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LG Essen: Vertragsstrafenforderung des IDO wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig

Update 12.3.2024: Nachdem das OLG Hamm (Urt. v. 30.5.2023 – 4 U 78/22) die Berufung des IDO zurückgewiesen und ausdrücklich die Revision zugelassen hatte, hob nun der BGH (Urt. v. 7.3.2024 – I ZR 83/23) die Entscheidung des OLG Hamm auf und hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Seit dem 1.12.2022 dürfen Wirtschaftsverbände nur noch abmahnen, wenn sie auf der Liste der sog. qualifizierten Wirtschaftsverbände beim Bundesamt für Justiz eingetragen sind. Bisher hat der IDO es nicht auf diese Liste geschafft. Das LG Essen (Urt. v. 25.2.2022 – 45 O 23/21, noch nicht rechtskräftig) entschied nun, dass der IDO rechtsmissbräuchlich handle, was seinem Anspruch auf eine Vertragsstrafe entgegenstehe.

Wenn Sie dem IDO gegenüber eine Unterlassungserklärung abgegeben haben, kann diese nun gegebenenfalls gekündigt werden.

Der Beklagte wurde im Juli 2020 vom IDO wegen mehrerer Wettbewerbsverstöße, u.a. fehlerhafter Garantiewerbung, abgemahnt und gab die vorformulierte Unterlassungserklärung ab. Im März 2021 kam es zu einem Verstoß gegen die Unterlassungserklärung, woraufhin der IDO eine Vertragsstrafe i.H.v. 5000 € forderte, die der Beklagte verweigerte. Der IDO klagte daraufhin auf Zahlung.

Unsere Partnerkanzlei Internetrecht-Rostock.de hat in diesem Verfahren den Beklagten erfolgreich vertreten. Das LG Essen entschied nun, dass der IDO keinen Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe habe. Ihm stehe der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Das Verhalten des IDO sei unter mehreren Aspekten rechtsmissbräuchlich.

Kündigung des Unterlassungsvertrags zulässig

Das LG Essen stellte nicht nur klar, dass ein Unterlassungsvertrag aufgrund einer missbräuchlichen Abmahnung gekündigt werden kann, sondern der Rechtsmissbrauch auch der Geltendmachung von Vertragsstrafen vor Wirksamwerden der Kündigung entgegengehalten werden könne. Zuletzt hatten bereits das LG Hamburg, das LG Potsdam und das LG Hannover die Kündigungsmöglichkeit bestätigt.

Ein aufgrund missbräuchlicher Abmahnung abgeschlossener Unterlassungsvertrag kann nicht nur nach § 314 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden. Vielmehr kann der Geltendmachung von Vertragsstrafen für Verstöße gegen die Unterlassungspflichten, die der Schuldner vor dem Wirksamwerden seiner Kündigung begangen hat, der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegengehalten werden, wenn die Unterlassungsvereinbarung aufgrund einer im Sinne des § 8 Abs.4 UWG (a.F.) missbräuchlichen Abmahnung abgeschlossen wurde (BGH GRUR 2019,638). Ein Rechtsmissbrauch im Sinne des § 8 Abs.4 UWG a.F, setzt voraus, dass das beherrschende Motiv bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind. Als typischen Beispielsfall des sachfremden Motivs umschreibt das Gesetz das Gebührenerzielungsinteresse.

Damit wird die Art der unzulässigen Geltendmachung eines solchen Anspruchs näher charakterisiert, aber der Weg zu anderen Missbrauchsformen durch die Rechtsverfolgung offen gelassen. Das beschriebene Vorgehen selbst oder jedenfalls die Art des Vorgehens muss rechtsmissbräuchlich sein. Der Anspruchsberechtigte muss mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen verfolgen und diese müssen unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen. Die Entscheidung der Frage, ob ein derartiger Missbrauch vorliegt, erfordert dabei eine vom Tatrichter auf der Grundlage des beiderseitigen Parteivorbringens vorzunehmende Beurteilung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls (BGH a.a.O.).

Rechtsmissbrauch wegen mangelnder Verfolgung

Das Gericht nahm zunächst einen Rechtsmissbrauch an, da der IDO Unterlassungsansprüche nach dem Ausspruch von Abmahnungen nicht weiterverfolgt hatte, obwohl keine Unterlassungserklärungen abgegeben worden waren.

Von einem Wettbewerbsverband kann erwartet werden, dass er nur in den Fällen Abmahnungen ausspricht, die er gegebenenfalls einer gerichtlichen Klärung zuführen möchte. Anderenfalls kann sich der Verdacht aufdrängen, der Verband setze die Abmahntätigkeit in erster Linie dazu ein, Ansprüche auf Aufwendungsersatz und gegebenenfalls Vertragsstrafeansprüche entstehen zu lassen (BGH NJW 2000,73; OLG Nürnberg WRP 2014, 235). So liegt der Fall hier. Der Kläger spricht in erheblichem Umfang Abmahnungen aus, ohne den Unterlassungsanspruch bei Ausbleiben einer Unterwerfung gerichtlich geltend zu machen. Der Beklagte trägt – unbestritten – vor, dass allein in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten seit Anfang des Jahres 2019 100 Fälle, d.h. von dem Kläger eingeleitete Abmahnverfahren vorliegen, in denen die Unterlassungsansprüche nicht weiter verfolgt wurden. An den entsprechenden Ausführungen des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung bestehen im Übrigen keine Zweifel. Dieser hat erläutert, seine Kanzlei habe gegenüber dem Kläger jeweils die Vertretung angezeigt. Er hat ferner in der mündlichen Verhandlung – unbestritten – vorgetragen, dass bei seinem Kollegen 60 Verfahren vorlägen, von denen nur 7 weiter verfolgt wurden.

