OLG Hamm: Zugang einer Abmahnung als PDF-Anhang per E-Mail erst bei Öffnen

Abmahnungen sind an keine Formvorschriften gebunden. In der Regel werden sie jedoch per Fax oder Post übermittelt, um den Zugang nachweisen zu können. Sie können aber auch via E-Mail verschickt werden. Wird ein Abmahnschreiben dabei als PDF-Anhang verschickt, gilt die Abmahnung erst dann als zugegangen, wenn der Empfänger die Datei tatsächlich öffnet (OLG Hamm, Beschl. V. 9.3.2022 – 4 W 119/20).

Die Parteien sind Onlinehändler. Der klägerische Anwalt versandte am 19.3.2020 an den Verfügungsbeklagten eine E-Mail mit der Betreffzeile „Unser Zeichen: A ./. B 67/20-EU“. Die E-Mail enthielt folgenden Text: „Sehr geehrter Herr B, bitte beachten Sie anliegende Dokumente, die wir Ihnen situationsbedingt zur Entlastung der angespannten Infrastruktur im Versandwesen nur auf elektronischem Wege zur Verfügung stellen. MfG C“

Unterhalb dieses Textes befanden sich die Kontaktdaten des Anwalts. Als Dateianhänge waren der E-Mail zwei PDF-Dateien beigefügt: Eine PDF-Datei mit dem Dateinamen „2020000067EU12984.pdf“ enthielt ein auf den 19.3.2020 datiertes anwaltliches Abmahnschreiben wegen der wettbewerbsrechtlichen Vorwürfe und eine PDF-Datei mit dem Dateinamen „Unterlassungs.pdf“ mit dem Entwurf für eine strafbewehrte Unterlassungserklärung.

Am 1.4.2020 versandte der Anwalt des Klägers eine weitere E-Mail mit der Betreffzeile „Unser Zeichen: A ./. B 67/20-EU“ an den Verfügungsbeklagten. Diese E-Mail enthielt folgenden Text: „Sehr geehrter Herr B, zur Erfüllung diesseitiger Ansprüche setzen wir eine Nachfrist bis zum 03.04.20. MfG C“

Auch auf diese E-Mail reagierte der Beklagte nicht. Der Kläger erwirkte daraufhin vor dem LG Bochum eine einstweilige Verfügung. Der Beklagte wehrte sich jedoch gegen die Kostenentscheidung zu seinen Lasten. Seine sofortige Beschwerde vor dem OLG Hamm hatte Erfolg. Die Kosten des Rechtsstreits wurden dem Verfügungskläger auferlegt.

Abmahnung war nicht zugegangen

Der Beklagte hatte sich damit verteidigt, dass er von den E-Mails gar keine Kenntnis erlangt hatte, er jedoch auch nicht ausschließen könne, dass sie in seinem Spam-Ordner eingegangen und automatisch gelöscht wurden. Das Gericht stellte klar, dass es darauf nicht ankomme. Der Beklagte habe keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben. Werde ein Abmahnschreiben als Anhang versandt, gelte es nur als zugegangen, wenn der Empfänger es auch tatsächlich geöffnet hat. Das Öffnen von E-Mail-Anhängen unbekannter Absender könne jedoch im Hinblick auf ein allgemeines Virenrisiko nicht verlangt werden.

Die Kosten des Rechtsstreits sind in entsprechender Anwendung des § 93 ZPO dem Verfügungskläger aufzuerlegen. Der Verfügungsbeklagte hat dem Verfügungskläger durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Anbringung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegeben. Dem Verfügungsbeklagten kann in diesem Zusammenhang insbesondere nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe auf die Abmahnung des Verfügungsklägers nicht reagiert. Denn das anwaltliche Abmahnschreiben vom 19.03.2020 ist dem Verfügungsbeklagten nicht zugegangen: Wird – wie im vorliegenden Falle – ein Abmahnschreiben lediglich als Dateianhang zu einer E-Mail versandt, ist es nur und erst dann zugegangen, wenn der E-Mail-Empfänger den Dateianhang auch tatsächlich geöffnet hat (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. [2022], § 13 Rdnr. 47). Denn im Hinblick darauf, dass wegen des Virenrisikos allgemein davor gewarnt wird, Anhänge von E-Mails unbekannter Absender zu öffnen, kann von dem Empfänger in einem solchen Fall nicht verlangt werden, den Dateianhang zu öffnen (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O.). Es kann mithin im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die in Rede stehenden E-Mails überhaupt im E-Mail-Postfach des Verfügungsbeklagten (dort möglicherweise im „Spam-Ordner“) eingegangen sind. Der Verfügungsbeklagte hat durch Vorlage seiner eidesstattlichen Versicherung vom 08.05.2020 jedenfalls glaubhaft gemacht, dass er von den beiden E-Mails des – ihm zuvor nicht bekannten – Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers keine Kenntnis erlangt und dementsprechend auch den Dateianhang mit dem Abmahnschreiben nicht geöffnet hat.

Fazit

Für Abmahnungen bestehen keine Formanforderungen. Sie sind auch per Telefon oder E-Mail möglich. In der Regel werden Abmahnungen per Fax oder Einschreiben verschickt. Das hat aber lediglich mit der Beweisbarkeit des Zugangs zu tun. Das OLG Hamm hat nun klargestellt, dass ein Abmahnschreiben, das eine Abmahnung, die als PDF-Anhang in einer E-Mail verschickt wird, erst dann als zugegangen gilt, wenn der Empfänger die Datei tatsächlich öffnet. Der Fall wäre evtl. anders zu beurteilen gewesen, wenn der Text der Abmahnung direkt in die E-Mail aufgenommen worden wäre.

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06.04.22