchen Fällen nach dem Schutzzweck des Unentgeltlichkeitsgebots grundsätzlich schon vorab einen (abrechenbaren) Vorschuss zur Abdeckung dieser Kosten beanspruchen. Denn die dem Verkäufer auferlegte Verpflichtung, die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands der Kaufsache unentgeltlich zu bewirken, soll den Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen schützen, die ihn in Ermangelung eines solchen Schutzes davon abhalten könnten, solche Ansprüche geltend zu machen. Ein solcher Hinderungsgrund kann sich auch daraus ergeben, dass der Verbraucher mit entstehenden Transportkosten in Vorlage treten muss [..]. Für ein taugliches Nacherfüllungsbegehren reicht es daher aus, wenn der Käufer zeitnah einen - nicht ersichtlich unangemessenen - Transportkostenvorschuss vom Verkäufer anfordert und alternativ bereit ist, dem Verkäufer selbst die Durchführung des Transports zu überlassen [..].
Auslagen, für die die Klägerin in Vorlage hätte treten müssen, seien ihr gerade nicht entstanden. Sollten jedoch keine Transportkosten entstehen, so sei auch kein Anspruch darauf gegeben. Im vorliegenden Fall wären der Klägerin durch das Angebot des Beklagten, das Pferd abzuholen, keine Auslagen entstanden.
Nach diesen Grundsätzen besteht, was das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat, ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines Transportkostenvorschusses nicht. Dies folgt bereits aus dem Inhalt dieses Vorschussanspruchs, der - wie ausgeführt - verhindern soll, dass der Verbraucher mit entstehenden Transportkosten in Vorlage treten muss. Derartiges hat die Klägerin nicht zu befürchten. Aufgrund der Bereitschaft des Beklagten, das Pferd abzuholen, entstehen der Klägerin keine Auslagen, für welche sie in Vorlage treten müsste. Daher kann die Revision auch nicht mit Erfolg auf den Anspruchscharakter abstellen und anführen, der Käufer sei (stets) für den Transport zuständig und der Verkäufer habe (stets) die Kosten dafür zu tragen sowie einen Vorschuss zu leisten. Zwar hat der Verbraucher einen Anspruch auf Aufwendungsersatz. Wenn jedoch - wie hier - Aufwendungen nicht entstehen (werden), besteht auch kein Anspruch. Vielmehr hat der Beklagte, worauf die Revisionserwiderung zutreffend verweist, durch seine Bereitschaft zur Abholung des Pferds eine im Vergleich zum Transport durch die Klägerin "günstigere Alternative" […].
Auch wenn die Nachbesserung oder die Ersatzlieferung für den Verbraucher ohne erhebliche Unannehmlichkeiten erfolgen müsse, die nicht ausschließlich finanzielle Aspekte beträfen, müsse der Verbraucher nicht vor sämtlichen Unannehmlichkeiten geschützt werden. Entscheidend sei, dass ein durchschnittlicher Verbraucher nicht von der Geltendmachung seiner Ansprüche abgehalten werde.
Zwar verweist die Revision insoweit noch zutreffend darauf, dass die Beurteilung der erheblichen Unannehmlichkeit für den Verbraucher nicht allein auf finanzielle Aspekte beschränkt ist […]. Jedoch stellt nicht jeglicher Aufwand des Käufers im Zuge der Nacherfüllung eine erhebliche Belastung für ihn dar. Der Verbraucher muss nicht vor sämtlichen Unannehmlichkeiten geschützt werden; vielmehr ist ihm ein gewisses Maß an Unannehmlichkeiten zumutbar […]. Entscheidend ist auch hier, dass der Käufer keiner Belastung ausgesetzt wird, die geeignet wäre, einen durchschnittlichen Verbraucher von der Geltendmachung seiner Ansprüche abzuhalten […].
Eine Transportstrecke von mehreren hundert Kilometern stelle keine erhebliche Unannehmlichkeit des Verbrauchers dar. Der Transport eines Tieres gehöre zum allgemeinen Risiko eines jedes Halters, so das Gericht.
Soweit die Klägerin schließlich eine Transportstrecke von mehreren hundert Kilometern - in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat demgegenüber eine solche von etwa 1.000 Kilometern -, eine erhebliche Verletzungsgefahr für das Pferd und damit ein aus ihrer Sicht bestehendes "spezifisches Risiko" anführt, hat das Berufungsgericht zutreffend darauf abgestellt, der Transport des Tiers gehöre zum "allgemeinen Risiko" jedes Pferdehalters und hieraus folge keine erhebliche Unannehmlichkeit, aufgrund derer die Klägerin auf der Zahlung eines Transportkostenvorschusses trotz der Abholbereitschaft des Beklagten bestehen könne. Feststellungen dazu, dass die vorgenannten Risiken bei einem Transport durch den Beklagten höher wären als bei einem solchen durch die Klägerin, hat das Berufungsgericht nicht getroffen; übergangenen Sachvortrag zeigt die Revision nicht auf.
Ein taugliches Nacherfüllungsverlangen des Käufers setzt voraus, dass die Kaufsache am Erfüllungsort der Nacherfüllung zur Verfügung gestellt wird. Der Verbraucher kann grundsätzlich keinen Transportkostenvorschuss verlangen, wenn der Verkäufer bereit ist, die Kaufsache unentgeltlich abzuholen und an den Erfüllungsort zu verbringen. Die Entscheidung bezieht sich noch auf die alte Rechtslage, allerdings gelten diese Grundsätze auch nach dem neuen Kaufrecht.
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