Vorformulierte Unterlassungserklärung zu weit gefasst

Das LG Essen ging zudem noch unter einem anderen Gesichtspunkt von einem Rechtsmissbrauch des IDO aus. In dem konkreten Fall war Anlass für die Abmahnung unter anderem die pauschale Werbung mit der Aussage „Garantie“, ohne zugleich konkrete Angaben zu deren Inhalt und Umfang zu machen. Die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtungserklärung bezog sich jedoch weitergehend auch auf den Fall, dass nicht auf eine beim Kauf der Ware vom Hersteller angebotenen Garantie hingewiesen wird. Die vorformulierte Unterlassungserklärung ging damit offensichtlich deutlich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinaus.

Die an den Beklagten gerichtete Abmahnung spricht ebenfalls für einen Rechtsmissbrauch. Soweit eine vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung offensichtlich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinaus geht, kann dies dafür sprechen, dass das vorherrschende lnteresse darin liegt, sich über Vertragsstrafen eine Einnahmequelle zu verschaffen. Denn auf diese Weise wird die Gefahr eines Verstoßes und damit die Aussicht auf eine Vertragsstrafe vergrößert (BGH GRUR 2012,730). Vorliegend war Anlass für die Abmahnung u.a. die pauschale Werbung des Beklagten mit der Aussage ,,Garantie”, ohne zugleich konkrete Angaben zu deren lnhalt und Umfang zu machen. Die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtungserklärung bezog sich jedoch weitergehend auch auf den Fall, dass nicht auf eine beim Kauf der Ware vom Hersteller angebotene Garantie hingewiesen wird. Dabei handelt es sich nach Auffassung der Kammer nicht um eine solche Begehungsform, die mit der gerügten im Kern wesensgleich ist. Abzustellen ist insoweit auf das Charakteristische der Verletzungshandlung. Diese liegt im vorliegenden Fall darin, dass der Beklagte eine Garantie beworben hat, ohne seinen lnformationspflichten nachzukommen, die in diesem Fall unzweifelhaft bestehen. […]

Der vorformulierten Erklärung selbst ist die gegenüber dem konkreten Verstoß – Werbung mit einer Garantie – erweiterte Verpflichtung nicht hinreichend deutlich zu entnehmen.

Weitere Gründe für einen Rechtsmissbrauch

Ohne dass es im Fall noch darauf ankam, spreche nach Ansicht des Gerichts für einen Rechtsmissbrauch zudem, dass die Abmahnung den Eindruck erweckt, dass die Unterwerfungserklärung und die Anerkenntnis der Kostenerstattungspflicht zusammengehörten. Zudem werden Mitglieder systematisch verschont.

Ohne dass hierauf noch entscheidend ankommt, erweckt die Abmahnung zudem in der Zusammenschau mit der vorformulierten Unterlassungsverpflichtungserklärung den unzutreffenden Eindruck, Unterwerfungserklärung und Anerkenntnis der Kostenerstattungspflicht gehörten zusammen. Wie bereits ausgeführt weist die Abmahnung auf die gebotene Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hin. Weiter heißt es, dass diese in der Anlage bereits vorformuliert beiliege. Zu der Abgabe der unterschriebenen und datierten Unterlassungserklärung wird sodann eine Frist gesetzt, nach deren Ablauf mit einer gerichtlichen Geltendmachung zu rechnen sei. lnsoweit entsteht der Eindruck, dass ein gerichtliches Verfahren nur durch die Unterzeichnung der beigefügten Unterlassungserklärung vermieden werden kann. Dort ist neben der Unterlassungsverpflichtung unter den Ziffern l.- lV. unter der Ziffer V. – und damit gleichranging – die Verpflichtung zur Zahlung der Abmahnkosten aufgeführt. Auch dies spricht für die Rechtsmissbräuchlichkeit der Abmahnung (OLG Hamburg GRUR-RS 2019,39901).

ln der Gesamtschau kann schließlich weiter berücksichtigt werden, dass der Kläger seine Mitglieder entsprechend den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung offenbar systematisch anders behandelt als Nichtmitglieder. Während Nichtmitglieder – wie üblich – bei Wettbewerbsverstößen unmittelbar abgemahnt werden, erhalten Mitglieder zunächst nur ein Anschreiben. Erst bei fehlender Reaktion hierauf wird eine Abmahnung ausgesprochen.

Das Urteil des LG Essen ist noch nicht rechtskräftig.

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Falls auch Sie eine Unterlassungserklärung gegenüber dem IDO – Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e. V. abgegeben haben, nehmen Sie gerne mit uns Kontakt auf. Unsere Partnerkanzlei schaut sich an, ob eine Kündigung in Ihrem Fall in Betracht kommt und spricht diese dann auch gerne für Sie aus.

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